VW-Abgas-Skandal Warum sich der Diesel in der Golf-Klasse kaum noch rechnet

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Entwarnung für Audi, BMW und Daimler

So tief greifend die neuen Regelungen die Autobranche verändern werden – die verschiedenen Hersteller werden sie ganz unterschiedlich treffen. Zumindest die deutschen Premiumanbieter etwa scheinen trotz hoher Dieselverkäufe vergleichsweise glimpflich davonzukommen „BMW, Audi, Mercedes-Benz treffen die zusätzlichen Kosten kaum. Deren Margen sind so hoch, dass ein paar Hundert Euro mehr nicht ins Gewicht fallen“, sagt Greg Archer von der nicht staatlichen Umweltorganisation Transport & Environment mit Sitz in Brüssel. „Schwieriger wird es für die Hersteller mit preissensiblen Kunden und Modellen etwa in der Golf-Klasse.“

Bei Renault, Ford, Opel und Fiat ist der Wettbewerbsdruck ungleich höher – die Kunden sind weniger loyal, die Entscheidung für oder gegen eine Marke fällt meist mit dem Preis.

So könnte VW die "Dieselgate"-Kosten schultern

Dazu kommt, dass Renault etwa Harnstoffkatalysatoren bisher nur in den Nutzfahrzeugen Trafic und Master einbaut, nicht aber in den in Deutschland meistverkauften Kompaktwagen Mégane und Scénic. Die Aufrüstung wird teuer.

Ford liefert die Hälfte seines Bestsellers, des Golf-Rivalen Focus, als Selbstzünder aus. Der US-Hersteller rechnet mit erheblichen Mehrkosten. Das ohnehin defizitäre Europageschäft – im dritten Quartal verlor Ford dort umgerechnet rund 166 Millionen Euro vor Steuern – würde durch schrumpfende Verkäufe beim Focus noch unattraktiver.

Bei Opel war 2014 jedes dritte in Europa verkaufte Fahrzeug ein Diesel. Unter der Haube steckt zwar bei allen Wagen bereits ein Harnstoffsystem. Trotzdem könnten zusätzliche Entwicklungskosten etwa für größere Harnstofftanks nötig werden.

Die PSA-Marken Peugeot und Citroën hingegen, die Hersteller mit dem höchsten Dieselanteil nach der deutschen Edelriege, bauen bereits seit 2013 selbst in kleinsten Motorisierungen Katalysator, Partikelfilter und eine Anlage zur Verringerung von Stickoxiden mit einer Harnstofflösung ein. „Eine Extrabelastung sehen wir nicht“, erklärt ein Sprecher des französischen PSA-Konzerns denn auch folgerichtig.

Ganz anders sieht das beim Volkswagen-Konzern aus, der die ebenso kurzfristige wie drastische Verschärfung der Abgasvorschriften durch seine Tricksereien beschleunigt hat. VW verkauft bisher gut 55 Prozent aller Fahrzeuge in Europa mit Dieselantrieb und würde durch höhere Preise unter Druck geraten.

Noch ist ungeklärt, welche unmittelbare Verantwortung der geschasste Vorstandschef Martin Winterkorn tatsächlich an Dieselgate trägt. Eine seiner noch vor Bekanntwerden des Skandals verkündete Entscheidung aber könnte sich für VW auszahlen. Bis 2020, so kündigte Winterkorn an, werde sein Unternehmen 20 neue reine Elektromodelle oder Wagen mit Hybridantrieb aus Verbrennungs- und Elektromotor auf den Markt bringen.

Trotz aller erforderlichen Sparmaßnahmen im Konzern, um Strafzahlungen, Rückrufmaßnahmen und Nachrüstkosten für die Schummeldiesel zu finanzieren – an Winterkorns E-Initiative wird in Wolfsburg niemand rütteln. „Inzwischen haben alle verstanden, dass Zögern bei diesem Thema ein Selbstmord aus Angst vor dem Tod wäre“, so ein VW-Manager.

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