Auch kleine Innovationen erleichtern das Alltagsleben. Taxifahrer in Kopenhagen erhalten ohne Fahrradträger am Auto keine Lizenz. Mülleimer entlang der Radwege sind so gekippt, dass Pedalisten im Fahren ihren Müll entsorgen können. Straßen mit Kopfsteinpflaster ließ die Kommune am Rand auf etwa einem Meter Breite glätten, sodass niemand mehr durchgerüttelt wird.
Auf bestimmten Strecken signalisieren sogar alle fünf Meter LED-Lampen im Asphalt eine grüne Welle. Leuchten sie grün, ist der Radler bei einem Durchschnittstempo von 20 Kilometern pro Stunde schnell genug, um die nächste Kreuzung ohne Halt zu überqueren. Erlischt sie, muss er Muskel geben.
Deutschland hat Nachholbedarf
Die Kopenhagener Verkehrsdoktrin ordnet dem Radverkehr alles unter. Sie strich seit den Sechzigerjahren Jahr für Jahr zwei bis drei Prozent der Parkplatzflächen. „So eroberten Radler und Fußgänger die Stadt nicht in einem einzigen brutalen Handstreich, sondern in vielen Trippelschritten“, sagt Gehl, der als 78-jähriger Berater noch gut im Geschäft ist. Ökonomen rechneten aus, dass sich Investitionen in den Radverkehr auszahlen, weil es weniger Staus gibt und die Ausgaben für Gesundheit sinken.
Die deutschen Städte erkennen das Potenzial erst langsam. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) lobt zwar den Nationalen Radverkehrsplan der Bundesregierung, der Pilotprojekte fördert und „das Thema auf die Agenda der Verkehrspolitik gesetzt hat“, sagt ADFC-Bundesvorsitzender Ulrich Syberg. „Doch bei der Umsetzung auf kommunaler und städtischer Ebene gibt es Nachholbedarf.“
In dem jüngsten Fahrradklimatest des ADFC bekamen nur Münster, Karlsruhe, Freiburg und Hannover die Noten „gut“ und „befriedigend“. Alle anderen Städte mit mehr als 200.000 Einwohnern tendierten in Richtung „ausreichend“.
"Wir sind noch nicht so weit"
Allmählich bewegt sich aber etwas. In Hamburg hat der neue Senat aus SPD und Grünen gerade erst im Koalitionsvertrag ein konkretes Ziel für den Radverkehr definiert, nämlich einen Anteil der Radfahrer an den zurückgelegten Wegen von 25 Prozent bis 2030. Bislang galt als Zielwert 18 Prozent. München behauptet von sich, „Radlhauptstadt“ werden zu wollen, und Berlin peilt einen Fahrradanteil von bis zu 20 Prozent bis 2025 an. Bis dahin wird noch viel getestet: grüne Wellen für Radfahrer, subventionierte Elektroräder für Firmen und neue Abstellmöglichkeiten. „Wir sind noch nicht so weit, dass wir alle Projekte umsetzen könnten“, sagt Burkhard Horn, Leiter der Abteilung Verkehr in der Berliner Senatsverwaltung. „Aber es ist erklärtes Ziel der Stadt, Autoverkehr zu reduzieren und Radverkehr zu erhöhen.“
Anregungen holen sich die Verantwortlichen im Ausland – etwa in Amsterdam und Kopenhagen. Allerdings: „Jede Stadt muss aber selber herausfinden, was zu ihr passt“, sagt Verkehrsplaner Horn. Vorbilder für kluge Infrastruktur gibt es zuhauf.