Renault Safrane Biturbo im Youngtimer-Test Leistung im Verborgenen

Der Renault Safrane ist der perfekte Einsteiger-Youngtimer. Die große und komfortable Reiselimousine bietet viel Auto für kleines Geld. Ein ganz besonderes Vergnügen ist das rare Topmodell Biturbo. Wir waren mit dem exklusiven Franzosen unterwegs.

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Youngtimer im Test: Renault Safrane Biturbo - Leistung im Verborgenen Quelle: Patrick Broich/SP-X

Räumen wir mal mit dem Vorurteil auf, dass ausschließlich die deutschen Autohersteller Innovationsgeist besitzen. Für clevere technische Maßnahmen stehen auch andere Fahrzeugbauer – Renault beispielsweise konnte in den Achtzigern bereits mit Features aufwarten, von denen der Wettbewerb nur träumte und die nicht einmal heute zu den Standards gehören.

Man denke nur an den legendären sprechenden Bordrechner. Erst in den letzten Jahren haben die Hersteller damit begonnen, vermehrt Sprachausgaben einzuführen. Auch die erste fernbedienbare Zentralverriegelung geht auf das Konto der Franzosen.

Das sind die kleinen Dinge den Autofahrerlebens, die es angenehmer machen im Alltag und die entsprechenden Autos heute begehrenswert, insbesondere als Old- oder Youngtimer. Angenehm ist ein gutes Stichwort: Große Fahrzeuge mit hohem Komfort sowie vielen technischen Raffinessen schaffen es oft in die Gunst der Oldie-Interessenten.

Doch es müssen nicht immer die Klassiker à la BMW Fünfer E34 oder Mercedes W124 sein, um in der hier relevanten Epoche zu bleiben – es darf auch ruhig mal ein Blick auf den exotischen Renault Safrane geworfen werden.

Denn es wäre ein Fehler, dieser Anfang der Neunzigerjahre in den Markt gebrachten Business-Limousine die Aufmerksamkeit zu verweigern, nur weil ihr das in diesem Segment nötige Image fehlt. Sie hat nämlich alles, was die Fortbewegung attraktiv macht.

Das beginnt schon bei den anschmiegsamen Ledersesseln des schnörkellos-unauffällig gezeichneten Viertürers, die bereits beim ersten Reinsetzen gefallen. Die Innenarchitektur haben die Franzosen im Einklang mit der Außenhaut kreiert: schlicht und funktional.

Man hätte sich vielleicht ein bisschen mehr Ordnung bei den Tasten gewünscht, dennoch gibt der Safrane in Sachen Bedienung kein schlechtes Bild ab – nach ein wenig Eingewöhnung sitzen die Griffe für alltägliche Dinge wie Klimabetätigung, Scheibenwischer und Radio.

Es gibt ja trotz des durchaus noblen Segments viel weniger zu bedienen als bei den zwanzig Jahre später gebauten Klassenvertretern – Features wie Navigationssystem oder die Steuerung der ganzen Assistenten fehlen und müssen auch nicht in ein umständliches Menü gestopft werden.

Der wahre Luxus besteht beim Safrane noch in den wesentlichen Dingen, die ein Auto ausmachen sollten: Fahrwerk, Getriebe und Motor. Wer günstig einsteigen will in die Welt des großen Renaults, bekommt einen Vierzylinder. Für die Maschinen-Gourmets muss es schon der Sechsender sein. Dabei handelt es sich um den Mitte der Siebziger in Zusammenarbeit mit Peugeot, Renault und Volvo entwickelten 90 Grad-V6, der vor der damaligen Ölkrise einmal als V8 konzipiert war.

In letzter Sekunde entschieden sich die Verantwortlichen, zwei Zylindereinheiten wegzunehmen – der für einen V6 ungewöhnliche Bankwinkel blieb hingegen. Das Ergebnis war ein herrlicher, kernig-charakteristischer Sound.

Wer in Sachen Safrane wirklich exklusiv unterwegs sein möchte, muss jedoch unbedingt zum Biturbo greifen. Als Basistriebwerk dient ebenfalls der PRV-Sechszylinder, und die auch als BMW-Tuner bekannte Firma Hartge bestückte den Dreiliter mit zwei Turbinen. Am Ende kamen satte 193 kW/263 PS heraus.

Mit dieser Ausrüstung rannte der Gleiter 250 km/h und konnte es so in der Endgeschwindigkeit auch mit einstigen Kalibern wie BMW M5 oder Mercedes 500 E aufnehmen. Und damit der Pistenjäger seine Leistung auch schlupffrei auf die Straße bekommt, rollte er ausschließlich als 4x4 aus den Werkshallen von Irmscher, wo das Topmodell in kleiner Stückzahl montiert wurde. Kaum mehr als 600 Exemplare wurden verkauft.

Dass der Biturbo – man erkennt ihn vor allem an dem markanten Auspuff-Endrohr sowie an leicht modifizierten Schürzen – kein Kassenschlager werden würde, war den Marketingstrategen vermutlich klar. Es sollte eben ein technologisch anspruchsvoller Imageträger und kein Massenmobil sein.

Neben dem gehobenen Antrieb gibt es ein aufwendiges Fahrwerk mit Niveauausgleich und variablen Dämpfern. Per Knopfdruck kann man eine weiche oder sportliche Abstimmung wählen. Ein Wilderer ist der seltene Safrane allerdings nicht.

Insbesondere aus heutiger Sicht, da die Motorleistungen in jedem Segment aus dem Ruder gelaufen scheinen, begegnet man dem werdenden Klassiker mit einem Schmunzeln. Natürlich, an seinen Output reicht heute zwar auch der (Top-)TDI des Vertreter-Passat heran, das reißt also nicht mehr vom Hocker.

Doch der Renault offenbart bei einer Probefahrt noch ganz andere Qualitäten als den Supersportlern des neuen Jahrtausends hinterher zu sprinten. So entpuppt sich der noch immer recht spurtstarke Safrane (siebeneinhalb Sekunden bis Landstraßentempo) als feiner Cruiser mit ordentlichen Dämpfer-Qualitäten.

Die mit hoher Servounterstützung arbeitende Lenkung verleiht dem Allradler etwas Leichtfüßiges in der City und lässt den 1,7-Tonner dennoch – hinreichend präzise rückmeldend – verhältnismäßig behände um Windungen flitzen.

Außerdem präsentiert sich der Sechszylinder wirkungsvoll gedämmt und murmelt selbst unter voller Ausnutzung des Drehzahlbandes nur leise vor sich hin. Das Aggregat entwickelt seine Kraft eher turbountypisch linear und presst die Insassen mit sanfter Gewalt in die elektrisch verstellbaren Fauteuils.

Chronik:

1992:Der Renault Safrane wird als Nachfolger des R25 auf den französischen Markt gebracht
1993:Die obere Mittelklasse wird in Deutschland eingeführt
1996:Ein Facelift hält den Safrane attraktiv – gleichzeitig entfällt der Biturbo
1999:Der PRV-Sechszylinder mit 90 Grad-Zylinderbankwinkel wird durch eine Neuentwicklung mit Vierventil-Kopf ersetzt
2000:Die Baureihe Safrane läuft nach acht Jahren aus

Je nach einstigem Geschmack des Erstbesitzers können auch die Hinterbänkler ihr Mobiliar per Knopfdruck und Elektromotor verrücken – dieses seltene Extra passt zu dem perfekt als Allerweltauto getarnten Sonderling. Ein ganz besonderes Detail dürfte seinen Eignern außerdem ins Auge fallen und verströmt einen Hauch von Sportsgeist: Der Tachometer reicht bis 280 km/h.

In den Genuss eines gut erhaltenen V6-Safranes kommt man übrigens schon für weniger als 5.000 Euro. Wer unbedingt den Biturbo haben möchte, sollte einen höheren vierstelligen oder moderaten fünfstelligen Betrag einplanen. Dann ist neben dem Geld allerdings auch etwas Geduld gefragt, denn manchmal taucht wochenlang kein entsprechendes Modell in den einschlägigen KFZ-Börsen auf. Das macht die Suche umso spannender.

Technische Daten: Länge: 4,77 Meter, Breite: 1,82 Meter, Höhe: 1,45 Meter, Radstand: 2,76 Meter. Motor: 3,0-l-V6-Ottomotor mit 90 Grad-Zylinderbankwinkel und doppelter Turboaufladung, 193 kW/263 PS, maximales Drehmoment: 363 Nm bei 2.500 U/min, Beschleunigung: 0 - 100 km/h in 7,2 Sek., Vmax 250 km/h. Ehemaliger Neupreis (1992):  ab 96.500 DM.

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