Biotechnologie Genmanipulation selbst gemacht

In den USA basteln immer mehr Hobby-Biotechnologen an den Genen von Bakterien und Viren. Doch wenn die Feierabend-Genetiker am Küchentisch ihre Gartenpflanzen optimieren, gefährden die Bio-Hacker sich und ihre Umwelt.

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Der Bund für Naturschutz in Quelle: AP

Haben Sie in diesem Frühjahr Lust auf etwas Besonderes in Ihrem Garten? Vielleicht eine Petunie in völlig verrückten Farben? Die können Sie jetzt selbst basteln. Mit etwas biologischem Sachverstand, ein paar Reagenzien wie Enzymen oder Nährmedien sowie einem Mini-Labor für zu Hause ist das Herstellen von gentechnisch veränderten Pflanzen oder Mikroben gar nicht so schwer. Für den Anfang könnten Sie das Manipulieren von Genen ja erst einmal an einem Bakterium üben.

Eine wachsende Zahl von Hobby-Biotechnologen hat in den USA das „Bio-Engineering“ zum Freizeitvergnügen erkoren und betätigt sich am heimischen Küchentisch als Feierabend-Genetiker – zum einen, weil ihnen das Biotech-Basteln Spaß macht. Zum anderen, um sinnvolle Dinge wie Testsysteme für Gifte in Lebensmitteln zu entwickeln. Die moderne Mischung aus Biochemie-Baukasten und Heimgärtnerei birgt allerdings auch Gefahren.

In Deutschland ist es ohnehin verboten, außerhalb spezieller Sicherheitslabors solche gentechnischen Veränderungen an Bakterien, Pflanzen oder Tieren vorzunehmen. Schließlich ist es heute auch möglich, Krankheitserreger im Labor künstlich herzustellen. Und was im Labor geht, geht eines Tages auch am Küchentisch.

Beim heimischen Bio-Basteln hört für die Genlobby der Spaß auf

„Das Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen muss in jedem Fall reglementiert und kontrolliert werden“, findet sogar Jens Katzek, Geschäftsführer der BIO-Mitteldeutschland in Halle – einer Organisation, die sich sonst vehement für mehr Freizügigkeit im Umgang mit der Biotechnik und vor allem für den Anbau von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen einsetzt. Beim heimischen Bio-Basteln hört für Katzek der Spaß allerdings auf: „Ich finde das sehr beunruhigend.“

Es ist so ähnlich wie beim Bomben-Basteln

Doch wie in den USA sind Biotech-Basteleien auch in Deutschland möglich, darin sind sich Praktiker und Sicherheitsexperten einig. Zwar verkaufen die Lieferanten von Labor-Geräten und Reagenzien in der Regel nicht an Privatkunden, sondern nur an Unternehmen oder Forschungseinrichtungen. Doch wer einen Gewerbeschein hat, gilt bei vielen Lieferanten schon als Unternehmen.

Zur Not fragt man einen Studenten oder Mitarbeiter an einer Universität, ob er etwas mitbestellt. Beim Kaufen und Verkaufen von Utensilien würde sich auch noch niemand strafbar machen. Erst das Manipulieren der Organismen ist verboten. Es ist so ähnlich wie beim Bomben-Basteln: Der Erwerb der Zündschnur ist legal, nur das Zusammensetzen eines Sprengkörpers nicht.

In den USA ist Biotech für jedermann dagegen bis hin zur Genmanipulation ganz legal, solange man keinen Schaden anrichtet oder versucht, Bio-Waffen zu bauen. In einigen Universitätsstädten treffen sich interessierte Laien bereits zu regelrechten Gentech-Kochkursen und organisieren sich in Clubs wie DIYbio, was für „do it yourself biology“ steht. In der US-Biotechnik-Hochburg Cambridge, wo DIYbio im vorigen Mai gegründet wurde, entsteht gerade ein öffentliches Labor, das Chemikalien und Labor-Ausstattung für die Besucher bereithalten soll, sodass sie nach Herzenslust werkeln können. Schon jetzt stehen auf der DIYbio-Web-Site zahlreiche Tipps, wie sich das Biotech-Labor für zu Hause am günstigsten zusammenstellen lässt.

Dabei wollen die Hobby-Biotechnologen Gene nicht nur zum Spaß manipulieren. „Sie können ganz nebenbei auch wichtige Erfindungen machen, die der Menschheit im Kampf gegen Hunger und Krankheiten hilft“, sagt DIYbio-Mitgründer Mackenzie Cowell. Der 24-Jährige, der Biologie am College absolvierte, träumt davon, dass die sich gerade etablierende Szene der Graswurzel-Genetiker neue Impfstoffe oder super-effiziente Bio-Kraftstoffe hervorbringen werde. Genauso gut könnten die Bio-Amateure aber auch Quallen-Gene benutzen, um selbstleuchtende Tattoos zu entwickeln, was Cowell ganz spaßig findet.

Genau solche Gene, die es Organismen erlauben, aus eigener Kraft zu glimmen – oder zu fluoreszieren, wie es korrekt heißt – haben es Meredith Patterson angetan. Die 31-jährige Software-Programmiererin aus San Francisco hat sogenannte GFP-Gene in Joghurt-Bakterien eingebaut. Mit dem grünen Schein des Green-Fluorescent-Proteins will sie nicht den Kühlschrank beleuchten, sondern einen alltagstauglichen Test für die giftige Chemikalie Melamin entwickeln, mit der jüngst chinesische Babymilchprodukte verseucht waren. Dazu koppelt sie einen Malamin-Rezeptor ans GFP-Gen. Die so präparierten Joghurt-Bakterien werden leuchten, sobald sie Melamin aufspüren. Weil kein Labor auf der Welt so etwas entwickelte, macht sie es selbst.

Die Programmiererin beschaffte sich Literatur und holte sich Tipps in Online-Foren. Die Quallen-Gene bestellte sie für weniger als 100 Dollar bei einem Biotech-Spezialanbieter. Und das Material für ihre selbstgebaute Gel-Elektrophorese-Kammer, mit der sie das Erbgut – die DNA – analysiert, kostete weniger als 25 Dollar. Um das Erbgut in die Bakterien hineinzubekommen, funktionierte sie einen 40 Dollar teuren Schmuck-Reiniger um. Seine Ultraschall-Wellen erzeugen Löcher in den Zellwänden der Bakterien. Sie bleiben lange genug geöffnet, um die Quallen-DNA in die Joghurt-Bakterien eindringen zu lassen.

Gentechnik am Küchentisch: Quelle: dpa

Katherine Aull aus Cambridge hat Bakterien etwas anderes beigebracht: Sie könnten simple logische Operationen ausführen und wären damit Vorläufermodelle von Bio-Computern, behauptet die Feierabend-Tüftlerin. Sie ist vom Fach: Tagsüber arbeitet sie in einem Biotech-Unternehmen. Ihr Heim-Labor, das kaum einen Quadratmeter in ihrer Wohnung einnimmt, baute sie selbst zusammen. Ein Wettbewerb auf der Science-Fiction-Seite io9.com brachte sie auf die Idee. Der richtete sich an „verrückte Wissenschaftler mit Besenschrank-Laboren und Garagen-Genom-Hacker“.

In Anlehnung an die Computer-Hacker-Szene, die die Entwicklung von Personal Computern dramatisch beschleunigt hat, nennen sich die Hobby-Genetiker gerne Bio-Hacker. Und weil Entwicklungen wie der Apple-Computer oder die Suchmaschine Google von Tüftlern in ihren Garagen-Firmen erdacht wurden, hoffen Menschen wie DIYbio-Gründer Cowell, dass einige ihrer Jünger den Grundstein zu großen Biotech-Imperien legen werden.

All das sei nur eine Frage uneingeschränkter Kreativität, sagt Cowell: „Wir sollten Wissenschaft mehr Sexappeal verleihen und sie mit mehr Spaß betreiben, eher wie ein Spiel.“ Je mehr Menschen mitspielten, desto besser seien die Ergebnisse. Eine sinnvolle Erfindung kam tatsächlich auf den ersten Platz beim Mad-Science-Award von io9: Vijaykumar Meli, Student am Zentrum für Pflanzengenetik im indischen Neu-Delhi designte Bakterien, die Reis-Pflanzen helfen, Nährstoffe effektiver zu verarbeiten, was Dünger spart.

Kein einziges Biotech-Unternehmen entstand in einer Garage

Allerdings ist es vom gentechnisch veränderten Bakterium bis zum marktreifen Produkt ein weiter Weg. Auch bei der Entwicklung eines neuen Impfstoffs vergehen vom ersten Wirksamkeitsnachweis bis zur Pillenpackung viele teure Forschungsjahre. Bisher entstand deshalb kein einziges Biotech-Unternehmen in einer Garage. Tatsächlich ist es heute aber viel einfacher als in der Anfangszeit der Biotechnologie einen Organismus komplett synthetisch im Labor zusammenzusetzen und zum Leben zu erwecken. Der aus Deutschland stammende und in New York forschende Eckard Wimmer hatte das vor sieben Jahren an einem Polio-Virus, dem Erreger der Kinderlähmung, vorgemacht. Er führte drastisch vor Augen, wie einfach es ist, einen krankmachenden oder sogar tödlichen Organismus neu zu schaffen.

Die Sorgen über Bio-Hacker wachsen

Heute ist die sogenannte synthetische Biologie ein schnell wachsendes Forschungsfeld. Die Hobby-Genetiker seien allerdings noch Lichtjahre davon entfernt, solche Kreaturen in ihren Küchen-Labors zu erzeugen, beruhigt Heinz Schwer, Chef des Gen-Synthese-Unternehmens Sloning bei München und stellvertretender Vorsitzender des deutschen Industrieverbandes Synthetische Biologie. Die Techniken, die zu Hause gut klappen, stellten eher den Stand der Technik der Siebzigerjahre dar.

Dennoch regt sich sogar im liberalen Amerika die Sorge, dass Bio-Hacker in ihrer enthemmten Schaffensfreude nicht nur sich selbst gefährden, weil viele der von ihnen verwendeten Substanzen giftig oder krebserregend sind, sondern dass sie dabei auch großes Unheil anrichten könnten. Unerfahrene Küchentisch-Genetiker, die ohne Kontrolle von einer Institution oder von Kollegen vor sich hinbastelten, stellten ein Gesundheitsrisiko für die Allgemeinheit dar, meinen erste hauptberufliche Forscher.

Um einem Verbot zuvorzukommen, hat DIYbio beschlossen, sich selbst Regeln zu geben. Unerwartete Hilfe kommt vom Harvard-Professor George Church, der über synthetische Biologie forscht. Er hatte noch 2004 gewarnt, dass ein Missbrauch der Technik so dramatische Folgen haben könne wie die Entwicklung der Atombombe.

Doch nun sagt er, dass sowohl die Energiekrise als auch die Krise der Gesundheitssysteme mit synthetischer Biologie gelöst werden könnten: „Je mehr Menschen daran mitarbeiten, desto besser.“ Außerdem hält Church es für sicherer, ein Auge auf DIYbio und ähnliche Zirkel zu werfen, sie zu begleiten und zu beraten: „Es wird sowieso passieren, also können wir sie in den Untergrund treiben oder der Sache einen Rahmen geben.“  

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