Von einem Fettnäpfchen ins nächste BBC droht „Top Gear“ mit Aus

Wer „Top Gear“ liebt, hat mit seriösen Tests wenig im Sinn. In der erfolgreichsten Auto-TV-Sendung der Welt geht es um freche Sprüche, Vorurteile, schräge Experimente und Nonsense. Der wächst der BBC nun über den Kopf.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Auto-Infotainment nach Art von „Top Gear“: Jeremy Clarkson hat den Dreh fest im Blick. Quelle: PR

London Mit weltweit bis zu 350 Millionen Zuschauern zählt „Top Gear“ zu den erfolgreichsten Motorsendungen im internationalen Fernsehen. Trotz der Kritik, die Sendung sei zu machohaft, verleite zu einem unverantwortlichen Fahrstil und ignoriere Umwelt sowie Umweltschutz.

Ihren Riesenerfolg verdankt die Sendung in erster Linie wohl der irren Mischung aus typisch britischen Humor ihrer Moderatoren Jeremy Clarkson, Richard Hammond und James May, und schamlosen Übertreibungen und klassischem Nonsens, mit dem insbesondere Deutschland und dessen unrühmliche Geschichte oft durch den Kakao gezogen werden.

Aber auch andere Nationen wie Frankreich und die USA bekommen ihr Fett weg. Dass es dabei regelmäßig auch unter die Gürtellinie geht, scheint die Zuschauer kaum nennenswert zu stören, im Gegenteil. Vielleicht gewann die Show ja gerade deshalb 2005 den Internationalen Emmy für die beste Entertainmentshow.


Neben ernsthafter Kaufberatung und Vergleichstests werden regelmäßig überraschende Experimente in die Sendung integriert, wie zum Beispiel „Wie weit fliegt ein Volvo 240 Kombi über eine Rampe und einige Wohnwagen?“

Ein Highlight waren die verschiedenen Versuche, einen Toyota Hilux Pickup zu vernichten: Er wurde gegen einen Baum gefahren, ein Wohnwagen wurde auf ihn fallen gelassen, er wurde der Flut vor Bristol ausgesetzt, er wurde angezündet und schlussendlich auf ein Hochhaus gestellt, das gesprengt wurde. Danach fuhr er immer noch und war ausschließlich mit dem serienmäßigen Bordwerkzeug fahrtüchtig gemacht worden.

In die Kategorie „lebensgefährlicher Nonsense“ dürfte auch die Vergleichsfahrt dreier offener Cabrios von Arbil im Irak nach Bethlehem im Westjordanland einzuordnen sein. Die Reiseroute verlief durch den Irak, die Türkei, Syrien und Jordanien.

Jetzt aber scheint Top Gear mit seinen allzu lockeren Sprüchen etwas zu weit gegangen zu sein. Jeremy Clarkson bekam von der BBC einen Schuss vor den Bug - werde er so weitermachen, dann sei Schluss mit lustig.

Was war geschehen? Drei Vorfälle hatten den Zorn der BBC-Intendanz geweckt. Zunächst hatte Top Gear das Elektroauto von Tesla in Bausch und Bogen niedergemacht. Auf einer Rennstrecke war dem Tesla Roadster angeblich schon nach 55 Meilen der Strom ausgegangen und nicht erst nach 200 wie Tesla versprochen hatte. Es kam zu einem Gerichtsverfahren, bei dem Top Gear erst in letzter Instanz mit einem blauen Auge davon kam. 

Wenig später musste sich Top Gear den Vorwurf gefallen lassen, rassistische Sprüche loszulassen. Die Aufgabe der Crew bestand darin, mit drei gebrauchten Nutzfahrzeugen von Rangoon und Myanmar zum River Kwai in Thailand zu fahren und dort wie im berühmten Film eine Brücke zu bauen. Das gelang, wenig später betrat ein Einheimischer das Bauwerk und Jeremy Clarkson bemerkte: „There’s a slope on it“, was heißen könnte, dass die Brücke etwas schief geraten sei.

Dazu muss man aber wissen, dass „Slope" im Englischen außerdem eine brutale Herabsetzung für Leute asiatischer Abstammung bedeutet – etwa so wie im Deutschen die für Japaner äußerst beleidigende Bezeichnung „Schlitzaugen“.

Die indische Schauspielerin Somi Guha verklagte die BBC daraufhin auf 1,6 Millionen Dollar Schmerzensgeld. Noch hat es keinen Prozess gegeben. „Clarkson hat früher Mexikaner beleidigt“, begründete Guha laut Daily Mail ihren Schritt. „Jetzt zielt er auf uns.“

Jetzt hat Top Gear erneut ein Problem. Bei einer Filmszene im englischen Charlbury sollten zwei Peugeot, gefahren von Clarkson und seinem Kollegen James May, zu Testzwecken frontal kollidieren. May landete im Graben, Clarkson im freien Feld.

Unglücklicherweise kam exakt an der gleichen Stelle und ebenfalls mit einem Peugeot vor vier Jahren eine Frau bei einem Frontalcrash ums Leben. Lokale Politiker nannten den Top-Gear-Vorfall „rücksichtslos und unsensibel“, und die BBC schloss sich den Vorwürfen an. Noch einmal ein solcher Fauxpas, so verlautete aus London, und Clarkson muss seinen Hut nehmen. (hrr/ampnet)

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%