Elektromobilität Hält das Stromnetz dem E-Auto-Boom stand?

Seite 3/4

Wo sollen die Ladestationen stehen?

Dabei könnte man alleine durch die geschickte Standortwahl neuer Ladesäulen die Kosten für den Netzausbau immens drücken. Einer, der weiß, wo man Ladesäulen am besten baut, ist Volker Lazzaro, Geschäftsführer des größten deutschen Ladesäulenherstellers Mennekes. „Günstig sind Orte, an denen die Leute mehrere Stunden stehen müssen und wo bereits hohe Anschlussleitungen da sind“, sagt er. Zu Hotels etwa wurden bereits dicke Kabel verlegt, die Großküchen oder Aufzüge versorgen. Auf die Parkplätze der Hotels könnte man ohne großen Aufwand Ladesäulen stellen – ohne zu riskieren, dass das Netz unter der zusätzlichen Last schlapp macht. „Auch Park-&-Ride-Parkplätze wären ideal“, sagt Lazzaro. „Sie sind in der Nähe der S-Bahn, und die Bahn hat genügend Strom.“ Am besten allerdings ließe sich der Strom für die E-Autos auf den Mitarbeiterparkplätzen großer Firmen abzapfen. Dort gibt es dicke Leitungen und Trafos, und die Autos parken über viele Stunden. Sie können langsam und netzschonend laden.

Warum schläft der Gesetzgeber?

Eigentlich wäre für den nötigen Umbau der Stromnetze noch genügend Zeit. Doch wer sich in Deutschland umhört, bekommt den Eindruck, dass all diejenigen, deren Einsatz es nun für diesen Umbau bräuchte, diese Zeit einfach verstreichen lassen. Beispiel: Freiburg. Die Stadt wächst. An ihrem Westrand entsteht bald ein ganzes Wohnviertel: Dietenbach. Heute ist die Fläche zwischen Bundesstraße 31a und Naturschutzgebiet noch Ackerland, ab 2020 sollen die Bagger rollen, 2040 das letzte Haus stehen.

Fünf Jahre haben die Stadtentwickler geplant, gerechnet und Bürgerdialoge geführt. Sie haben an Stellplätze für die Autos gedacht, an die Verzahnung mit Bus und Bahn, an Car-Sharing. Nur an eines nicht: dass von den Autos der rund 13.000 Menschen, die nach Dietenbach ziehen, viele einen Elektroantrieb haben – und irgendwo laden müssen.

Taugt ein Elektroauto als Taxi?
Lutz Möbius ist überzeugt: „In fünf Jahren wird sich die Autolandschaft in Deutschland radikal gewandelt haben“. Der 58-Jährige ist Taxi-Unternehmer im Süden Sachsen-Anhalts, in Zeitz, und gibt den derzeit viel diskutierten Diesel-Stinkern keine Zukunftschancen. Deshalb setzt er auf Autos mit Elektro-Antrieb. „Ich will in den nächsten Jahren 25 bis 30 Prozent meiner Fahrzeugflotte auf Elektro umrüsten“, sagt Möbius und sieht sich als Vorreiter. Ein reines Elektroauto, einen Wagen des US-Autobauers Tesla, nutzt Möbius schon - allerdings mit Einschränkungen und ohne das markante Taxi-Schild auf dem Dach. Quelle: dpa
Der Unternehmer ist ein Exot in seiner Branche. Konkrete Zahlen gibt es laut Deutschen Taxi- und Mietwagenverband zwar nicht. „Aber wenn es auf 20 Elektroautos kommt, ist das viel“, sagt Geschäftsführer Thomas Grätz. Neben den hohen Anschaffungskosten seien die Bedingungen noch nicht ideal. Quelle: Nissan
Grätz nennt sowohl betriebliche als auch organisatorische Probleme. In Taxi-Unternehmen werde meist im Zwei-Schicht-Rhythmus gearbeitet. „Was ist, wenn kurz vor Schichtwechsel das Taxi aufgeladen werden muss?“ Andere Taxi-Betriebe setzten daher eher auf die Kombination der Antriebe, auf Hybrid-Autos. „In Berlin sind bestimmt bis zu 20 Prozent der Taxis mit Hybrid unterwegs“, schätzt Grätz. Laut Verband gibt es in Deutschland mehr als 21.700 Taxi-Unternehmen mit rund 53.500 Fahrzeugen. Quelle: Toyota
Der Zeitzer Taxi-Unternehmer Möbius hatte weniger organisatorische Bedenken, er stieß auf rechtliche Hürden. Sein Elektroauto bekam keine Taxi-Zulassung, darf nicht die typische Farbe tagen und auch kein Schild auf dem Dach. Die Angelegenheit ist verzwickt. Im vorigen Jahr wurden die Eich-Vorschriften geändert: Demnach durften Autos, die nicht vom Hersteller als Taxi-Variante kommen, von Ausrüstern nicht mehr in ein Taxi umgewandelt werden. Vor dieser Novelle sei es einfach gewesen, E-Autos umzurüsten, berichtet Möbius. Doch der 58-Jährige ließ sich nicht entmutigen. „Ich hatte mir den Gedanken in den Kopf gesetzt: Ich will so ein Auto haben, weil es richtig ist.“ Quelle: dpa
Geholfen hat schließlich das Landesverwaltungsamt in Sachsen-Anhalt – mit einer Ausnahmegenehmigung, die das Personenbeförderungsgesetz zulässt. So fährt der 58-Jährige nun etwa Patienten zu notwendigen Behandlungen nach außerhalb oder übernimmt Zubringerfahrten – nur eben ohne Taxi-Schild. Quelle: dpa
Inzwischen hat die Bundesregierung umgesteuert und das Bundeswirtschaftsministerium verkündete eine erneute Änderung der Mess- und Eichverordnung. Nun soll es doch wieder möglich sein, Autos als E-Taxis nachzurüsten. Quelle: dpa
„E-Autos sind ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen, klimafreundlichen Mobilität. Gerade die große Taxi-Flotte in Deutschland bietet hier einen wichtigen Hebel“, erklärte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Möbius hofft, das die Zulassungsschwierigkeiten bald der Vergangenheit angehören. Er selbst ist nach 14.000 gefahrenen Kilometern mit seinem E-Auto zufrieden. Auch die Infrastruktur passe, sagt er. Quelle: dpa

Doch die Elektromobilität taucht in den Planungsunterlagen mit keinem Wort auf. Nicht nur in Freiburg schlafen Kommunalpolitiker und Planer. Sie tun es bundesweit. Und es geht nicht nur um ein paar träge Lokalpolitiker. Es ist eine regelrechte Blockadehaltung. Und zwar ganz oben. Anstatt den Ausbau der benötigten Stromanschlüsse für Ladesäulen zu fördern, hintertreibt die Bundesregierung ihn sogar auf EU-Ebene. So macht sich die deutsche Regierung ausgerechnet jetzt in Brüssel gegen eine bessere Vorverkabelung von Wohnhäusern stark, wie der „Spiegel“ berichtet.

SPD-Politiker und Elektromeister Rimkus fürchtet, dass der Ausbau der Stromnetze verschleppt und damit deutlich teurer wird: 45 Millionen E-Autos seien kein technisch unlösbares Problem für die Netze, sagt er. Aber: „Sie werden eines, wenn wir einfach so weitermachen wie bisher.“

Einfach mal loslegen, „mit der Gießkanne investieren, das ist keine Option“, sagt Stadtwerkechef Reiter. „Ich kann nicht alle gut 1000 Trafos in meiner Stadt auf Verdacht austauschen oder aufrüsten; das wäre eine zweistellige Millioneninvestition.“

Reiter will aber irgendetwas tun. Also werden seine Leute in den kommenden Jahren für das Stadtgebiet eine Karte des Stromnetzes erstellen, in die Daten aus allen Ortsnetztrafos einfließen. Überlastete Trafos würden rot aufleuchten. Reiters Leute könnten auf der Karte sehen, wo und wann neue E-Autos deutlich mehr Strom verlangen. Permanent überlastete Gebiete könnten sie gezielt mit neuen Ortsnetztrafos, Spannungsreglern oder dickeren Leitungen optimieren. Dazu allerdings müssen die 1000 Trafos in der Stadt erst einmal mit Sensoren ausgestattet werden. Nur so können sie all die Daten senden, die Reiter für seine Karte braucht.

Auch hier wird Reiter torpediert von Politikern, die die E-Mobilität blockieren: So gibt es zwar ein Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende – und damit die Möglichkeit, die Stromnetze so smart zu machen, dass auch Reiter an die Informationen kommt, die er braucht. Doch auch in dessen jüngster Überarbeitung von August 2016 hat der Gesetzgeber die E-Mobilität nicht vorgesehen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%