Langsam am Gasgriff drehen, Maschine und Fahrer schütteln sich, das Blubbern aus dem Auspuff wandelt sich in ein immer lauteres Grollen. Der Biker lässt die Kupplung seiner Harley-Davidson kommen und braust mit Sonnenbrille, Fransen-Lederjacke und Cowboystiefeln in den Sonnenuntergang.
So das Klischee über den typischen Harley-Besitzer. Wie kaum eine andere Marke versteht es der amerikanische Kulthersteller schwerer Motorräder, das Image von Freiheit und Abenteuer zu transportieren. Aber selbst dessen Managern schwant, das geht nicht ewig so weiter: Gegen die infernalische Lautstärke regt sich überall Widerstand, strenge Abgasregeln setzen den Zweirädern zu, und ressourcenschonender Konsum ist gefragter denn je.
Ausgerechnet die Firma mit dem Revoluzzer-Image versucht sich deswegen an dem Prototyp eines politisch korrekten Elektromotorrads. Es ist das erste Modell eines weltweit führenden Herstellers. Zwar hat BMW einen E-Roller im Programm, und der österreichische Hersteller KTM bietet mit der Freeride E eine Maschine fürs Gelände an, allerdings ohne Straßenzulassung. Aber ein richtiges Strombike haben bisher nur Außenseiter wie der kalifornische Pionier Zero Motorcycles oder das US-Unternehmen Brammo auf den Asphalt gestellt, das gerade von dem großen US-Fahrzeughersteller Polaris geschluckt wurde.
Mehr als zwei Millionen E-Bikes in Deutschland
Das zeigt: Wieder einmal tun sich die Platzhirsche einer Branche schwer damit, schnell genug auf eine neue Technologie zu reagieren, die das Zeug dazu hat, gewohnte Marktstrukturen aufzubrechen und traditionelle Produktkategorien abzulösen. Dabei wäre dies im Fall der Motorradhersteller dringend nötig: Sie werden auf einmal von unten angegriffen durch immer elegantere Elektrofahrräder, die so schnell wie Mopeds durch die Städte düsen. Die wiederum konkurrieren mit selbstbalancierenden Stehrollern und elektrischen Skateboards. Die E-Gefährte fordern nicht nur klassische Motorradhersteller heraus, sondern können sogar locker den Zweitwagen ersetzen und blockieren nicht einmal einen Parkplatz.
Welches Potenzial in den elektrifizierten Gefährten steckt, zeigt der Siegeszug der Elektrofahrräder. Allein in Deutschland rollten 2014 bereits mehr als zwei Millionen Exemplare herum.
Und der Boom hält weiter an: Nach den vorläufigen Zahlen des Zweirad-Industrie-Verbands steigen die Absatzzahlen von 480 000 E-Bikes 2014 auf rund 520 000 E-Bikes in diesem Jahr. Eines der am stärksten wachsenden Segmente sind dabei die Elektromountainbikes, die der Branche eine erheblich jüngere Kundschaft verschafft. Ein Grund: Während viele Pedelecs recht altbacken aussehen, verschwinden die Akkus unauffällig in den dicken Rahmenrohren der sportlichen Mountainbikes. Der Fahrspaß mit den Elektrogefährten ist enorm und trägt zur Popularität des Antriebs bei.
Die Fans sollen entscheiden
Da müssen die Motorradhersteller erst mal mithalten. „Whiiiiiiiiiiiih“ surrt das LiveWire genannte Elektromotorrad los – und gleicht damit eher einem Turbostaubsauger. Akustisch, und damit prestigemäßig, schrumpft die stolze Harley da gefährlich nahe ans Elektrofahrrad. Ob die eingefleischten Marken-Jünger den Sound akzeptieren, trauen sich selbst die Harley-Chefs nicht allein zu entscheiden – und lassen die Fans die Prototypen bewerten. Seit dem vergangenen Jahr tourt die Firma mit rund 80 Exemplaren um die Welt. Die Maschine hat 75 PS, fährt knapp 150 Kilometer pro Stunde schnell.
Die enorme Beschleunigung aus dem Stand begeistert bei Testrunden auf dem Hockenheimring. Und dennoch – jeden Tester dort fragten die Marketingleute nach der Fahrt: Würdest du dir ein solches Elektromotorrad kaufen? „Heute eher noch nicht“, ist oft die Antwort. Die Maschine macht zwar Spaß. Aber nicht lange. Bei zurückhaltender Fahrt ist schon nach 85 Kilometern Schluss. Wer richtig Gas, pardon Strom gibt, muss sogar schon nach 60 Kilometern an die Steckdose. Damit drohen schwere Motorräder in dieselbe Falle zu geraten wie Elektroautos: „Die Reichweite ist für unsere Kundschaft noch nicht groß genug“, räumt Frank Klump ein, Marketing-Direktor von Harley Deutschland.
Schon Pedelec oder noch E-Fahrrad?
Deshalb will Harley die Maschine frühestens 2020 auf den Markt bringen und hofft bis dahin auf Fortschritte in der Akkutechnik und weiter fallende Preise. Ähnlich sieht das auch Stephan Schaller, der bei BMW die Motorradsparte leitet. BMW könnte, so Schaller, schon morgen ein Motorrad hinstellen, das „sehr viel Spaß macht, dessen Batterie aber in zu kurzer Zeit leer wäre“.
Reduzieren sie aber weiter Gewicht oder Beschleunigung, fühlen sich Kunden direkt wie auf dem Elektrofahrrad – und können dann auch gleich selbiges kaufen. Die S-Pedelecs schaffen schließlich auch bis zu 45 Kilometer pro Stunde.
Worauf man beim Kauf eines E-Bikes achten sollte
E-Bikes sollte man nur beim guten Fachhändler mit eigener Werkstatt kaufen. Nicht nur wegen der Beratung, sondern auch, weil der Fachhändler das Rad repariert. Pedelecs sind Hightech-Produkte, die man nur noch schwer selbst reparieren kann.
Defekte Akkus darf man nicht per Post zurückschicken. Umso mehr ist man auf einen Fachhändler angewiesen.
Ein Tipp der für Bikes und E-Bikes gleichermaßen gilt: Eine Kettenschaltung benötigt mehr Wartungsaufwand als Nabenschaltungen.
Beim Kauf sollten Sie einen Blick auf Antriebseinheit und Akku werfen. Wenn Sie längere Wochenendtouren planen, sollte der Akku eine entsprechende Reichweite haben.
Auch die Position von Motor und Akku ist zu bedenken. Nichts falsch machen kann man beim Mittelmotor, da er die Gewichtsverteilung beim Fahrrad nicht verändert.
Wer sein Rad zum Einkaufen nutzt, achtet darauf, dass der Akku nicht auf dem Gepäckträger sitzt. Wird nämlich darauf noch der Einkaufskorb gesetzt, dann liegt der Schwerpunkt relativ hoch, was wiederum der Fahrstabilität nicht zugute kommt.
Die weit verbreiteten Lithiumionen-Akkus vertragen auch problemlos Teilladungen. Sie können den Akku beispielsweise also auch dann aufladen, wenn er noch zu 30 Prozent geladen ist.
Ein Tipp des ADFC: Wenn Sie das E-Bike über längere Zeit nicht nutzen, dann sollten Sie den Akku kühl lagern (zwischen zehn und 15 Grad Celsius) und den Ladestatus etwa bei 60 Prozent halten.
Wie alle Batterieprodukte mögen auch die Lithiumionen-Akkus weder extreme Kälte noch starke Hitze. Wenn Sie das Bike auch im Winter bei Temperaturen unter null nutzen, sollten Sie den Akku nach beendeter Fahrt mit ins Haus nehmen.
Auch die Radtour an einem heißen Sommertag kann für den Akku zur Belastung werden. Parken Sie das Fahrrad deshalb nicht in der prallen Sonne, stellen Sie es in den Schatten.
Pedelecs oder E-Bikes wiegen wesentlich mehr als Fahrräder. Die meisten bringen zwischen 22 und 25 Kilo auf die Waage. Wer sein Bike also täglich in den Fahrradkeller oder in die Wohnung schleppen muss, sollte das Gewicht bedenken.
Pedelecs sind meist schneller als Fahrräder. Deshalb bitte einen Helm tragen - und Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer sollte selbstverständlich sein.
Weitere nützliche Tipps und Know-how finden Sie auf den Seiten des ADFC.
Ein besonders elegantes Exemplar dieser Gattung ist der Stromer ST2 des Schweizer Herstellers MyStromer. Äußerlich ist es von einem normalen Rad nur schwer zu unterscheiden, da sich der Akku im Unterrohr versteckt. Da der Radler mitstrampelt, liegt die Reichweite bei bis zu 150 Kilometern.
Konkurenz fürs Fahrrad
Optimisten, wie der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, hoffen bereits, dass die Pedelecs die Mobilität in den verstopften, verlärmten und verschmutzten Städten revolutionieren könnten. Er hat bereits seit fünf Jahren einen Dienstwagen durch ein schnelles E-Bike ersetzt.
Aber auch dem Fahrrad droht neue Konkurrenz. „Gerade in dicht besiedelten Zentren werden Autos immer unpraktischer und zwingen die Leute, sich neben dem Fahrrad nach Alternativen umzuschauen“, sagt Anand Sanwal, Chef des US-Marktforschers CB Insights. „Das gibt persönlichen Transportern neuen Schwung.“
Auf diesen Trend hoffte bereits vor knapp anderthalb Jahrzehnten der US-Erfinder Dean Kamen, als er seinen Segway feierlich enthüllte. Doch der selbstbalancierende Elektroroller kam zu früh – und wurde zum Flop. Mit Preisen ab 8000 Dollar war er zu teuer für den Massenmarkt. Seit April ist der Pionier der persönlichen Transporter nun in chinesischer Hand. Erworben hat ihn der Wettbewerber Ninebot aus Peking. Die beiden Gründer und Robotikspezialisten Gao Lufeng und Wang Ye tüfteln schon seit drei Jahren daran, Stehroller handlicher, leichter und billiger zu machen.
Das ist gelungen. Ihr Ninebot ist mit 25 Kilogramm nur halb so schwer wie ein Segway. Da sich sein Lenker abnehmen lässt, passt er bequem in einen Autokofferraum. Der Ninebot erreicht das gleiche Spitzentempo von 20 Stundenkilometer wie sein Vorbild, kommt aber mit 30 Kilometern nicht ganz so weit. Dafür gibt es ihn schon ab 3400 Euro, die einrädrige Version namens Ninebot One sogar schon für rund 1000 Euro.
Ans Erbe von Segway will auch Chris Hoffman anknüpfen. Der Gründer von Ryno Motors aus Portland im US-Bundesstaat Oregon hat mit dem Ryno ein kurioses Einrad geschaffen. Das mit 72 Kilogramm recht schwere E-Mobil steuert der Fahrer durch Gewichtsverlagerung seines Körpers. Er erreicht ein Tempo von 16 Kilometern pro Stunde.
Brett mit Antrieb
Aufsehen erregt derzeit auch eine Art fliegendes Skateboard: der Walkcar des japanischen Designers Kuniako Saito von Cocoa Motors. Der Fahrer lenkt das Brett mit Elektromotor per Hüftschwung und erreicht Geschwindigkeiten von zehn Kilometern pro Stunde. Eine Akkuladung soll 7,5 Kilometer weit reichen.
Vor allem aber wiegt das Gefährt nur drei Kilogramm. Der Besitzer kann es so bequem unter dem Arm oder im Rucksack transportieren. Finanzieren will Saito sein Walkcar über die Crowdfunding-Seite Kickstarter zu einem Preis ab 750 Euro. Das wäre Elektromobilität für fast jedermann.