Lithium und Kobalt Bremsen Rohstoff-Engpässe das Elektroauto aus?

Seite 2/4

Lithium-Produktion reicht nicht aus

Um zu verstehen, warum diese Pläne womöglich besser klingen, als sie sind, muss man kurz eintauchen in die Welt der Elektrochemie. Batteriezellen bestehen im Prinzip aus drei Teilen: Pluspol, Minuspol und Elektrolyt. Im Minuspol spielt Grafit die Hauptrolle, ein Material, das weder knapp noch besonders teuer ist. Anders sieht es bei den für die Elektrolyten und für den Pluspol benötigten Metallen aus. Die einzige derzeit verfügbare Batterietechnologie, die bei akzeptabler Größe genügend Energie speichern kann, um ein tonnenschweres Auto über Hunderte von Kilometern anzutreiben, ist die Lithium-Ionen-Batterie (LIB).

LIB laden schnell, speichern relativ zu Größe und Gewicht viel Strom und „haben den Vorteil, dass sie sich viele Jahre lang und mehrere Tausend Male be- und entladen lassen, ohne dabei kaputtzugehen“, erklärt Dirk Uwe Sauer, Professor für Elektrochemie an der RWTH Aachen.

Tesla baut weiter an seiner Batteriefabrik
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Im Juli 2016 hatte Tesla zur offiziellen Eröffnung erstmals Presse-Fotografen auf das Gelände gelassen. Die bezeichnend "Gigafactory" genannte Anlage gehört sogar zu den größten Produktionsstätten überhaupt. Hier sollen Akkus für Elektroautos und Heimspeicher vom Band laufen – mehr als alle Hersteller der Welt heute zusammen produzieren. (Stand: Juli 2016) Quelle: AP
Im Juli waren erst 14 Prozent der Anlage in Betrieb. Dennoch hatte Tesla-Gründer Elon Musk Ende Juli zur Eröffnungsfeier geladen – einige Tage vorher durften sich bereits Journalisten und Fotografen auf dem Fabrikgelände umsehen. Voll in Betrieb soll die Anlage erst 2018 sein. Bis dahin wird an allen Ecken und Enden gebaut. Quelle: REUTERS
Auch wenn es noch nicht so aussieht: Diese Halle ist einer der Grundpfeiler der Strategie von Elon Musk, mit der er Tesla von einem Nischen- zu einem Massenhersteller machen und ganz nebenbei dem Elektroauto zum Durchbruch verhelfen will. Quelle: REUTERS
Die eigenen Batterien sind unerlässlich, wenn Tesla mit dem Model 3 (im Bild ein ausgestellter Prototyp) ab dem kommenden Jahr die Massen mobilisieren soll. Zum einen, weil momentan gar nicht genügen Akkus für die angepeilten Stückzahlen des Model 3 zugekauft werden könnten. Zum anderen, weil sie schlichtweg zu teuer wären. Der angekündigte Preis von 35.000 Dollar für den Wagen wäre nicht zu halten. Quelle: REUTERS

In der LIB wandern geladene Lithium-Atome (Ionen) von der Kathode zur Anode und sorgen so für den Stromfluss; beim Aufladen an der Ladesäule wandern sie wieder zurück. Lithium ist das kleinste und leichteste Metallatom, eignet sich daher sehr gut für diesen Job. Doch für die Verwendung im Auto braucht man eine große Menge Lithium: Im Akku des Tesla Model S mit 90 Kilowattstunden etwa stecken bis zu 80 Kilogramm Lithium; im Akku eines iPhone 6 gerade mal 0,9 Gramm.

China fegt die Weltmärkte leer

Zwar glauben Geologen, dass es weltweit bis zu 47 Millionen Tonnen Lithium-Ressourcen gibt. Aber: Derzeit werden pro Jahr gerade mal 36.000 Tonnen des Leichtmetalls produziert. Und die Produktion lässt sich nicht schnell genug hochfahren, um den exponentiell steigenden Bedarf der Batteriezellenfabriken zu decken, fürchtet etwa Dirk Harbecke, Chairman der Explorationsfirma Rock Tech Lithium in Vancouver. „Exploration, Förderung und Verarbeitung sind extrem aufwendig“, sagt Harbecke.

Lithium-Vorkommen liegen meist in einer zähflüssigen Sole in 200 bis 400 Meter Tiefe unter den Salzseen Boliviens, Argentiniens oder der USA. Von dort muss die Sole hochgepumpt und dann über viele Monate von der Sonne in Trockenbeeten verdichtet werden, wo der Wasseranteil verdampft. „Danach hat es eine Konzentration von 0,9 Prozent“, erklärt Harbecke, „die Zellenhersteller benötigen für ihre Akkus Lithium aber in einer Reinheit von 99,9 Prozent.“

Der Weltmarkt für 99,9-prozentiges Lithium aber ist aktuell leer gefegt, und der E-Auto-Boom hat noch nicht einmal angefangen. Vor allem chinesische Firmen kauften es auf, sagt Harbecke, „die chinesischen Batteriehersteller kaufen von den Minen bereits sechsprozentiges Konzentrat und veredeln es selbst zu 99,9 Prozent weiter“.

Der Preis für Lithium an den Weltmärkten hat sich seit 2012 vervierfacht. Wenn 2030 – wie etwa der renommierte Autoforscher Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach und viele andere meinen – 40 Millionen Elektroautos pro Jahr weltweit vom Band rollen sollten, werden dafür zwischen einer und drei Millionen Tonnen an reinem Lithium gebraucht. Für Bergbauexperten wie Caspar Rawls, Analyst des Bergbaukonzerns Benchmark Minerals, ist „unklar, wie diese Mengen hochreinen Lithiums bis dahin produziert werden sollen“.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%