VW-Abgas-Skandal Warum sich der Diesel in der Golf-Klasse kaum noch rechnet

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Teure Abgastechnik raubt dem Diesel seinen Preisvorteil

Die Folge der neuen Vorgaben sind für Autokäufer und -hersteller gleichermaßen tief greifend. Denn weil die erforderliche Technik zur Abgasreinigung die Dieselmotoren erheblich verteuert, wird sich nicht nur das Verhältnis von Benziner- zu Diesel-Pkws verschieben. Zugleich schrumpft der Kostennachteil von Elektromobilen deutlich. Und Pkws mit Hybridantrieb werden sogar schon bald preiswerter im Unterhalt als die bei europäischen Kunden so beliebten Dieselautos.

Das ist das Ergebnis einer Hochrechnung der Unternehmensberatung Accenture im Auftrag der WirtschaftsWoche. Das ökonomische Aus für den Diesel droht nicht bloß bei Kleinwagen, bei denen Dieselmotoren angesichts des Mehrpreises und der geringen Laufleistungen schon bisher kaum rentabel zu fahren waren. Die schärferen Grenzwerte und Messmethoden verteuern den Diesel selbst in größeren Fahrzeugen so massiv, dass der Selbstzünder auch in der beliebtesten deutschen Fahrzeugklasse, Kompaktwagen wie dem VW Golf, dem Opel Astra oder dem Ford Focus, kaum Überlebenschancen hat.

Das neue Who is Who im VW-Konzern
Stefan Knirsch Quelle: Audi
Hinrich Woebcken Quelle: dpa
Neuer Generalbevollmächtigter für die Aggregate-Entwicklung: Ulrich EichhornVolkswagen hat einen neuen Koordinator für die Aggregate-Entwicklung auf Konzernebene. Der WirtschaftsWoche bestätigte Ulrich Eichhorn, dass er im Frühjahr zu VW zurückkehrt. Der 54-Jährige kommt vom Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), wo er die Verantwortung für die Bereiche Technik und Umwelt inne hatte. Zuvor war Eichhorn neun Jahre lang Entwicklungsvorstand bei der VW-Tochter Bentley. Eichhorn wird nicht Mitglied des Vorstands, sondern berichtet als Generalbevollmächtigter direkt an VW-Chef Matthias Müller – ähnlich wie der neue Chef-Stratege Thomas Sedran. Quelle: Presse
Der neue Generalbevollmächtigte für Außen- und Regierungsbeziehungen: Thomas StegEs ist kein Wechsel der Funktion, sondern der Zuordnung: Thomas Steg ist seit 2012 Generalbevollmächtigter des Volkswagen-Konzerns für Außen- und Regierungsbeziehungen. Bislang war dieser Bereich Bestandteil der Konzernkommunikation. Jetzt ist das Team um Steg als eigenständiger Bereich in das Ressort von VW-Chef Matthias Müller zugeordnet, an den Steg persönlich berichtet. Der diplomierte Sozialwissenschaftler wird zusätzlich das Thema Nachhaltigkeit verantworten. „Mit der Bündelung der Konzernzuständigkeiten und der neuen Zuordnung des Themas Nachhaltigkeit trägt Volkswagen dessen wachsendem Gewicht Rechnung“, teilte der Konzern mit. Steg begann seine berufliche Laufbahn 1986 als Redakteur der Braunschweiger Zeitung. Danach war er Pressesprecher zunächst des DGB Niedersachsen/Bremen, ab 1991 des Niedersächsischen Sozialministeriums und ab 1995 der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen. 1998 übernahm er im Bundeskanzleramt die stellvertretende Leitung des Büros von Bundeskanzler Gerhard Schröder, ab 2002 war er stellvertretender Regierungssprecher, ab 2009 selbstständiger Kommunikationsberater. Quelle: Presse
Der neue VW-Entwicklungsvorstand: Frank WelschKurz nach dem Bekanntwerden von Dieselgate wurde der Entwicklungsvorstand der Marke VW, Heinz-Jakob Neußer, beurlaubt. Bei der Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember ernannte das Kontrollgremium Frank Welsch zu seinem Nachfolger. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur ist seit 1994 im Konzern. Über verschiedene Stationen in der Karosserie-Entwicklung, als Entwicklungsleiter in Shanghai und Leiter der Entwicklung Karosserie, Ausstattung und Sicherheit der Marke Volkswagen arbeitete er sich zum Entwicklungsvorstand von Skoda hoch. Diesen Posten hatte Welsch seit 2012 inne.Sein Vorgänger Neußer verlässt den Konzern allerdings nicht, sondern steht laut VW-Mitteilung "dem Unternehmen für eine andere Aufgabe zur Verfügung". Quelle: Volkswagen
Der neue VW-Beschaffungsvorstand: Ralf BrandstätterRalf Brandstätter wird Vorstand für Beschaffung der Marke Volkswagen. Der 47-Jährige folgt in seiner neuen Funktion auf Francisco Javier Garcia Sanz, der die Aufgabe als Markenvorstand in Personalunion zusätzlich zu seiner Funktion als Konzernvorstand für den Geschäftsbereich Beschaffung wahrgenommen hatte. In Zukunft wird Garcia Sanz zusätzlich zu seinen Aufgaben als Konzernvorstand Beschaffung die Aufarbeitung der Diesel-Thematik betreuen. Brandstätter kam 1993 in den Konzern. Seit dem ist der Wirtschaftsingenieur in verschiedensten Posten für die Beschaffung verantwortlich gewesen, zuletzt als Leiter Beschaffung neue Produktanläufe. Zwischenzeitlich war er auch Mitglied des Seat-Vorstands. Seit Oktober 2015 ist Brandstätter auch Generalbevollmächtigter der Volkswagen AG. Brandstätter berichtet wie der ebenfalls neu berufene Entwicklungschef Frank Welsch direkt an VW-Markenvorstand Herbert Diess. Quelle: Volkswagen
Neuer VW-Personalvorstand: Karlheinz BlessingMitten in der größten Krise der Konzerngeschichte bekommt Volkswagen mit dem Stahlmanager Karlheinz Blessing einen neuen Personalvorstand. Der Aufsichtsrat stimmte am 9. Dezember bei seiner Sitzung dem Vorschlag der Arbeitnehmerseite für den vakanten Spitzenposten bei Europas größtem Autobauer zu. Blessing folgt damit auf den bisherigen Personalvorstand Horst Neumann, dieser war Ende November in den Ruhestand gegangen. Der Ernennung war eine lange Suche nach einem geeigneten Kandidaten vorausgegangen. Blessing (58) ist seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Stahlherstellers Dillinger Hütte. Zuvor war er Büroleiter des damaligen IG Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler und Anfang der 1990er Jahre Bundesgeschäftsführer der SPD. 1993 ersetzte er als Arbeitsdirektor bei der Dillinger Hütte Peter Hartz, der damals zu VW nach Wolfsburg ging. Blessing sei gut in der IG Metall vernetzt, habe aber auch unternehmerische Erfahrung, hieß es in den Konzernkreisen. Quelle: dpa

Die Accenture-Berechnungen zeigen, dass der Hybridantrieb über die gesamte Lebensdauer um fast 5000 Euro billiger ist, der Benziner um mehr als 3000 Euro. Sogar der reine Elektroantrieb wächst zum Konkurrenten des Diesel heran, weil er nur noch 1500 Euro teurer ist als der Diesel. Die vollständigen Ergebnisse der Berechnungen für die Golf-Klasse finden Sie hier.

Selbst in der Mittelklasse, also bei Modellen wie dem Ford Mondeo, dem VW Passat oder Opels Insignia, ist der Diesel stark gefährdet.

Und wenn stimmt, was die US-Umweltbehörde vermutet, der Volkswagen-Konzern aber vehement bestreitet, dass selbst große Drei-Liter-Diesel in einigen Audi- und Porsche-Modellen nur mit technischen Tricks die Prüfvorgaben einhalten konnten, droht sogar den Oberklassewagen noch ein erheblicher Kostenschub durch Reinigungstechnik.

Denn die neuen Abgastests bestehen Wagen mit Dieselantrieb nur, wenn die Hersteller aufwendigere und damit deutlich teurere Abgasreinigungsanlagen einbauen. Fachleute rechnen mit Mehrkosten von mindestens 1000 Euro pro Fahrzeug. Die neue Technik wiederum benötigt, um die gefährlichen Stickoxide mithilfe von Katalysatoren in unschädlichen Stickstoff und Wasser umzuwandeln, jede Menge Harnstoff – an der Tankstelle euphemistisch AdBlue genannt.

Je nach Anbieter kostet die ammoniakhaltige Flüssigkeit aktuell um drei Euro pro Liter, und entsprechend ausgerüstete Motoren benötigen je nach Fahrweise vier bis sechs Prozent des Dieselverbrauchs, um die Abgase zu entgiften. Doch nicht nur das treibt die Kosten. Auch der erforderliche Zusatztank sowie Dosier- und Einspritztechnik verteuern den Selbstzünder, und dazu kommt noch der für eine sauberere Verbrennung des Treibstoffs erforderliche Mehrverbrauch. Um rund ein Fünftel mehr Sprit könnte dann in den Zylindern verbrennen.

Schock für Schock

Und als reiche das nicht schon als Kostentreiber, will die EU-Kommission nicht nur RDE-Tests einführen. Zudem soll ein neuer alltagsnäherer Testablauf im Labor den bisherigen, für seine Realitätsferne gescholtenen Prüfzyklus ersetzen. Jedes neue Modell durchläuft damit künftig mindestens zwei Prüfverfahren, bevor die Hersteller es verkaufen können. Er kommt mit der nächsten Abgasnorm, Euro 6c, die ab September 2017 für alle neuen Automodelle und ab 2019 auch für Neuzulassungen älterer, bereits genehmigter Fahrzeugtypen gilt. Weil die Wagen dabei schneller und länger fahren, rechnet etwa der Verband der Automobilindustrie (VDA) damit, dass die neue Messmethode den offiziellen Verbrauchswert nochmals um bis zu 20 Prozent hebt.

Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa

Entsprechend harsch fallen die Reaktionen auf die jüngsten Beschlüsse etwa bei Matthias Wissmann aus. Der VDA-Präsident, der vehement für eine deutlich größere Spanne zwischen Labor- und Realverbrauch geworben hatte, spricht von „großen technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen für Hersteller und Zulieferer“. Jürgen Resch hingegen, Chef der Deutschen Umwelthilfe und derzeit schärfster Widersacher der Automobilindustrie, beklagt, dass Brüssel auch künftig einen vier Mal so hohen Stickoxidausstoß erlaubt wie die USA. Volker Noeske, Leiter des Dekra Automobil Test-Centers im brandenburgischen Klettwitz, trifft vermutlich die Mitte: Er hält die Grenzwerte für „sportlich, aber gangbar: Es hätte für die Autobauer schlimmer kommen können.“

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