Bionik Die Natur als Erfinder

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Das Vorbild für diesen Kletterroboter ist eine Ratte

Genau darauf setzt auch der Mediziner Hartmut Witte, der das Fachgebiet Biomechatronik am Institut für Mikrosystemtechnik, Mechatronik und Mechanik an der Technischen Universität Ilmenau leitet. Nach dem Vorbild der Ratte hat er im Projekt InspiRat mit dem Ilmenauer Sensorik- und Robotikunternehmen Tetra einen nur 1,1 Kilogramm leichten Kletterroboter gebaut, der selbstständig durch Kabelschächte kriecht und mithilfe einer Minikamera Schäden an Leitungen sucht.

Seit dem von einem Kabelbrand verursachten Großbrand des Düsseldorfer Flughafens würden solche Inspektionen viel ernster genommen, sagt Witte, doch sehen die Menschen in die meist nur armdicken Schächte nicht weit genug hinein. Das ist die Stunde der Kletterroboter. Ohne sie bliebe oft nur, die Schächte aufzubrechen oder aufzuschrauben.

Empfindlich wie echte Haut

Wittes Mitarbeiter entwickeln auch medizintechnische Hilfsmittel. Etwa eine der Haut nachempfundene Bettunterlage, die das Wundliegen von Patienten verhindern soll. Bisher gibt es Unterlagen, die sich nach einem vorgegebenen Muster immer wieder aufpumpen und dann Luft ablassen. Das neue Modell soll wie echte Haut fühlen können und bestimmte Parameter in der Haut des Patienten messen, etwa die Durchblutung. Ist diese schlecht, droht Wundliegen, also muss die Matte genau hier mit ihrem massierenden Auf und Ab beginnen.

Dass es so lange gedauert hat, bis Wissenschaftler, Techniker, Mediziner und Manager die biologischen Vorbilder neu entdeckten, liegt zu großen Teilen an der technischen Machbarkeit von miniaturisierten Nachbauten.

Aber das ist nicht der einzige Grund, meint der in St. Gallen lehrende Management-Vordenker Fredmund Malik. Es habe auch mit einer gewissen Überheblichkeit der Menschen gegenüber der vermeintlich tumben Natur zu tun, die während der Industrialisierung entstanden sei: „Erst die sich häufenden Rückschläge der jüngsten Zeit – sei es auf technischem, wirtschaftlichem oder medizinischem Gebiet – haben die Frage aufgeworfen, wie es die Natur über so viele Jahrmillionen geschafft hat, nicht nur ihre Existenz zu sichern, sondern sich zudem permanent zu immer höheren Lebensformen weiterzuentwickeln.“

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