Bionik Die Natur als Erfinder

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Der Schwarzekiefernprachtkäfer ist Vorbild für Feuermelder

Im echten Leben begegnen Bionik-Forscher dieser Überheblichkeit noch immer, klagt Jürgen Bertling, Leiter des Geschäftsfelds Spezialwerkstoffe am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen. Er entwickelt nach dem Vorbild von nachwachsenden Nagetierzähnen Messer, die sich selbst schärfen. Wenn er seinen potenziellen Kunden, den Messerherstellern oder Werkzeugmaschinenbauern, von diesen im Wortsinne rattenscharfen Messern erzählt, wird er zunächst belächelt. Das sei ja niedlich, heißt es dann immer.

Mehr Schärfe spart Energie

Wenn der Chemietechnik-Ingenieur dann aber erklärt, wie die Kombination aus einer harten und einer weichen Schicht die Schneidkante bei jedem Biss schärft – und wie sich das Konzept in Stahl und Keramik übersetzen ließe, schrecken die meisten zurück, weil die Natur angeblich so komplex sei, dass sie sich ohnehin nicht nachbauen lasse.

Doch Bertling ließ sich nicht schrecken. Er hat inzwischen ein Messer für Industriemaschinen entwickelt, das Kunststoffteile, Gummidichtungen, Spanplatten oder Metall schneidet. Bisher müssen diese oft nach wenigen Stunden ausgetauscht werden, weil sie stumpf sind. Beim Tausch geht wertvolle Maschinenlaufzeit verloren. Bertlings Messer halten viel länger.

Anfangs werden sie beim Schneiden zudem tatsächlich schärfer. Das spart Energie. Klassische Messer beginnen nach kurzer Zeit eher zu reißen und zu hacken, statt zu schneiden. Wie bei einem stumpfen Küchenmesser muss dann auch die Maschine mehr Druck aufbauen, um das Material klein zu kriegen. Der Energieverbrauch steigt.

Im Vergleich zeigte sich: Bertlings Messer wurden während ihrer Gesamtlebenszeit um 16 Prozent schärfer, klassische Messer dagegen um 200 Prozent stumpfer. Und noch ein positiver Effekt: „Unsere Schneidekanten sehen bis zum Schluss sauber und glatt aus“, sagt Bertling.

Der Forscher hat allerdings ein gravierendes Problem: Die meisten Messerhersteller haben gar kein Interesse an solchen langlebigen Materialien, die ihren Messer-Absatz schmälern könnten. Doch Bertling ist überzeugt, dass solche Innovationen sich zwar eine Zeit lang ignorieren ließen, aber „aufhalten lassen sie sich nicht“.

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