Mobilität Couch auf Rädern

Künftig heißt Sitzen im Auto nicht einfach nur sitzen. Die Autositze der Zukunft sind leicht, sicher – und wollen uns bemuttern. Alle Fakten über das neue Möbelstück im Auto.

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Luxussitz des Autozulieferers Faurecia Quelle: Presse

Die Massagezellen des Autositzes, die von kleinen Pumpen mit Luft aufgeblasen und wieder entleert werden, massieren langsam Waden, Rücken und Nacken des Fahrers. Die Ventilation kühlt den Rücken, während aus den Boxen in der Nackenstütze Strawinskys Bläsersinfonie lauter erklingt. Aus purer Fürsorge, versteht sich, denn der Fahrer auf der A 7 nahe Nesselwang wird langsam müde.

Also reagieren die Sensoren im Sitz, um die Durchblutung anzukurbeln, und Strawinsky bläst gegen des Fahrers Trägheit an. Schließlich weiß die Elektronik, was gut für ihn ist – oder meint, es zumindest zu wissen.

Deutschland im Jahr 2025. Die Autobahnen sind keinen Deut besser als 2014, aber wir haben Sitzsysteme, die uns das zumindest zeitweise vergessen lassen. Seit Jahren arbeiten Hersteller wie Johnson Controls, Faurecia, Lear, Magna und andere daran, dass wir uns nach einer mehrstündigen Fahrt besser fühlen als beim Einsteigen. Wellness ist das große Thema. Das Auto als vermeintliches Spa-Erlebnis.

Da in Europa auch in einem Jahrzehnt noch selbst ranghohe Manager gerne selber steuern – viel lieber als etwa in Asien –, sind 2025 auch die Fahrersitze hierzulande zumindest in den höheren Fahrzeugklassen mit jedmöglichem Zusatzkomfort ausgestattet: Pulsmesser, Kühlung Sensoren und Massagezellen sorgen auf langen Autofahrten für eine Druckentlastung und sollen jede Fahrt zum ebenso sicheren wie komfortablen Vergnügen machen.

Robert Fitzpatrick wählt für diese Systeme einen zunächst verblüffenden Vergleich. Der Spezialist vom Münchner Innovationcenter dWorks des französischen Sitzeherstellers Faurecia hat ihn auf die Tafel in seinem Großraumbüro gezeichnet: eine Ente. „Im sichtbaren Bereich ist der Eindruck verhalten, beinahe majestätisch ruhig. Aber darunter arbeiten die kleinen Beinchen auf Teufel komm raus“, erklärt er. Bei Sitzen sei das ähnlich: „Man sieht ihnen nicht an, was alles in ihnen steckt.“

Man sieht es ihnen nicht an, aber die automobilen Sitzmöbel sind schon heute High-Tech-Konstruktionen: Sie halten bei Frontalzusammenstößen sogar das 50-Fache der Erdbeschleunigung aus. Doch geht es nach den Entwicklern, kommt in künftigen Fahrzeuggenerationen noch jede Menge Komforttechnik dazu. Wir programmieren sie vor der ersten Nutzung via Smartphone mit unseren genauen Körpermaßen, Gewicht und Temperaturwunsch: Damit legen sich Sitzfläche, Rückenlehne und Schenkelpolsterung bei jeder Fahrt wie eine schützende Schale um uns.

Dabei macht sich zwar kaum ein Autokäufer Gedanken über die Komplexität der Sitze. „Aber wenn sie nicht gut sind, merkt er das sofort“, sagt Andreas Neumann, Vice President Engineering bei der Magna Seating GmbH in Sailauf bei Aschaffenburg. „Der Sitz verbindet Mensch und Maschine. Ihn so zu konstruieren, dass er auch nach Stunden noch bequem ist, ist eine Kunst.“

Die Zukunft liegt im Leichtbau

Die zehn außergewöhnlichsten Fortbewegungsmittel
SBU V3 Quelle: Pressebild
Seabreacher X Quelle: Pressebild
Das elektrische Skateboard: The Board Of Awesomeness ist ein Skateboard mit einem 800-Watt-Elektromotor, das mit Gesten gesteuert wird. Bis zu 50 Stundenkilometer erreicht das Longboard. Die Bewegungen des Fahrers übermitteln eine Kinect und ein Tablet von Samsung an den Motor. Quelle: Pressebild
Das rollende Smartphone: Der C1 von litmotors steht derzeit nur in Showrooms und düst noch nicht über die Straßen. Laut Hersteller vereint es das Fahrgefühl eines Motorrades mit der Sicherheit eines Autos. Platz haben in dem futuristischen Zwerg höchstens zweiMenschen - für den Familieneinkauf ist der C1 nichts. Dafür bietet das skurrile Gefährt eine direkte digitale Verbindung zur Welt da draußen und versorgt seinen Fahrer sofort mit Informationen über Staus, Baustellen, mögliche Routen oder das Wetter unterwegs. Quelle: Screenshot
Satteltasche mal anders: Ebenfalls vom Startup Litmotors kommt der Cargoscooter: In diesem Elektroroller lassen sich Gegenstände verstauen. Gelenkige Menschen passen ebenfalls in den "Kofferraum" des E-Rollers. Die maximale Zuladung beträgt 200 Kilo. Das Gerät soll zwischen 2000 und 4000 Dollar kosten. Quelle: Screenshot
Aus eins mach zwei. Dieses futuristische Auto lässt sich in zwei Motorräder aufteilen. Der Catamaran im Ganzen fährt dementsprechend mit zwei Elektromotoren. Das Einsteigen ist etwas kompliziert - Türen hat das Doppelmotorrad nämlich keine, ebensowenig wie ein Dach. Bislang ist der Catamaran aber nur ein Konzept und noch kein Serienprodukt. Quelle: Screenshot
Und noch ein U-Boot für den Hausgebrauch: EGO soll jedem einen spannenden Tauchgang ermöglichen - und das ohne Flossen und Sauerstoffflasche. Das Cockpit des Halb-U-Boots befindet sich nämlich unterhalb des schwimmenden Schiffskörpers. Während einer Fahrt hat man so einen Blick nach unten. Die Höchstgeschwindigkeit des Bootes beträgt vier Knoten und es hat eine Akkulaufzeit von sechs bis zehn Stunden. Danach muss das Elektrofahrzeug zurück an die Steckdose. Quelle: Screenshot

Dabei geht es für die Autohersteller um viel mehr als Kundenzufriedenheit. Zentrales Thema der nächsten Jahre für Neumann und seine Kollegen von der Konkurrenz ist der Leichtbau, um Spritverbrauch und CO2-Emissionen zu senken. Heute wiegt ein elektrisch verstellbarer Sitz einer Oberklasselimousine zwischen 28 und 39 Kilogramm. Selbst manuelle Sitze aktueller Klein- und Kompaktwagen bringen noch bis zu 24 Kilogramm auf die Waage.

Beim Sitzehersteller Recaro Automotive Seating in Stuttgart, der 2011 vom US-Anbieter Johnson Controls übernommen wurde, besteht die Rückenlehne deshalb bereits aus sogenanntem Organoblech. Das Material entsteht durch die Kombination ultraleichter Carbonfasern mit Kunststoff. Die Lehne und der Rahmen, in der die Lehne eingebaut ist, werden so nicht nur um gut 20 Prozent leichter. Auch die Befestigungselemente für Kopfstützen oder Seitenwangen sind gleich integriert. Das spart nicht nur Gewicht, sondern im Vergleich zu Stahl auch die Zahl der Teile und senkt zusätzlich die Kosten.

Auch der künftig für Autositze verfügbare Raum nimmt vor allem in Elektromobilen und Stadtautos ab. Bei Johnson Controls wie bei Magna wollen die Entwickler daher den voluminösen Polyurethan-Schaum im Polster ersetzen. Als Alternative bietet sich FaserTec an – ein Material aus Kokosfasern und Naturlatex. Das benötigt nicht nur weniger Raum. Es sorgt auch für ein besseres Raumklima. „Schlanke Sitzkonzepte, die zugleich den Komfort einer Wohnzimmercouch haben, sind die Zukunft“, glaubt Magna-Entwickler Neumann.

2025, kurz vor dem Ziel: Auf der Strecke ist es ruhig. Wir schalten auf automatisches Fahren, lehnen uns zurück und lesen unsere Mails. Der Autositz meldet nach Hause: Bitte Kaffeemaschine anschalten.

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