Hybridautos Die neuen Diesel-Sparwunder

Das Elektroauto bekommt gefährliche Konkurrenz: Peugeot, Mercedes und Volvo bringen die ersten Dieselhybride auf den Markt. Die verbrauchen mitunter weniger als zwei Liter auf 100 Kilometer – und bringen sogar Spaß.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Porsche Hybrid Quelle: Reuters

Der weiße Peugeot steht auf breiten Reifen. Er ist viereinhalb Meter lang, hat einen Dieselmotor – und er ist doch die Hoffnung der ganzen Branche in Sachen grüne Mobilität. Manche glauben sogar, dieser weiße Peugeot sei der erste ernsthafte Konkurrent des Elektroautos. Denn unter seiner Haube arbeitet ein sparsamer Dieselmotor in Verbindung mit einem lautlosen Elektroantrieb. Ende des Jahres können Kunden diesen weltweit ersten Dieselhybrid kaufen.

Eigentlich waren sie schon immer ein Traumpaar: Der Diesel, der mit dem Kraftstoff viel genügsamer umgeht als Benziner, und der lautlose Elektroantrieb, der die Schwächen des Dieselmotors ausgleichen kann, wie etwa seinen höheren Verbrauch im Stadtverkehr.

Lange jedoch traute sich kein Hersteller, die beiden Antriebe zu vermählen: In Dieselmotoren wird der Kraftstoff mit einem enormen Druck von 2000 bar in die Zylinder gepresst, und die Abgasreinigung gleicht einer chemischen Fabrik in Miniaturausgabe. Beides ist schon teuer genug – diese Techniken wollten die Hersteller nicht noch mit einem zusätzlichen Elektroantrieb ergänzen.

Das ist vorbei. Hersteller wie Peugeot und Citroën aus dem französischen PSA-Konzern sowie Mercedes, Volvo und Land Rover glauben, eine Lösung zu haben: Sie haben vor allem den Elektroantrieb geschrumpft und das Zusammenspiel mit dem Dieselmotor wesentlich verbessert. Peugeot war damit am schnellsten und bringt Ende des Jahres mit dem 3008 Hybrid4 den weltweit ersten Dieselhybrid auf den Markt. Die anderen Hersteller ziehen 2012 nach.

Peugeot & Co. mischen damit den Boom-Markt sparsamer Mobilität auf, den Toyota und Honda jahrelang mit ihren Benzinhybridautos beherrscht haben. Doch die haben vor allem auf der Autobahn Nachteile: Spätestens dann sind sie nicht mehr sparsamer als herkömmliche Dieselmodelle. „Erst wenn Hybridantriebe sparsamer sind als Dieselmotoren, sind sie die ideale Zwischenlösung auf dem Weg zum emissionsfreien Elektroauto“, sagt Auto-Analyst Eric Heymann von der Deutschen Bank Research.

Dieser Zeitpunkt dürfte nun gekommen sein. Denn die neuen Dieselhybride verbrauchen bis zu einem Drittel weniger Treibstoff als herkömmliche Dieselfahrzeuge.

Dabei spielen zwei Antriebskonzepte eine tragende Rolle: erstens der normale Dieselhybrid, wie ihn Peugeot und Mercedes herausbringen. Er erlaubt bereits einige Kilometer rein elektrisches Fahren.

Länger elektrisch fahren

Besondere Hoffnungen lasten indes auf dem Diesel-Plug-in-Hybrid. So sperrig sein Name klingt, so sparsam soll er sein: Leistungsstärkere Batterien, die an der Steckdose aufgeladen werden, erlauben emissionsfreie Fahrstrecken von bis zu 50 Kilometern. Volvo und Land Rover wollen im nächsten Jahr die Ersten sein, die solche Fahrzeuge anbieten.

Fast zehn Jahre nachdem Peugeot dem Selbstzünder mit einem Rußfilter das Rauchen weitgehend abgewöhnt hat, soll der Diesel durch die Hochzeit mit einem Elektroantrieb grün werden. Eine der wichtigsten Zutaten dafür, den Elektroantrieb inklusive der aufwendigen Steuerungselektronik, liefert der weltweit größte Zulieferer Bosch.

Eine Kombination, die der Branche helfen könnte. Denn obwohl den meisten Autofahrern die Hybridtechnik ein Begriff ist, entscheiden sich in Deutschland nur die wenigsten dafür. Toyota verkaufte von seinem Prius weltweit in zehn Jahren zwar mehr als zwei Millionen Stück. Doch in Deutschland sind Hybrid- und Elektroautos so selten wie Rolls-Royce in Wanne-Eickel: Gerade einmal 6432 solcher Fahrzeuge wurden im ersten Halbjahr 2011 verkauft. Zum Vergleich: 2010 gab es fast drei Millionen Neuzulassungen.

Sauber getrennt Quelle: PSA

Möglicherweise verleiht Peugeot der Technik den entscheidenden Kick: Bei einer Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde fährt der 3008 Hybrid4 rund vier Kilometer weit – lautlos gleitet er bei der ersten Testfahrt über den Boulevard Féart des bretonischen 11000-Einwohner Städtchens Dinard – dann schaltet sich der Diesel erstaunlich ruckfrei zu.

Die Elektroeinheit des neuen Dieselhybrids wiegt mit der Batterie von Sanyo, die unter dem Kofferraum montiert ist, rund 100 Kilogramm. Chefentwickler Vincent Basso verspricht: „Im Vergleich zu einem normalen Diesel verringert sich der Verbrauch um 35 Prozent.“

Damit soll der Hybrid4 auf einer Strecke von 100 Kilometern im Schnitt 3,8 Liter Diesel schlucken, was einem Kohlendioxidausstoß von lediglich 99 Gramm pro Kilometer entspräche – das wäre ein exzellenter Wert für ein Fahrzeug mit ausreichend Platz für eine vierköpfige Familie plus Gepäck.

Auf den Testfahrten in der Bretagne verbrauchte der Peugeot-Hybrid allerdings knapp über fünf Liter Diesel, nur in der Stadt kam er auf deutlich unter fünf Liter Treibstoff. Doch das ist ein immer noch guter Wert für ein Auto, das rund 1800 Kilogramm wiegt.

Die Differenz zwischen Realität und Herstellerangaben ist nicht ungewöhnlich, weil die gesetzlich vorgeschriebene Verbrauchsmessmethode der Hersteller sich sehr stark von der Alltagssituation der Autofahrer unterscheidet. Ein weiteres Problem für die Kunden: Die Hersteller müssen den vom Elektromotor genutzten Strom aus der Batterie nicht in den Durchschnittsverbrauch hineinrechnen – was die Werte noch besser erscheinen lässt: Volvo gibt beispielsweise an, sein Kombi V60 Plug-in-Hybrid werde nur 1,9 Liter Diesel verbrauchen.

Bei Peugeot wie bei Volvo jedenfalls hat der Fahrer den Verbrauch ein Stück weit selbst in der Hand: Ein silbernes Drehrad in der Mittelkonsole lässt bei Bedarf den Verbrauch in der Sport-Stellung – neben Elektro, Automatik und Allrad eine von vier wählbaren Einstellungen – auf über acht Liter steigen. Dann hat der Wagen aber auch einen Allradantrieb, 200 PS Leistung und mit der Kraft zweier Herzen ein gewaltiges Drehmoment von 450 Newtonmeter, damit lässt er an der Ampel auch einen Porsche 911 hinter sich.

Doch bis der Peugeot in Frankreich präsentiert werden konnte, mussten die Ingenieure einen weiten Weg zurücklegen. Immer wieder hatte der Autohersteller Irrwege beschritten: 2006 zum Beispiel, als Peugeot den Golfkonkurrenten 307 als Dieselhybrid vorstellte, der aber noch viel zu teuer war. Kurz darauf folgten weitere Prototypen: das 307 Cabrio und die 308 Limousine. Auch der 308 hätte längst in Serie gehen können. Doch die Ballung der Technik unter der vorderen Motorhaube ließ die Gewichtsbalance der Autos aus den Fugen geraten.

Deshalb entschieden sich die Ingenieure um Basso für eine technische Neuausrichtung: Statt, wie geplant, beide Motoren als schwere Einheit vorn unter die Haube zu stecken, hieß die Lösung: Diesel nach vorne, Elektromotor nach hinten. Beide sind mechanisch nicht miteinander verbunden. Ein Datenkabel genügt, um das komplizierte Zusammenspiel der beiden Motoren zu steuern (siehe Grafik).

Diese Lösung hat laut Basso erhebliche Vorteile: Die Kunden können etwa per Drehschalter auf Allradantrieb umstellen, was bisher nur bei einigen Geländewagen mit Hybridantrieb möglich war. Wenn sich zudem auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde der Elektromotor ausklinkt, bietet der Diesel immer noch eine gute Beschleunigung.

Volvo V60 Hybrid

Der Konkurrent Prius von Toyota klingt dann mit seinem knapp 100 PS starken Benzinmotor etwas gequält. Noch wichtiger für Peugeot: „Wir haben ein modulares Konzept, das heißt, wir können praktisch jeden unserer Motoren, egal, ob Diesel oder Benziner, mit der Elektroeinheit kombinieren“, sagt Basso. Das bringe Stückzahlen, hofft der Konzern, und senke mittelfristig die Preise. Denn bislang kostet der Peugeot Dieselhybrid rund 34000 Euro. Schon nächstes Jahr folgen mit dem Peugeot 508 und dem Citroën DS5 weitere Dieselhybride von PSA.

Noch ist der Konzern Pionier. Doch die Verfolger holen auf. Mercedes dürfte Peugeots Vorstoß schon genug ärgern. Die Schwaben hatten schon 2004 auf der Motorshow in Detroit eine R-Klasse, eine Kreuzung zwischen Van und Kombi, mit Dieselhybrid gezeigt. Jetzt müssen sie Peugeot den Vortritt lassen: Mercedes bringt erst Mitte nächsten Jahres seinen 300 BlueTec Hybrid heraus, eine Limousine auf Basis der E-Klasse.

Ähnlich wie der Peugeot kann der neue Mercedes einige Kilometer elektrisch fahren und soll auf 100 Kilometern mit rund vier Liter Diesel auskommen.

Die nächste Stufe des Hybridkonzepts, der Plug-in, dessen Batterie an der Steckdose aufgeladen werden kann, ist derzeit der Favorit vieler Fachleute. Sie glauben, dass das reine Elektroauto noch in weiter Ferne ist: „Die heute übliche Lithium-Ionen-Batterie reiner Elektroautos wiegt 250 Kilogramm, leistet 25 Kilowattstunden und sorgt damit – unter idealen Bedingungen – für eine Reichweite von maximal 150 Kilometern. Das kann nicht die Lösung sein“, kritisiert VW-Chef Martin Winterkorn.

Stattdessen favorisiert er den Plug-in-Hybrid. „Er verbindet das Beste aus zwei Welten. Die richtige Lösung für die nächsten zehn Jahre“, glaubt Winterkorn. 2013 könnte ein solches Auto auch aus Wolfsburg kommen – vermutlich der Geländewagen Touareg.

Am weitesten mit dem Diesel-Plug-in sind jedoch Volvo und Land Rover. Die einstigen Ford-Marken – Volvo gehört heute zum chinesischen Autokonzern Geely und Land Rover zum indischen Industriekonzern Tata – setzen auf Plug-in-Hybridtechnologie.

Um das teure Projekt zu stemmen, hat Volvo für die Entwicklung seines Kombi V60 Hybrid einen in der Automobilindustrie eher ungewöhnlichen Partner gewonnen: den schwedischen Energiekonzern Vattenfall. Beide gründeten für die Entwicklung ein eigenes Unternehmen namens V2. An dem ist Vattenfall zu 50 Prozent beteiligt und gab dafür rund 100 Millionen Euro. Später ist der Energiekonzern dafür an jedem verkauften Volvo Hybrid prozentual beteiligt.

Keine Frage, der Volvo Hybrid, der Ende 2012 auf den Markt kommt, ist mit seinem kräftigen 82-PS-Elektromotor und der Lithium-Ionen-Batterie unter dem Kofferraumboden schon mehr ein Elektro- als ein Verbrennungsauto. Er fährt 50 Kilometer rein elektrisch, das reicht meist für den Weg zur Arbeit und wieder zurück. „Der Fahrer wählt zwischen Null-Emissions-Fahrweise, effizientem Hybridantrieb und größtmöglicher Leistung“, sagt Volvo-Chef Stefan Jacoby. So viel Leistung und Auswahl hat ihren Preis: Der V60 Hybrid wird mit rund 50000 Euro deutlich teurer als der Peugeot 3008 Hybrid4.

Land Rover geht einen ähnlichen Weg und bestückt seinen Geländewagen Range Rover Sport mit einem üppigen Sechs-Zylinder-Diesel mit 245 PS mit einem 93 PS starken Elektromotor.

Autozulieferer Bosch glaubt, dass sich bei einer Serienfertigung die zusätzlichen Kosten der neuen Technik in Grenzen halten: „Im Vergleich zu einem konventionellen Antrieb bleiben künftig die Mehrkosten für diese Hybridtechnik von rund zehn Prozent in einem überschaubaren Rahmen“, sagt Rolf Bulander, Vorsitzender Gasoline Systems beim Stuttgarter Zulieferer. Skeptiker gibt es aber dennoch. Ein Dieselhybrid? Takanobu Ito, Chef des japanischen Autoherstellers Honda, schüttelt den Kopf. „Zu teuer“ sei die Kombination von Dieselmotor mit einem Elektroantrieb in einem Auto immer noch.

Seit 1997 mit dem Toyota Prius der erste Hybrid auf den Markt kam und Honda 1999 mit dem Insight folgte, setzten die japanischen Vorreiter auf den Benzinmotor als Partner. Das spart zwar vor allem im Stadtverkehr wirklich Treibstoff. Auf der Autobahn jedoch, wenn nur der Benzinmotor für Vortrieb sorgt, liegt der Verbrauch um etwa zehn Prozent höher als bei einem Diesel.

Sowohl Toyota als auch Honda beobachten die Dieselhybrid-Konkurrenz genau: Ist das Konzept in Europa erfolgreich, wird der Druck groß, eigene Dieselhybride anzubieten. Der Nachteil: Die Technik der Japaner lässt sich – im Gegensatz zu Peugeots Ansatz – nicht ohne Weiteres auf Dieselmotoren übertragen, weil für einen Dieselantrieb viele Komponenten wie Automatikgetriebe oder Start-Stop-Maschine neu entwickelt werden müssten.

Zu welchen Höchstleistungen der Selbstzünder in Zukunft fähig ist, zeigte Volkswagen Anfang des Jahres mit der Studie XL1. Das wie ein Delphin windschlüpfrig gestaltete Vehikel, das zudem niedriger ist als ein flacher Ferrari-Sportwagen, knauserte auf ersten Testfahrten mit dem Treibstoff. Der zweisitzige Dieselhybrid kam 100 Kilometer weit – mit weniger als einem Liter Treibstoff.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%