Nutzfahrzeuge Hybridantrieb soll Lkw beim Spritsparen helfen

Im Wettlauf gegen explodierende Spritpreise setzen Hersteller von Lkws und Bussen auf den Hybridantrieb. Zu kaufen gibt es die Spartechnik aber erst 2010.

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Mitsubishi Hybrid-Laster: Großversuch mit zehn Fahrzeugen

Leise schnurrt der blau-grün-rot lackierte Omnibus der Nürnberger Verkehrsbetriebe aus der Haltebucht. Zwei Elektromotoren treiben ihn fast geräuschlos an und schonen so die Nerven der Anwohner. Erst wenn der 18 Tonnen schwere Bus des Münchner Herstellers MAN in Fahrt gekommen ist, schaltet sich ein 240 PS starker Dieselmotor zu.

Der Zwitterantrieb, bisher vor allem aus Pkws bekannt, ist nicht die einzige Neuerung an dem Testfahrzeug namens „Lion’s City Hybrid“. Die Elektromotoren beziehen ihre Kraft für den städtischen Stop-and-go-Verkehr nicht wie üblich aus Batterien, sondern aus zwölf Superkondensatoren, die auf dem Dach des Busses untergebracht sind. Ihr Vorteil: Sie stellen hohe Leistungen bereit und speichern Energie ebenso schnell wie sie diese später bei Bedarf wieder abgeben. So fangen sie beispielsweise die Energie wieder ein, die bei jedem Bremsvorgang frei wird und im normalen Busbetrieb bisher als Wärme verpuffte. Das ausgeklügelte System der Energie-Rückgewinnung (Rekuperation) arbeitet so effektiv, dass der Hybridbus ein Drittel weniger Sprit verbraucht als ein vergleichbar großer Omnibus mit Dieselantrieb. Die Stadtwerke Nürnberg sparen so rund 10.000 Liter Diesel pro Jahr.

Sparen, sparen, sparen lautet die Devise im Transportgewerbe. Dieselpreise um die 1,40 Euro pro Liter, steigende Mautgebühren sowie verschärfte Sicherheits- und Umweltanforderungen treiben die Transportkosten in die Höhe und bringen viele Spediteure, Logistik-Dienstleister, Busunternehmen und Verkehrsbetriebe in Existenznot. Um die Belastung durch die hohen Betriebskosten zu mildern, erwarten sie von den Bus- und Lkw-Herstellern vor allem eines: kraftstoffsparende Fahrzeuge.

Arsenal an verbrauchssenkenden Innovationen

Die Industrie hat inzwischen reagiert. Auf der Nutzfahrzeugmesse IAA, die vom 25. September bis 2. Oktober in Hannover stattfindet, präsentieren Daimler, Volvo, MAN & Co. gleich ein ganzes Arsenal an verbrauchsenkenden Innovationen – Busse mit Hybridantrieb, Erdgasfahrzeuge und neue Laster mit Kabinen, die aufgrund einer ausgeklügelten Aerodynamik dem Fahrtwind weniger Widerstand entgegensetzen als früher.

Das größte Sparpotenzial, vor allem bei Fahrzeugen für den Stadtverkehr und Fahrten in Ballungsräumen, hat der Hybridantrieb. Alle großen Hersteller testen ihn derzeit in verschiedenen Varianten und liefern sich dabei ein Wettrennen um eine schnelle Markteinführung. MAN konzentriert sich dabei erst einmal auf Omnibusse. Der zwölfmonatige Probebetrieb des Lion’s City Hybrid verlief zur vollen Zufriedenheit von Technik-Vorstand Karl-Viktor Schaller. „Die Ergebnisse sehen gut aus, die Technik hat zuverlässig funktioniert.“

Schon im nächsten Jahr liefern die Münchner eine Kleinserie an ausgewählte Kunden, darunter die Münchner Verkehrsbetriebe. Der Anlauf der Serienproduktion ist für 2010 geplant. Die Kraftstoffersparnis hat allerdings ihren Preis: Der Hybridantrieb verteuert einen 240.000 Euro teuren Reisebus um rund 80.000 Euro, also um etwa ein Drittel. Dennoch ist der Manager zuversichtlich, dass die Kunden zugreifen – und nicht nur aus Imagegründen. „Nach unseren Berechnungen amortisiert sich der Aufpreis nach spätestens sechs Jahren.“

Der schwedische Lkw-Hersteller Volvo erprobt derweil zwei 26-Tonner im gemischten Elektro-/Dieselbetrieb. Einer ist als Müllwagen unterwegs – gerade im ständigen Stop-and-go-Betrieb spielt der Hybrid seine Stärken aus. Der Elektromotor beschleunigt den Müllwagen auf 20 Kilometer pro Stunde – erst bei höheren Geschwindigkeiten schaltet sich der Dieselmotor ein. Er verträgt zudem Biodiesel. Selbstverständlich nutzen die Schweden auch die Bremsenergie, um die Batterien wieder aufzuladen. Im Testbetrieb erzielt Volvo so Verbrauchssenkungen von fast 30 Prozent.

busgrafik

Die größte Flotte von Hybridfahrzeugen hat derzeit jedoch Daimler in der Erprobung. Erst vor wenigen Tagen haben die Stuttgarter in London einen Großversuch mit zehn Lastwagen gestartet. Sie profitieren dabei von der Hybriderfahrung der Tochter Mitsubishi. Die Japaner bieten auf ihrem Heimatmarkt seit zwei Jahren den Kleinlaster Fuso Canter Eco-D Hybrid an, der bis zu 7,5 Tonnen Gesamtmasse auf die Waage bringt. Für den geplanten Verkauf in Europa muss der Antrieb auf die hiesigen Verkehrsverhältnisse angepasst werden. Nach den Erfahrungen in Japan verbraucht der Fuso bis zu 15 Prozent weniger als ein vergleichbarer Diesel.

So viel Testen war noch nie. Daimler sammelt derzeit gleich mit 2000 Lkws und Bussen Erfahrungen mit alternativen Antrieben. Entsprechend stolz ist Lkw-Chef Andreas Renschler: „Bei der Erprobung des Hybridantriebs sind wir Weltmarktführer.“ Die Kunden haben von dem Titel allerdings noch nichts. Denn zu kaufen gibt es die Spritsparer bisher nicht. Frühestens 2010 sollen die Fahrzeuge in den Handel kommen. Wie schon bei Pkws rächt sich jetzt, dass die europäischen Hersteller die Potenziale des Hybridantriebs erst spät entdeckt haben – die Japaner waren fixer.

Daimler optimiert den Doppelantrieb über seine Tochter Freightliner vor allem in den USA. Dort fährt der Großteil der Hybridflotte, weil viele Bundesstaaten und Energieunternehmen die Versuche mit hohen Investitionszulagen fördern. Zählt man zu den alternativen Antriebsformen auch Nutzfahrzeuge hinzu, die mit Erdgas, Brennstoffzelle oder Biodiesel fahren, hat Daimler derzeit sogar 3000 Busse und Lastwagen im Kundenversuch.

Auf der IAA stellen die Stuttgarter mit dem Mercedes-Benz Econic NGT Hybrid erstmals eine Kombination aus preiswertem Erdgasantrieb mit Elektromotor vor. Nach Daimler-Angaben sinken die Kraftstoffkosten gegenüber einem Diesel um bis zu 60 Prozent. Zu kaufen geben wird es das Konzeptfahrzeug allerdings vorläufig nicht.

Dieselmotoren noch sparsamer machen

Bei allem Hybridrummel lassen die Ingenieure nichts unversucht, um auch Dieselmotoren noch sparsamer zu machen. Ein Weg dorthin führt über das zeitweise Abschalten spritfressender Zusatzaggregate. So schaltet MAN in der neuen Modellreihe „Ecoline“ den Luftkompressor, der den Bremsdruck erzeugt, während der Fahrt über die Autobahn ab. Das spart immerhin einen halben Liter Diesel auf 100 Kilometer Fahrstrecke. Wenn der Fahrer aufs Bremspedal tritt, springt der Kompressor blitzschnell wieder an.

Noch weit größere Verbrauchssenkungen als optimierte Motorentechnik bringt eine an die Verkehrsbedingungen angepasste Fahrweise. Auch das zeigen Versuche von Daimler. Die Stuttgarter schafften es, den Verbrauch eines Lastwagens vom Typ Actros (11,9 Liter Hubraum, V6-Zylinder, 440 PS) während einer 12.729 Kilometer langen Messfahrt auf einer Rennstrecke im italienischen Nardo auf 19,44 Liter Diesel je 100 Kilometer zu drücken – und damit etwa auf das Niveau eines Geländewagens von 2,5 Tonnen Gewicht. Im Alltagsbetrieb schluckt eine Sattelzugmaschine wie der Actros zwischen 30 und 40 Liter Diesel auf 100 Kilometer.

Neben einem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde hat der Versuch den Mercedes-Ingenieuren die Erkenntnis gebracht, dass 60 Prozent des Kraftstoffbedarfs vom Fahrzeug und der Technik abhängen, während die restlichen 40 Prozent von der Verkehrsdichte, dem Streckenprofil, dem Fahrer und der Wartung beeinflusst werden. Mercedes-Manager Raimund Grammer: „Wir setzen deshalb vermehrt auf Fahrerschulungen, die im Moment auch stark nachgefragt werden.“

Aerodynamischer Lkw von MAN Quelle: MAN Nutzfahrzeuge AG

Ebenso wichtig wie die Ökonomie ist für die Lkw-Hersteller derzeit das Thema Verkehrssicherheit. Kein Wunder: Nahezu täglich ist irgendwo in Deutschland eine Autobahn stundenlang gesperrt, weil ein Lastzug in ein Stauende raste oder in einer Kurve umstürzte. Die EU-Kommission hat ausgerechnet, dass der europäischen Volkswirtschaft durch die Unfälle jedes Jahr ein Schaden von rund 370 Millionen Euro entsteht. Zudem kämen 1000 Menschen jährlich weniger im Straßenverkehr um, wenn alle Nutzfahrzeuge mit Abstandsreglern, Spurassistenten und elektronischen Stabilitätsprogrammen (ESP) ausgerüstet wären.

Nach Erkenntnissen der Mercedes-Entwicklungsingenieure sind rund die Hälfte der schweren Lkw-Unfälle bei entsprechender Technik-Ausstattung vermeidbar. Die Stuttgarter berufen sich dabei auf ihre Erfahrungen aus einem Flottenversuch aus dem Jahr 2006. Damals waren 1000 Actros-Sattelzugmaschinen auf die Piste geschickt worden – die Hälfte davon mit einer speziellen Sicherheitsausrüstung an Bord. Das Resultat fiel nach zwölf Monaten Testdauer und rund 106 Millionen Kilometern Fahrstrecke eindeutig aus: Die Zugmaschinen mit Sicherheitstechnik waren nur halb so oft in Unfälle verwickelt. Und wenn es doch einmal krachte, ging es meist relativ glimpflich ab. Die Schadenssumme fiel im Schnitt um 90 Prozent niedriger aus als sonst.

EU-Kommission sieht sich zum Handeln gezwungen

Die EU-Kommission sieht sich angesichts solcher Zahlen zum Handeln gezwungen. Ab 2013 sollen Schleuderschutz, Spurhalte-Technik und Abstandsregelautomaten Pflichtausstattung sein. Druck auf Industrie und Transporteure üben aber schon heute Kunden wie Shell und BP/Aral aus. Nur wer Tanklastwagen mit ESP ausrüstet, erhält noch Aufträge der Mineralölkonzerne. Das erhöhte Sicherheitsbewusstsein der Auftraggeber zeigt Wirkung: Rund die Hälfte der Neufahrzeuge werden bei MAN oder Daimler mittlerweile mit ESP bestellt.

Albrecht Haase, Vertriebsleiter der Gefa-Leasing, bestätigt die steigende Nachfrage nach Lastwagen mit effizienten Motoren und besserer Sicherheitsausstattung. Die Wuppertaler vermieten jedes Jahr rund 10.000 Lkws und 1000 Omnibusse und gehören damit europaweit zu den größten Abnehmern von Nutzfahrzeugen. „Wir registrieren ein wachsendes Kostenbewusstsein, das durch die geplante Mauterhöhung sicher noch verschärft wird“, berichtet Haase. Doch es gibt Grenzen: „Die Mehrkosten für Abstandswarner und Spurhalteassistenten sind vielen Transporteuren zu hoch.“

MAN-Technik-Vorstand Schaller hat noch einen Vorschlag, um den Verbrauch deutlich zu senken und zugleich die Sicherheit auf den Fernstraßen zu erhöhen: Er möchte den Lastwagen ein windschnittiges Design verpassen, das sich an den Formen der Natur orientiert – der Designer Luigi Colani hatte den Prototypen eines solchen Lasters schon 1977 auf der IAA präsentiert. „Die Fahrzeuge“, beklagt Schaller heute, „haben immer noch einen Luftwiderstand wie rollende Ziegelsteine.“ Um die fließenden Formen realisieren zu können, ohne die Nutzlast einzuschränken, müsste der Auflieger allerdings um 1, 5 Meter und das Führerhaus um 70 Zentimeter verlängert werden. Der Luftwiderstands-Beiwert würde durch die neue Formgebung von 0,56 auf 0,3 sinken. Das brächte gleich doppelten Nutzen: Der Spritverbrauch würde sich um ein Viertel reduzieren und das Führerhaus besäße endlich eine Knautschzone, um bei einem Zusammenstoß Lkw-Lenker und Unfallgegner besser zu schützen.

Um die Idee umsetzen zu können, müsste allerdings die Straßenverkehrs-Zulassungsordnung geändert werden: In Deutschland dürfen Sattelzüge derzeit nur maximal 16,50 Meter lang sein.

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