Unmöglich Scheinendes möglich zu machen, dafür ist der US-Unternehmer Elon Musk bekannt. Etwa kostengünstige Raketen ins All zu schießen oder einen schicken Elektroflitzer mit reichlich Reichweite auf die Räder zu stellen. Das Rezept des Gründers von SpaceX und Tesla Motors: einfach machen, auch wenn alle daran zweifeln. Genau so geht er bei der von ihm erdachten Superschnellbahn vor, dem Hyperloop.
Diese Rakete an Land soll Passagiere mit bis zu 1200 Kilometern pro Stunde statt auf Schienen durch eine weitgehend luftleere Röhre schießen, angetrieben von einem Linearmotor wie einst der deutsche Transrapid. Und soll so dem Flugzeug Konkurrenz machen. Die 800 Kilometer von Hamburg nach München, für die der ICE rund fünfeinhalb Stunden benötigt, ließen sich derart in nur 45 Minuten bewältigen.
Größenwahn des High-Tech-Tals
Vor anderthalb Jahren veröffentlichte Milliardär Musk auf 57 Seiten erste Ideen für seine moderne Rohrpost. Er lud Tüftler und Unternehmer aus aller Welt ein mitzumachen. Seitdem hat seine Idee, die Kritiker als völlig verrückt abtaten, erstaunliche Fortschritte gemacht. Vor Kurzem kündigte Musk an, eine Teststrecke in Texas zu errichten. Zudem widmen sich inzwischen zwei Start-ups aus der Nähe von Los Angeles dem Projekt, eines davon unter Führung des deutschstämmigen Gründers Dirk Ahlborn. Beteiligt sind mehr als 150 Top-Entwickler unter anderem vom US-Telekomriesen Cisco, Flugzeugbauer Boeing und der Elite-Uni Harvard, die sich abseits ihrer Arbeitszeit für das Projekt engagieren.
Seit kurzem unterstützt eine Handvoll Millionäre aus dem Technik-Mekka Silicon Valley ein zweites Team. Einer davon ist Shervin Pishewar, der Teile am milliardenschweren Taxi-Start-up Uber hält. Er verkündet mit dem ganz gewöhnlichen Größenwahn des High-Tech-Tals: „Wenn wir dieses Transportkonzept realisieren, stehen wir am Beginn einer neuer Zivilisation.“
Renaissance der Hochgeschwindigkeitszüge
Der Hyperloop ist nur ein – wenn auch sehr futuristisches – Beispiel für einen Trend: Weltweit erleben Hochgeschwindigkeitszüge eine Renaissance. China überzieht das riesige Land mit Schnellzugstrecken, und in Japan ist der Bau einer ersten, mehrere Hundert Kilometer langen Verbindung per Magnetzug gestartet.
„Die Eisenbahn erlebt derzeit eine Wiedergeburt“, sagt Colin Stewart, der beim international renommierten Architektur- und Ingenieurbüro Arup die Schienensparte leitet. Über mittlere und lange Distanzen sei die Bahn nun einmal die effizienteste Art, viele Passagiere zu transportieren.
Nachfrage nach Zugstrecken wird vermutlich steigen
Vor allem die rasante Urbanisierung wird die Nachfrage nach Zugstrecken weiter vorantreiben, erwarten die Ingenieure von Arup. Jeden Tag wachsen die Städte der Welt um mehr als 170.000 Einwohner. 2050 werden 75 Prozent der Menschen in Metropolen leben.
Gleichzeitig wird sich laut dem Internationalen Transportforum, einem Thinktank der OECD zum Verkehr, die Strecke verdreifachen, die Menschen zur Arbeit und für Freizeit zurücklegen. Eine umweltfreundliche Verbindung im Minutentakt zwischen diesen Megastädten der Zukunft können nur Züge bieten.
Reisen mit 500 Kilometern pro Stunde
Wie Bahnfahren künftig funktionieren könnte, zeigt Japan, wo 1964 mit dem Shinkansen die Ära der Hochgeschwindigkeitszüge begann. Dort können Passagiere mit Glück einen Platz für die Probefahrt in einem Magnetzug ergattern, der künftig die Metropolen Tokio und Osaka verbinden soll.
Die Strecke von 430 Kilometern soll der Maglev – kurz für magnetische Levitation also Magnetschwebebahn – in 67 Minuten schaffen. Fliegen lohnt dann nicht mehr. Die Linie wird zwei Regionen mit rund 50 Millionen Einwohnern verbinden.
Wenn die Ziffern auf dem Bildschirm die Höchstgeschwindigkeit von 502 Kilometer pro Stunde anzeigen, entfährt den 100 Passagieren des Magnetzuges regelmäßig ein Raunen. Drei Minuten braucht der, um auf Reisetempo zu beschleunigen. Dann rasen Tunnel und Landschaft so schnell vorbei, dass die Augen kaum mitkommen. Die Fahrt gleicht einem Flug auf ebener Erde. In nur acht Minuten ist das Ende der knapp 43 Kilometer langen Teststrecke in der Präfektur Yamanashi, nahe Tokio, erreicht.
Maglev rauscht durch eine Betonrinne
Das Raunen soll demnächst auch auf einer ersten kommerziellen Strecke zu hören sein. Im Oktober 2014 genehmigte die japanische Regierung den Bau der ersten Verbindung zwischen Tokio und der Industriemetropole Nagoya. Unter Bahnhöfen in beiden Städten haben inzwischen die Bauarbeiten begonnen. 2027 soll der Chuo Shinkansen – zu Deutsch mittlere neue Hauptstrecke – fertig sein. Der Abschnitt bis Osaka soll dann folgen.
Musks Erfolgsgeschichte
1995 brach Elon Musk sein Physikstudium an der Stanford University ab, um gemeinsam mit seinem Bruder Kimbal seine erste Firma zu gründen: Zip2. 1999 kaufte Compaqs Suchdienst AltaVista das Unternehmen für 307 Millionen Dollar.
Direkt im Anschluss gründete Musk die Firma X.com, die ein Bezahlsystem via E-Mail entwickelte. Schon ein Jahr später fusionierte das Unternehmen mit dem ähnlich großen Konkurrenzunternehmen Confinity, das sich auf einen Bezahldienst ähnlich PayPal spezialisiert hatte und in den folgenden Monaten zum wichtigsten Online-Bezahlsystem weltweit entwickelte. PayPal wurde 2002 von eBay aufgekauft und erzielte einen Verkaufserlös von 1,2 Milliarden Dollar.
SpaceX war Musks dritte Unternehmensgründung. Das private Raumfahrtunternehmen ist seit deiner Gründung 2002 das weltweit einzige private Unternehmen, das in der Lage ist, ein Raumschiff in eine Erdumlaufbahn zu bringen und anschließend wieder sicher auf der Erde zu landen. Die zugrundeliegende Vision ist es, "die Kosten von Raumflügen zu senken, sodass ein Leben auf anderen Planeten ermöglicht werden kann."
Musk ist zudem Mitbegründer des kalifornischen Elektroauto-Produzenten Tesla Motors, deren Motivation es ist, alltagstaugliche Elektroautos zu produzieren, die herkömmlichen Fahrzeugen in nichts nachstehen.
Musks bislang letzte Unternehmensgründung ist die Firma SolarCity im Jahre 2009. SolarCity ist eines der größten Unternehmen für die Produktion und Installation von Solaranlagen in den Vereinigten Staaten.
Das japanische Projekt hat dabei nur wenig mit dem deutschen Transrapid zu tun. Denn der dortige Maglev schwebt nicht auf einer Stelzentrasse, sondern in einer drei Meter breiten Betonrinne. Bei der deutschen Konstruktion lassen Magnete in Fahrweg und Fahrgestell die Kabine in einem Zentimeter Höhe schweben. Beim Maglev drücken und ziehen Magnete in den Seitenwänden der Trasse den Zug zehn Zentimeter nach oben.
Bei niedrigem Tempo, was beim Maglev 160 Kilometer pro Stunde bedeutet, fährt die Bahn auf einklappbaren Gummirädern. Für den Vortrieb sorgt ein Linearmotor. Er beschleunigt mit wechselnden elektromagnetischen Feldern den Zug. Luftklappen helfen beim Bremsen.
68 Milliarden Euro sind für das Gesamtprojekt veranschlagt. Zum Vergleich: Die neue rund 80 Kilometer lange ICE-Trasse zwischen Ingolstadt und Nürnberg kostet rund 3,6 Milliarden Euro. Der Grund für die hohen Kosten in Japan – die Strecke führt mitten durch die japanischen Alpen.
Bei hohem Tempo nur geradeaus
Bei hohem Tempo muss der Maglev strikt geradeaus fahren. Die Strecke bohrt sich daher pfeilgerade durch die Berge und führt bis Nagoya zu 86 Prozent durch Tunnel. Weitere 35 Kilometer laufen über Brücken und Viadukte, ebenerdig sind es nur vier Kilometer. Unter besiedelten Gebieten werden die Röhren aus Platzmangel und zur Vermeidung von Erschütterungen bis zu 40 Meter tief vergraben.
Die japanische Regierung träumt jetzt schon davon, dass ihre Technik – anders als der deutsche Transrapid – ein Exportschlager wird. Als ein aussichtsreicher Einsatzort gilt die 64 Kilometer lange Strecke zwischen Washington und Baltimore an der US-Ostküste mit einer Verlängerung bis New York und Boston. Zehn Milliarden Dollar soll das Projekt kosten.
Es ist eine Strecke, die auch Tesla-CEO Musk mit seinem Hyperloop bedienen könnte. Kurz nachdem er die Pläne für seine gigantische Rohrpost vorstellte, nahm der gebürtige Berliner Ahlborn Kontakt zu dessen Raketenfirma SpaceX auf und initiierte ein Forschungsvorhaben namens Hyperloop Transportation Technologies.
Ahlborn leitet den Start-up-Finanzierer Jumpstartfund aus El Segundo bei Los Angeles. Derzeit arbeiten unter seiner Leitung Ingenieure und Designer an Details wie Antrieb, Form, Sicherheit und Ausstattung der Kapseln, aber auch an Geschäftsmodellen. Ihre Arbeitszeit vergütet Ahlborn derzeit noch mit Aktienoptionen des Start-ups. Bis Ende 2015 will er das Unternehmen an die Börse führen und dabei 100 Millionen Dollar einsammeln.
Hyperloop-Netz geplant
Mitte des Jahres rechnet der 38-Jährige mit einer Machbarkeitsstudie. Eine erste Strecke für Passagiere ist in Planung. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Züge nicht, wie von Musk vorgeschlagen, auf mit Kompressoren erzeugten Luftpolstern gleiten, sondern die Magnetschwebebahntechnik nutzen, um unter anderem die Fahrt für Passagiere angenehmer zu machen.
Ahlborn hält das Projekt keineswegs für utopisch. „Das ist alles machbar“, versichert er. Der gelernte Banker denkt an ein Hyperloop-Netz, in dem Reisende zwischen verschiedenen Großstädten mehrmals umsteigen, um zu weiter entfernten Zielen zu gelangen. Die Umsetzung wird aber voraussichtlich ein Jahrzehnt dauern.
Teststrecke der Konkurrenz
So ehrgeizig Ahlborns Projekt scheint – schon jetzt hat er Konkurrenz. Auch das unter anderem von Uber-Investor Pishewar gestützte, ähnlich klingende Start-up Hyperloop Technologies plant eine Teststrecke für rund 80 Millionen Dollar – vorerst für den Transport von Gütern, nicht von Passagieren.
Eine erste kommerzielle Hyperloop-Verbindung könnte zwischen dem Hafen in Los Angeles und der Kasinometropole Las Vegas verlaufen. Eine hohe Auslastung wäre dem Zug sicher, was die Finanzierung vereinfachen würde.
Technische und infrastrukturelle Hürden
Der Güter-Hyperloop ist mehr als ein Liebhaberprojekt, das zeigt der prominent besetzte Aufsichtsrat des Start-ups. In ihm sitzen erfolgreiche Geschäftsmänner wie Peter Diamandis, Chef der X Prize Foundation, die Innovationen fördert; Obamas Ex-Wahlmanager Jim Messina und David Sacks, der sein Software-Start-up Yammer vor einigen Jahren für mehr als eine Milliarde Dollar an Microsoft verkaufte.
Bis der Hyperloop aber tatsächlich Städte in Flugzeuggeschwindigkeit verbindet, sind noch einige Hürden zu nehmen. Nicht nur technische, auch infrastrukturelle: Denn die Züge müssten bis in die Innenstädte der Metropolen fahren, um wirklich eine Zeitersparnis zu bringen.
Wenn das nicht gelingt, so nützt auch der schnellste Zug nichts. Das zeigt jedenfalls die weltweit erste kommerzielle Strecke mit der deutschen Transrapid-Technik im chinesischen Shanghai. Mit bis zu 430 Kilometern pro Stunde legt der Zug derzeit die rund 30 Kilometer vom Flughafen Pudong zur U-Bahn-Station Longyang Lu am Stadtrand zurück.
Streit um Kosten des Transrapid
Aber von dort brauchen Passagiere noch mindestens eine halbe Stunde ins Stadtzentrum. Ortskundige nutzen den Zug daher kaum. Auch der Regierung in Peking scheint die Technik bisher schlicht zu teuer zu sein. Daher sollen herkömmliche Hochgeschwindigkeitszüge die Chinesen von A nach B bringen.
Auch in Deutschland interessiert sich kaum noch jemand für die Maglev-Technik. Nur der ThyssenKrupp-Konzern, der den Transrapid einst gemeinsam mit Siemens entwickelt hat, wagt sich noch in die Öffentlichkeit. Die Essener bauen einen Fahrstuhl mit Linearmotoren, der daher ohne Seile auskommt (Wirtschaftswoche 49/2014).
Auf der rund 32 Kilometer langen Teststrecke im emsländischen Lathen fährt der Transrapid selbst schon lange nicht mehr. Die Betriebsgenehmigung für die Magnetschwebebahn, das einstige Vorzeigeprojekt deutscher Ingenieurkunst, erlosch bereits 2011. Jetzt streiten sich der Bund und die bayrische Betreibergesellschaft IABG, wer die Kosten für den Rückbau übernimmt. Vielleicht können die Hyperloop-Pioniere ein paar Bauteile gebrauchen.