Bildung und Forschung Von China lernen, heißt siegen lernen

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Autorin Chua sieht darin die Folgen zweier schwerwiegender Fehler der westlichen Erziehung. Zum einen werde fast ausschließlich über positive Anreize motiviert, doch das Zuckerbrot funktioniert eben nicht ohne Peitsche, fördern nicht ohne fordern. „Chinesische Eltern haben den westlichen zweierlei voraus: Höher fliegende Träume für ihre Kinder und mehr Achtung vor ihnen insofern, als sie wissen, wie viel sie ihnen zutrauen können“, so Chua. Auch Gymnasiallehrer Kraus bemängelt: „Die Einforderung von Leistung ist bei uns fast schon zum Tabu geworden.“

Der Bildungsforscher Klaus Klemm von der Universität Duisburg-Essen verweist zudem auf ein zweifelhaftes Paradigma deutscher Bildungspolitik: Optimiert werden Ressourcen, nicht Ergebnisse. So lautet eine typische Forderung in den von der Schulpolitik geprägten Landeswahlkämpfen: mehr Lehrer, kleinere Klassen, individuelle Förderung. Die Bildungsinvestitionen des Konjunkturpakets flossen ausnahmslos in die schulische Infrastruktur, Anreize für eine Erhöhung der Unterrichtsqualität sucht man vergebens. Dabei ist wissenschaftlich gut belegt, dass es keinen positiven Einfluss von größeren Kapazitäten auf den Bildungserfolg gibt. In der Pisa-Siegerstadt Shanghai liegt die normierte Schülerzahl pro Klasse bei 50, in Deutschland sind es weniger als 30.

Fehlende Lernbereitschaft

Das Festhalten an den längst widerlegten Zielgrößen verweist auf das vielleicht größte Manko der deutschen Bildungspolitik, den Mangel an Lernbereitschaft. Während China sich seit Jahren darauf konzentriert, an den eigenen Schwächen zu arbeiten und von den erfolgreichen Elementen westlicher Bildungspolitik zu lernen, wird hierzulande schon der Vergleich mit dem Reich der Mitte als unzulässig abgewiesen. Dabei lohnt sich der Blick nach China, unabhängig von kulturellen Differenzen; so konsequent und schlüssig wurde in den vergangenen Jahren wohl nirgendwo Bildungsreform betrieben.

Im jüngst verabschiedeten Fünfjahresplan ist eine Steigerung der Ausgaben für Bildung um mehr als 16 Prozent vorgesehen, das ist mehr als in jedem anderen Politikfeld. Zwischen 2000 und 2008 stieg die Zahl der Studenten im Land bereits von 4,7 auf 26,5 Millionen. Seit 1999 steigert das Land seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung jährlich um 20 Prozent. Möglich wird dieses Wachstum unter anderem über die enge Vernetzung zwischen Universitäten und Unternehmen. Ideologische Berührungsängste spielen hier kaum eine Rolle, so dass die Forschung viel stärker an wirtschaftlichen Erfolgsaussichten orientiert werden kann.

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