MV Agusta Turismo Veloce Auf Italienisch klingt alles besser

Der bislang noch kleine italienische Motorradhersteller MV Agusta wagt sich in ein neues Segment, das schnelle Reisen. Sprich: Turismo Veloce. Dabei bleibt man gewohnt exklusiv. Und leistet sich nur eine Schwäche.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Obwohl der Fahrer eine aufrechte, sehr bequeme Sitzposition einnimmt, ist die fast 15.000 Euro teure Turismo Veloce 800 durch und durch ein Sporttourer. Quelle: MV Agusta

Selten nur ist bei einem Motorrad die Modellbezeichnung so sehr Programm wie bei dieser neuen MV Agusta: Turismo Veloce heißt die achte Version der 800er-Baureihe, die  von einem 798 Kubikzentimeter großen Dreizylinder-Reihenmotor  befeuert wird. Turismo heißt auf Deutsch Reisen, und das Wort veloce bedeutet schnell. Obwohl der Fahrer eine aufrechte, sehr bequeme Sitzposition einnimmt, ist die fast 15.000 Euro teure Turismo Veloce 800 durch und durch ein Sporttourer. Erste Ausfahrten in der Provence offenbarten: Mit nur wenigen Motorrädern lässt sich ähnlich unkompliziert und schnell Reisen wie mit der neuesten MV Agusta.

Bis zu 140 PS quetscht MV Agusta aus seinem Dreizylindermotor; im Falle des Turismo Veloce-Aggregats wählte man eine Auslegung, die viel Drehmoment bei mittleren und unteren Drehzahlen liefert. 83 Newtonmeter bei 8.000/min. sind eine durchaus stolze Ausbeute, vor allem deshalb, weil die Drehmomentkurve recht flach verläuft. Um dieses Ergebnis erzielen zu können, haben die MV-Motorenentwickler die Leistungskurve bereits bei 85 kW/110 PS gekappt.

Irgendwie kastriert fühlt sich der Triple aber keineswegs an; es ist ein im praktischen Betrieb herausragender Motorradmotor geworden: kräftig, drehfreudig, vibrationsarm – und so kultiviert, dass man aus Leerlaufdrehzahl im dritten Gang ruckfrei beschleunigen kann. Wenn der Dreizylinder jetzt auch noch so sparsam ist, wie die MV-Mannen es versprechen – überprüfen ließen sich die schönen Worte leider beim Probegalopp nicht –, dann verneigen wir uns gen Varese.

Die Turismo Veloce ist ein hochagiles, bei Bedarf echt schnelles Motorrad. Das liegt einerseits an den bereits geschilderten Triebwerks-Eigenschaften, aber auch am geringen Gewicht von 191 Kilogramm. Allerdings handelt es sich bei diesem Wert um das Trockengewicht, also ohne Betriebsstoffe. Fix und fertig mit 22 Litern Benzin sowie Öl befüllt und mit den gut 900 Euro extra kostenden Koffern bestückt, dürfte sie dann doch an die 230 Kilogramm wiegen, was nicht gerade sensationell wenig wäre.

Dennoch überzeugt die Turismo Veloce durch ein überaus leichtes Handling: Dafür ursächlich sind neben der Fahrwerksgeometrie auch die stark vorderradorientierte Sitzposition, die im ersten Moment als arg ungewohnt empfunden wird. Nach 220 stramm absolvierten Testkilometern stiegen wir aber durchaus entspannt aus dem gut gepolsterten Sattel – eigentlich wären wir gerne noch länger unterwegs gewesen.

Warum? Weil die Turismos Veloce beim Fahren echt Laune macht. Dank des sehr handlich ausgelegten Fahrwerks wuselt sie förmlich um die Ecken, dank des druckvollen Motors steht immer reichlich Leistung zur Verfügung. Und dank des prima funktionierenden Quickshifters – man kann dank dieses elektronischen Bauteils ohne Betätigung der Kupplung blitzschnell rauf- und runterschalten – ist der jeweils passende Gang blitzschnell eingelegt.

Beim Fahren fühlt sich die Turismo Veloce deshalb stärker an als sie ist – diese MV Agusta, von kundiger Hand pilotiert, wird auf kurvigen Strecken auch von 160 PS-Grananten kaum zu packen sein.

Trotz ihrer Handlichkeit zeichnet sich diese MV durch verlässliche Stabilität aus, sofern das Fahrwerk – vorne ist eine mehrfach verstellbare 43 mm Upside-down-Gabel installiert, hinten ein ebenfalls mehrfach einstellbares Zentralfederbein – entsprechend dem Einsatz (Turismo oder eben veloce) ordentlich justiert ist. Doch selbst die Grundabstimmung macht sehr engagiertes Fahren gut möglich.

Auch die Dreischeiben-Bremsanlage gefällt rundum; das wegen des kurzen Radstands bei Brutalbremsungen zum Abheben neigende Hinterrad wird vom Bosch-ABS sicher am Boden gehalten.


35 Editionsmodelle für Deutschland

Über das ABS hinaus wartet diese MV mit einer Menge Elektronik auf: Die Traktionskontrolle ist gleich achtfach einstellbar, und man kann unter vier Motor-Mappings wählen. Sport stellt volle Leistung bereit und lässt sorgt für schnelle Umsetzung der Gasgriff-Befehle, Tourismo liefert 90 PS und eine sanftere Gasannahme, Rain reduziert den Power-Output auf 80 PS und ein besonders weiches Ansprechverhaltne, und dazukommt dann auch noch „Custom“ für Sparfüchse.

Weil das Handy bekanntlich Italien beherrscht, lässt es sich natürlich mit dem Zentralinstrument koppeln.

Wobei wir beim einzigen nennenswerten Schwachpunkt der Turismo Veloce angekommen sind: Zwar loben die Entwickler ihr farbiges TFT-Display über den grünen Klee ob seiner Informationsvielfalt, doch dabei haben sie leider nicht bedacht, dass man beim Fahren diese Informationen auch ablesen können muss. Das gelingt nur bei der digitalen Geschwindigkeitsanzeige, alles andere verschwimmt vor des Fahrers Augen, weil gefühlte hundert Anzeigen gleichzeitig um mindestens 90 zu viel sind. Warum nicht mehrere Ebenen entwickeln, die man mittels Knopfdruck anwählen kann? Apropos Knopfdruck: Die Lenkerschalter sind durchaus sinnvoll belegt, ihre Bedienung ist schnell begreifbar.

Insgesamt macht die in Rot oder Silber erhältliche MV Agusta Turismo Veloce einen wertigen Eindruck; sie ist auch gut ausgestattet, so dass ihr Preis von14.990 Euro zwar hoch, aber nicht unverschämt erscheint. Für dieses Geld kriegt der Kunde freilich nur „Veloce“: Ohne Koffer ist „Turismo“ eher schwierig.

Ab Juni kann er aber auch 16.890 Euro zahlen (und muss die 30 Liter-Koffer dennoch extra zahlen), denn dann ist zusätzlich die Luxusversion Lusso verfügbar: Sie weist ein semiaktives Fahrwerkssystem, Heizgriffe und einen Hauptständer zusätzlich auf. Ganz schnell Entschlossene finden vielleicht einen Händler, der noch eines der 35 Editionsmodelle frei hat, die für Deutschland reserviert sind. Die kosten samt Koffern, Griffheizung und Hauptständer 15.960 Euro – und sind noch exklusiver als eine MV ohnehin schon ist. Weltweit ist ihre Zahl auf 200 beschränkt.

Technische Daten MV Agusta Turismo Veloce 800: Motor:  Flüssigkeitsgekühlter Dreizylinder-Reihenmotor, 798 ccm Hubraum, 84,5 kW/110 PS bei  10.000 U/min.,  83 Nm bei 8.000 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette. Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen, 43 mm Upside-down-Telegabel vorne, voll einstellbar, 160 mm Federweg; Aluminium-Einarmschwinge hinten,  voll einstellbares Monofederbein, 165 mm Federweg; Leichtmetallgussräder; Reifen 120/70 R 17 (vorne) bzw. 190/55 R 17 (hinten). 320 mm Doppelscheibenbremse vorne, 220 mm Einscheibenbremse hinten; ABS. Maße und Gewichte: Radstand 1.460 mm, Sitzhöhe 850 mm, Gewicht fahrfertig mit Koffern ca. 230 kg; Tankinhalt  22 l. Fahrleistungen: Beschleunigung: 0 - 100 km/h ca. 3,5 Sek., Höchstgeschwindigkeit 230 km/h. Preis: 14.990 Euro; „Lusso“-Version 16.980 Euro. Koffer ca. 900 Euro.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%