Direkt an der Münchner Haltestelle Tierpark, in der Nähe von bestialisch stinkenden Tierkäfigen, starten die Hybridbusse der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Im Inneren der Linie 52 zeigen LCD-Bildschirme anhand von Infografiken, wie der Hybridbus beim Anfahren einer Haltestelle die Bremsenergie in die Batterien leitet und diese weiterverwendet, wenn der Bus die Haltestelle wieder verlässt. Dann vernimmt der aufmerksame Fahrgast ein leises Surren, nach kurzer Zeit springt der Diesel an und das Nutzfahrzeug fährt ab dann wieder mit herkömmlichen Antrieb.
Bei diesem sogenannten parallel geschalteten Hybridantrieb setzen sowohl der Elektro- als auch der Dieselmotor das Gefährt in Bewegung. Beim seriellen Hybridmodell hingegen wird der Antrieb allein über den Elektromotor gewährleistet. Wenn die Batterien leer sind, schaltet sich der Dieselmotor an, und versorgt die Batterie mit neuem Strom.
Die Vorteile des seriellen Typs: Sie eignen sich für den Stop-und-Go-Verkehr in der Stadt. Der parallele Hybrid ist hingegen für Strecken mit weniger Zwischenstopps und längeren Haltestellen-Abständen geeignet, für Überlandfahrten und den Verkehr zwischen kleineren Kommunen.
Was beiden Typen gemein ist: Die Hersteller versprechen eine zweistellige Kraftstoffeinsparung. Als 2008 die Münchener Verkehrsgesellschaft erstmals den Urbino 18 Hybrid der polnischen Firma Solaris auf den Straßen der bayerischen Landeshauptstadt testweise einsetzte, hoffte der Verkehrsbetrieb auf 20 Prozent weniger Dieselverbrauch - das versprach auch der Hersteller mit seinen neuen Modellen. Die MVG schaffte sich einen weiteren seriellen Hybridbus von MAN an, schließlich ein Exemplar von Mercedes Benz (seriell). Im November 2011 zog die MVG ein vorläufiges Fazit.
Das Ergebnis fällt nicht besonders schmeichelhaft für die Hersteller aus: Die versprochenen Kraftstoffeinsparung kann keiner der Hersteller einhalten. Je nach Modell liegt die Kraftstoffeinsparung nur im einstelligen Bereich. Zudem bemängelte die Münchener Verkehrsgesellschaft Probleme bei einzelnen Bauteilen und Defizite im Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten. Auch Software-Probleme tauchten öfters auf.
„Die Hybridbusse sind derzeit noch nicht annähernd wirtschaftlich“, urteil MVG-Chef Herbert König, „möglich wird ihr Betrieb nur durch Fördergelder“.
Pilotprojekte in acht Regionen
Diese hat die Bundesregierung im Rahmen des Konjunkturpakets II verteilt. 220 Projektpartner erhielten in acht Modellregionen 130 Millionen Euro, um die Praxiserprobung von 59 Hybridbussen durchzuführen. Das Projekt wird von der Nationalen Organisation Wasserstoff-und Brennstoffzellentechnologie durchgeführt (NOW). So rollen in Hamburg mittlerweile vier Brennstoffzellenbusse mit Hybridtechnik von Mercedes-Benz. Im August 2011 setzte erstmals weltweit der hanseatische Verkehrsbetrieb Hochbahn diese Nutzfahrzeuge ein. Bei diesen Fahrzeugen treibt eine Brennstoffzelle die Batterien des Busses an. Dazu sind auf dem Dach des Busses Behälter mit Wasserstoff untergebracht. Diese erzeugen in den Brennstoffzellen Strom, der in Lithium-Ionen-Akkus gespeichert wird, mit einer Kapazität von 27 kW. Der Elektromotor kann dann laut Herstellerangaben mit konstanten 120 kW (163 PS) angetrieben werden.
Brennstoffzellen deutlich teurer
Die Technologie mit Brennstoffzellen hat allerdings ihren Preis – der Citaro-Hybridbus von Mercedes kann bis zu eine Millionen Euro kosten - dreimal mehr als ein E-Gefährt mit Dieselantrieb. Daimler hat daher auch erst zwei weitere Citaros nach Karlsruhe geliefert, fünf an die Schweizer Post und drei nach Mailand.
Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr setzt dagegen Dieselhybrid-Fahrzeuge des polnischen Herstellers Solaris in Bochum und Gelsenkirchen ein. Der Betreiber Bogestra zeigt sich mit dem Bus Urbino 18, der auch in München getestet wird, sehr zufrieden. „Wir haben ungefähr 15 Prozent Einsparungen“, sagt eine Sprecherin des Transportunternehmens. Gleiche Zahlen wurden bisher auch aus Dresden und Leipzig überliefert, wo die Polen ihre Busse an die Verkehrsbetriebe geliefert haben.
Geringere Einsparungen als erwartet
Das Problem auch hier: Die maximalen 15 Prozent Minderverbrauch gegenüber dem Dieselmotor bleiben einfach hinter den Erwartungen zurück. Die Dresdner Verkehrsbetriebe, die seit 2007 Erfahrung mit den neuen Fahrzeugen sammeln, hatten mit 25 Prozent gerechnet.
Solaris reagierte auf die Kritik. Sie machten die Fahrzeuge um eine Tonne leichter, der Dieselmotor wurde kleiner. Jetzt soll die Einsparungsquote nach Angaben der TÜV-Süd-Gruppe bei 24 Prozent liegen. Die Üstra aus Hannover nutzt seit September 2011 elf Hybridfahrzeuge des polnischen Herstellers. Bei einem Testfahrzeug konnte das Fraunhofer Institut, mit dem die Üstra einen Testbetrieb gemeinsam unternahm, 23 Prozent Kraftstoffverbraucheinsparung messen.
Trotzdem: „Die Anschaffung der elf Busse wäre ohne staatliche Förderung mehr als fraglich gewesen“, sagte ein Sprecher der Üstra WirtschaftsWoche Online. Immerhin kostet ein Solaris Hybrid-Exemplar je nach Ausstattung bis zu 500.000 Euro – etwa doppelt so viel, wie ein herkömmlicher Dieselbus.
Die Hersteller wiegeln ab. „Das Einsparungspotenzial hängt vom Linienprofil der Busse ab, vom Einsatz und vor allem wie der Fahrer den Bus führt“, sagt ein Sprecher beim Hersteller Solaris. Und ein Sprecher von MAN sagt: „Wenn die Verkehrsbetriebe ihrer Fahrer spezielle Trainings durchführen lässt, die MAN anbietet, führt das zu signifikanten Einsparungen.“
So oder so: „Unter den gegenwärtigen Bedingungen liegen sowohl die Mehrkosten, als auch der Dieselpreis in einer Größenordnung, in der Hybridbusse im Vergleich zu Dieselbussen ohne staatliche Förderung nicht wirtschaftlich betrieben werden können“, sagt ein Vorstandssprecher der Dresdner Verkehrsbetriebe.
MAN bietet auch Hybrid-LKW
Die großen Hersteller, die sich auf diesen Versuchsfeldern tummeln, sind nach Angaben von Volker Deutsch vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmer (VDV) Evobus (Mercedes Benz), Solaris und MAN. Letzterer stellt auch LKWs mit Hybridantrieb her. „Diese Fahrzeuge sind allerdings vorwiegend im Verteilerverkehr einzusetzen“, so ein Sprecher von MAN, also für den Warentransport im regionalen Umkreis. Ein Projektpartner, mit dem MAN derzeit seinen TGL Hybrid-LKW testet ist eine Wäscherei im Raum München. Nicht geeignet ist der TGL dagegen für den Fernverkehr und für Lasten über zwölf Tonnen. „Dort ist das Einsparungspotenzial einfach noch zu gering“, so ein MAN-Sprecher.
Trotz der unerfüllten Versprechen können die Hersteller auf die wachsende Nachfrage nach neuen Konzepten im öffentlichen Personenverkehr setzen. Das Erdöl wird knapp, der Bund und die Europäische Union pochen auf die Einsparung von CO2-Emissionen. Die Welt des 21. Jahrhunderts wird zudem eine städtische sein, überall auf dem Planeten wollen die großen Metropolen sich daher mit umweltfreundlichen Bussen eindecken und somit die Luft für ihre Bürger schonen.
Hybridbusse im Ausland
In China und Indien sollen mehrere Megacities die Anschaffung von Hybridbussen durchrechnen. Der Hersteller Daimler beliefert jetzt schon zahlreiche nordamerikanische Großstädte mit seiner US-Busmarke Orion. Über 3200 Exemplare des Dieselhybridmodells Orion VII rollen in den Städten New York, Seattle und Toronto. Was in der alten Welt gilt, trifft auch hier zu: Ohne Zuzahlung der Regierung hätten sich die Verkehrsbetriebe die teureren Hybridbusse nicht leisten können. MAN hat Kunden in Barcelona, Mailand und Wien. Der Betreiber Transport of London hat sich für 2012 das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis zu 300 Hybridbusse bereitzustellen, ab 2013 sollen an der Themse nur noch solche Busse gekauft werden, die Bremsenergie zurückgewinnen.
Elektrobusse im Test
Rein elektrisch angetriebene Busse verkehren dagegen in Deutschland bislang nur als reine Testfahrzeuge. Meist werden dazu die Gestelle größerer Hersteller umgebaut und mit Batterie und elektrischen Antrieb versehen. Diese Batterien können dann per Kabel wieder aufgeladen werden. Auch Solaris möchte zur IAA Nutzfahrzeuge im September dieses Jahres einen Batterie-Elektrobus in Standardlänge 12 Meter präsentieren.
Doch Größe und Gewicht der Batterien machen für manche Experten Elektrobusse schwer vorstellbar – die Akkus können schnell 1,8 Tonnen wiegen.
Die Verkehrsbetriebe in Turin und Genua verwenden daher ein induktives Ladesystem. Das befindet sich unter dem Asphalt der Haltestelle und lädt die Batterie bei den kurzen Stopps der Busse immer wieder kurz auf. Die Batterien der Busse müssen daher nicht zu groß sein und die Busse können jeden Tag ohne längeres Aufladen bis zu 200 Kilometer fahren.
Entwickelt hat das Ladesystem die schwäbische Firm Conductix-Wampfler. Dort berichtet der Produktmanager Mathias Wechlin: „Die Entwicklung solcher elektrischen Antriebe ist derzeit nur mit kleineren Partnern möglich.“ Große Bushersteller seien gegenüber dem reinen Elektromotor nach wie vor sehr reserviert, da sie sich um ihr Verbrennungsmotorgeschäft sorgten. In Italien hat Conductix Wampfler daher mit dem kleinen Hersteller Eco Power Technology zusammengearbeitet.
China will den Markt mit Batteriebussen aufrollen
Doch eventuell könnten die Chinesen die Vorbehalte gegenüber Batteriebussen ändern: Im Reich der Mitte fahren laut Roland Berger bereits mehr als tausend Elektrobusse.
So wie China auch bei PKW massiv auf den Elektroantrieb setzt, um seinen Rückstand im Automobilbau auszugleichen, versuchen sie auch den Nutzfahrzeugmarkt mit der Technik zu erobern – mit ersten Erfolgen. Die chinesische Firma BYD liefert beispielsweise schon Batteriebusse nach Kanada.
Und auch in Deutschland wird die asiatische Technik seit kurzem getestet: Die Firma Euracom ließ in China einen Bus mit Batterie ausrüsten, die Verkehrsgesellschaft des Kreises Pinneberg bei Hamburg testet diesen nun im Linienverkehr. Eine große Frage ist dabei, wie die Fahrzeuge bei Kälte reagieren. Denn die Reichweite von 250 Kilometern sinkt laut bisherigen Tests um mindestens zehn Prozent und auch die Heizung Probleme könnte machen.
Wer vollständig auf elektronischen Betrieb umstellen möchte, dem bietet sich eine weitere Technologie an. Eine von gestern sozusagen: Oberleitungsbusse, sie versprühen den Charme und die Nostalgie längst vergangener Tage. Zurück in die Zukunft möchte damit dennoch kein Verkehrsbetrieb. Oberleitungsbusse sind nicht flexibel, sie können nur auf festen, vorgefertigten Strecken fahren. Ihre Zeit ist in Deutschland längst vorbei. Drei Städte setzen diese rein elektrischen Fahrzeuge noch ein: Solingen, Eberswalde und Esslingen.