Sprit-Preise Das große E10-Desaster nimmt kein Ende

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Mineralölindustrie sorgt für Chaos

Das E10-Desaster hat Geschichte. „Bereits 2008 wurde das Projekt E10 gestoppt, weil der Bestandsschutz für nicht E10-taugliche Fahrzeuge nicht gewährleistet war“, sagt Kraftstoffmarkt-Kenner Jürgen Albrecht. Die Bestandschutzregelung bedeutet, dass die Industrie den Verbraucher nicht bevormunden darf. Dadurch muss das Super Benzin E5 auch mit der Einführung von E10 weiter beibehalten werden. So soll der Kunde die Wahl an der Zapfsäule haben. Statt dem Kunden die Wahl zu lassen, versuchte die Mineralölindustrie hingegen „durch die Hintertür E5 abzuschaffen“, so Albrecht.

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Damit habe man die Nachfrage in den Super-Plus-Bereich drängen wollen. Statt Super E5 wurde Super Plus unter dem Namen Super E5 verkauft – und das zu höheren Preisen. In der Folge hatte man wochenlang horrende Preisunterschiede von acht bis neun Cent zwischen E10 und der Alternative. Das Chaos war perfekt – und dem Kunden unter diesen Umständen kaum noch klar, was sich hinter E10 eigentlich verbirgt.
„2011 wollte man es eigentlich besser machen“, sagt Albrecht. Doch die Mineralölindustrie versuchte sich mit der gleichen Taktik noch einmal und lenkte erst nach monatelangem Geplänkel schließlich ein. Die Folge waren wiederum verwirrte Kunden, die keinerlei Informationen darüber erhielten, welchen Vorteil ihnen E10 wirklich bringt. „Die fehlenden Informationen haben dazu geführt, dass Verbraucher, die sonst für einen Cent die Tankstelle wechseln, auf einmal freiwillig horrend höhere Preise bezahlt haben“, sagt der Kraftstoffmarkt-Kenner. „Hätte man die heutige Produktpalette von Anfang an am Markt gehabt, wäre der Anteil der E10-Nutzer heute garantiert höher.“ Derzeit liegt der Anteil bei knapp 16 Prozent am Benzinmarkt, Tendenz leicht steigend.

Wo und wann der Sprit am billigsten ist
Apps zum Thema Billig-Tanken gibt es viele. Aber kaum eine befasst sich mit den Preisschwankungen. Das Team der TankenApp von T-Online.de hat im Auftrag von „Stern TV“ die Entwicklung der Benzinpreise untersucht: Eine Woche lang erhob das Team an 63 Zeitpunkten an allen Tankstellen in 20 Großstädten die Preise. Ausgewertet wurde der Durchschnittspreis nach Städten und Tankstellen. Eine Übersicht der besten Spritpreis-Apps finden Sie hier. Quelle: dpa
Die teuersten TankstellenkettenNach eigenen Angaben betreibt die österreichische Kette OMV 320 Tankstellen in ganz Süddeutschland. In dem Erhebungszeitraum von einer Woche waren die Tankstellen von OMV mit 1,43 Euro für einen Liter Diesel und 1,58 Euro für einen Liter Super die teuersten in ganz Deutschland. Danach folgen die Konkurrenten Aral und Shell. Quelle: REUTERS
Die günstigste KetteDann doch lieber bei Oil! haltmachen. Mit 1,38 Euro für einen Liter Diesel und 1,53 Euro für einen Liter Super ist es dort im Schnitt jeweils um fünf Cent günstiger als beim Konkurrenten OMV. Oil! hat seinen Sitz in Hamburg und betreibt rund 250 Tankstellen in Deutschland, Österreich, Ungarn und der Schweiz. Daumen hoch von den Mitarbeitern für diese Preise. Ebenfalls günstiger als an den meisten anderen Tankstellen ist es bei Jet und HEM. Letztere sind jedoch ausschließlich in Norddeutschland zu finden. Quelle: PR
In Dresden ist tanken am teuerstenLeuchtet das rote Lämpchen in Dresden auf, wird es teuer. Aus der Analyse geht hervor, dass in Dresden sowohl Diesel als auch Benzin am teuersten sind. Super kostet im Durchschnitt 1,60 Euro – damit ist es in der sächsischen Hauptstadt ganze fünf Cent teurer als in Bremen, der günstigsten Stadt in Sachen Tankauffüllen. Ebenfalls an der 1,60-Marke kratzen die Preise in Stuttgart, Bonn und Leipzig. Quelle: dpa
Tankparadies BerlinAuch in der Hauptstadt ist der Sprit vergleichsweise günstig. Mit 1,55 Euro für einen Liter Super ist Berlin nach Bremen die günstigste Stadt im Probezeitraum. Mit 1,41 Euro für einen Liter Diesel landet Berlin immerhin auf Platz drei – nur in Bremen und Hamburg ist Diesel günstiger. In Berlin steht auch die billigste Tankstelle der ganzen Republik. Bei Mr. Wash an der Rhinstraße kostete im Berechnungszeitraum ein Liter Super nur 1,48 Euro, ein Liter Diesel 1,347 Euro. Quelle: dapd
Autobahntankstellen meidenBevor man eine längere Reise antritt, sollte man volltanken. An den Autobahnen kostet der Sprit traditionell wesentlich mehr als im Stadtgebiet. Die teuerste Tankstelle der Republik steht an der A9 bei Geisenhausen. An der Aral-Tankstelle Holledau West kostete der Liter Super im Berechnungszeitraum 1,729 Euro. Quelle: dpa
Besser abends tankenDer frühe Vogel fängt den Wurm. An der Tankstelle hat er nichts zu suchen: Wer vor der Arbeit tankt, zahlt pro Liter einen Cent mehr als die, die nach der Arbeit tanken. Zwischen 18 und 20 Uhr tankt es sich im Schnitt am günstigsten. Teurer als am Morgen ist es nur um Mitternacht herum. Quelle: dpa

Dass sich die Mineralölwirtschaft nie hinter das Produkt gestellt hat, ist für den ADAC-Experten völlig unverständlich. „Die Branche hat oft gezeigt, dass sie bei der Einführung von Nischenprodukten im Premiumbereich einiges bewegen kann. Da wurde ein riesiger Aufwand betrieben, um einen Ein-Prozent-Markt zu erschließen“, sagt Albrecht und spielt damit auf teure Kraftstoffe wie 100 Oktan oder Super Plus an.
Vermutlich haben höhere Ausgaben der Branche zu schaffen gemacht, weshalb sie von einer Positivkampagne für E10 abgesehen hat. „Es wurden zusätzliche Kosten für die Mineralölindustrie durch die E10-Einführung verursacht“, sagt Automobil-Experte Stefan Bratzel. Der Mineralölwirtschaftsverband hat hierüber keine Zahlen und Details. Die einzelnen Unternehmen halten sich unter dem Mantel des Geschäftsgeheimnisses bedeckt.

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