Mobilfunk Warum Vodafone in die Krise stürzt

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Der Konzern wird gegen die Wand gefahren

Fast alle Planvorgaben der Konzernzentrale wurden deshalb verfehlt. Schulte-Bockum musste bei der Vorlage der jüngsten Quartalszahlen einen Rekordverlust von 1,6 Millionen Kunden gegenüber dem Vorjahr melden. In diesem Sog rutschten auch Umsatz und operativer Gewinn stark ab, erste Umsatzplanungen für das nächste Geschäftsjahr gehen von einem weiteren Minus von bis zu 500 Millionen Euro aus. Erstmals in seiner Geschichte sieht sich Vodafone gezwungen, ein „Freiwilligenprogramm“ aufzulegen: 600 vorwiegend ältere Mitarbeiter sollen gegen Zahlung einer Abfindung ausscheiden.

Dem Sparzwang fiel sogar die bei den Mitarbeitern so beliebte Weihnachtsfeier in Düsseldorf zum Opfer – ein Fehler, wie Schulte-Bockum heute einräumt. Denn wenige Tage später schauten die Mitarbeiter verständnislos nach London. Dort feuerte Vodafone zum Jahreswechsel als Hauptsponsor das erste multisensorische Feuerwerk über der Themse ab, das auch den Geruchssinn ansprechen sollte. Die Silvesterraketen hüllten die Stadt nicht nur in Lichterglanz, sondern auch in eine Erdbeer-Wolke. Umgerechnete zwei Millionen Euro soll das Spektakel gekostet haben.

Vodafone-Deutschlandchef Jens Schulte-Bockum Quelle: dpa

Hinter den Kulissen in der neuen Düsseldorfer Schaltzentrale brodelt es nicht nur bei der Belegschaft. „Im Aufsichtsrat sind einige sehr laut geworden und haben gefordert, dass die Kundenverluste gestoppt werden müssen“, verrät ein Mitglied des Kontrollgremiums. Die Forderung an Schulte-Bockum: Der Rückstand zur Telekom darf nicht noch größer werden.

Hochrangige Manager äußern sich noch deutlicher. „Humm und Schulte-Bockum fahren das Unternehmen gegen die Wand“, schimpft einer, der schon viele stürmische Zeiten erlebt hat, aber jetzt mit großer Sorge auf den desolaten Zustand des Unternehmens blickt.

Auf den Fluren des Düsseldorfer Campus wird längst darüber spekuliert, wie lange Schulte-Bockum noch bleibt. „Sein Stuhl wackelt“, sagt ein langjähriger Mobilfunkmanager, der nicht genannt werden möchte. „Wenn es in den kommenden Monaten keine Trendwende gibt, ist Schulte-Bockum nicht mehr zu halten.“

In welche Fallen Deutschland-Chef Schulte-Bockum tappte

Die Mitarbeiter zeigen dem Top-Management bereits die rote Karte. Nur noch 27 Prozent der Beschäftigen vertrauen den Entscheidungen der obersten Führungsriege, 21 Prozentpunkte weniger als bei der letzten Mitarbeiterbefragung kurz nach Schulte-Bockums Amtsantritt vor einem Jahr. Lediglich die direkten Vorgesetzten bekommen weiterhin großen Zuspruch. Solch ein mieses Abstimmungsergebnis hat es noch nie für die Chefs auf der 18. Etage gegeben.

Was sind die Gründe für die plötzliche Revolte von Kunden und Mitarbeitern? Welche Stellschrauben in dem früher grandios laufenden Mobilfunkgeschäft hat das Top-Management falsch gedreht, damit es zu solch einem Absturz des einstigen Champions kommen konnte. Die WirtschaftsWoche warf einen Blick hinter die Kulissen, sprach mit Mitarbeitern, Führungskräften und Arbeitnehmervertretern. Die vielen Puzzlesteine ergeben das Bild eines zerrütteten Unternehmens, dessen Mitarbeiter der Geschäftsführung eine schnelle Kehrtwende kaum noch zutrauen.

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