Biotechnologie Genmanipulation selbst gemacht

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Gentechnik am Küchentisch: Quelle: dpa

Katherine Aull aus Cambridge hat Bakterien etwas anderes beigebracht: Sie könnten simple logische Operationen ausführen und wären damit Vorläufermodelle von Bio-Computern, behauptet die Feierabend-Tüftlerin. Sie ist vom Fach: Tagsüber arbeitet sie in einem Biotech-Unternehmen. Ihr Heim-Labor, das kaum einen Quadratmeter in ihrer Wohnung einnimmt, baute sie selbst zusammen. Ein Wettbewerb auf der Science-Fiction-Seite io9.com brachte sie auf die Idee. Der richtete sich an „verrückte Wissenschaftler mit Besenschrank-Laboren und Garagen-Genom-Hacker“.

In Anlehnung an die Computer-Hacker-Szene, die die Entwicklung von Personal Computern dramatisch beschleunigt hat, nennen sich die Hobby-Genetiker gerne Bio-Hacker. Und weil Entwicklungen wie der Apple-Computer oder die Suchmaschine Google von Tüftlern in ihren Garagen-Firmen erdacht wurden, hoffen Menschen wie DIYbio-Gründer Cowell, dass einige ihrer Jünger den Grundstein zu großen Biotech-Imperien legen werden.

All das sei nur eine Frage uneingeschränkter Kreativität, sagt Cowell: „Wir sollten Wissenschaft mehr Sexappeal verleihen und sie mit mehr Spaß betreiben, eher wie ein Spiel.“ Je mehr Menschen mitspielten, desto besser seien die Ergebnisse. Eine sinnvolle Erfindung kam tatsächlich auf den ersten Platz beim Mad-Science-Award von io9: Vijaykumar Meli, Student am Zentrum für Pflanzengenetik im indischen Neu-Delhi designte Bakterien, die Reis-Pflanzen helfen, Nährstoffe effektiver zu verarbeiten, was Dünger spart.

Kein einziges Biotech-Unternehmen entstand in einer Garage

Allerdings ist es vom gentechnisch veränderten Bakterium bis zum marktreifen Produkt ein weiter Weg. Auch bei der Entwicklung eines neuen Impfstoffs vergehen vom ersten Wirksamkeitsnachweis bis zur Pillenpackung viele teure Forschungsjahre. Bisher entstand deshalb kein einziges Biotech-Unternehmen in einer Garage. Tatsächlich ist es heute aber viel einfacher als in der Anfangszeit der Biotechnologie einen Organismus komplett synthetisch im Labor zusammenzusetzen und zum Leben zu erwecken. Der aus Deutschland stammende und in New York forschende Eckard Wimmer hatte das vor sieben Jahren an einem Polio-Virus, dem Erreger der Kinderlähmung, vorgemacht. Er führte drastisch vor Augen, wie einfach es ist, einen krankmachenden oder sogar tödlichen Organismus neu zu schaffen.

Die Sorgen über Bio-Hacker wachsen

Heute ist die sogenannte synthetische Biologie ein schnell wachsendes Forschungsfeld. Die Hobby-Genetiker seien allerdings noch Lichtjahre davon entfernt, solche Kreaturen in ihren Küchen-Labors zu erzeugen, beruhigt Heinz Schwer, Chef des Gen-Synthese-Unternehmens Sloning bei München und stellvertretender Vorsitzender des deutschen Industrieverbandes Synthetische Biologie. Die Techniken, die zu Hause gut klappen, stellten eher den Stand der Technik der Siebzigerjahre dar.

Dennoch regt sich sogar im liberalen Amerika die Sorge, dass Bio-Hacker in ihrer enthemmten Schaffensfreude nicht nur sich selbst gefährden, weil viele der von ihnen verwendeten Substanzen giftig oder krebserregend sind, sondern dass sie dabei auch großes Unheil anrichten könnten. Unerfahrene Küchentisch-Genetiker, die ohne Kontrolle von einer Institution oder von Kollegen vor sich hinbastelten, stellten ein Gesundheitsrisiko für die Allgemeinheit dar, meinen erste hauptberufliche Forscher.

Um einem Verbot zuvorzukommen, hat DIYbio beschlossen, sich selbst Regeln zu geben. Unerwartete Hilfe kommt vom Harvard-Professor George Church, der über synthetische Biologie forscht. Er hatte noch 2004 gewarnt, dass ein Missbrauch der Technik so dramatische Folgen haben könne wie die Entwicklung der Atombombe.

Doch nun sagt er, dass sowohl die Energiekrise als auch die Krise der Gesundheitssysteme mit synthetischer Biologie gelöst werden könnten: „Je mehr Menschen daran mitarbeiten, desto besser.“ Außerdem hält Church es für sicherer, ein Auge auf DIYbio und ähnliche Zirkel zu werfen, sie zu begleiten und zu beraten: „Es wird sowieso passieren, also können wir sie in den Untergrund treiben oder der Sache einen Rahmen geben.“  

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