Er wollte sich frei fühlen wie ein Vogel, bis die Polizei ihn festnahm: Hobbyfilmer Sean Riddle verlor Anfang Februar die Kontrolle über seine KameraDrohne – mitten in New York. Der Flieger krachte ans Empire State Building, stürzte ab. Verletzt wurde niemand, aber Riddle droht eine Geldstrafe.
Geht es nach Frank Wang, sind solche Unfälle bald perdu. Der Gründer des chinesischen Drohnenherstellers DJI stellte vergangene Woche in New York ein Modell mit Kollisionsschutz vor: Zwei Kameras in der Phantom 4 scannen Hindernisse, die bis zu 20 Meter weit weg sind. Steuert der Besitzer die Drohne auf eine Wand zu, stoppt sie kurz vorher. Steht ein Baum im Weg, weicht sie aus.
Bewährt sich die Anti-Crash-Technik, werden Drohnen zu fliegenden Robotern, die bald keinen Piloten mehr brauchen. Neben DJI will demnächst auch der chinesische Kontrahent Yuneec ein Fluggerät mit Ausweich-Automatik auf den Markt bringen. Teile der Technik entwickelte Ascending Technologies aus Krailling bei München, die Firma gehört seit Anfang Januar zum Chiphersteller Intel. „Kollisionsvermeidung wird im Drohnenmarkt das Thema des Jahres“, sagt Matthias Beldzik, Marketingchef bei Ascending Technologies.
Inventur im Vorbeifliegen
Das macht nicht nur Hobbyflüge sicherer, sondern auch neue kommerzielle Einsätze möglich: Robotikforscher der Züricher Universität entwickeln Drohnen, die im Wald selbstständig nach Vermissten suchen.
Das US-Start-up Windspect baut Flieger zur Inspektion von Windrädern, die automatisch Risse, Wasserablagerungen oder Lackschäden erkennen. Am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund wiederum testen Forscher Drohnen, die im Warenlager zur Inventur einschwirren: Im Vorbeifliegen scannen sie Barcodes und RFID-Chips von Teilen und Paketen – ohne irgendwo anzuecken.
Möglich wird der Trend zum Autopilot vor allem durch drei Entwicklungen: Erstens sind die Preise für Sensoren und Kameras massiv gesunken. Ein Gyroskop etwa, das die Neigung einer Drohne misst, kostete 2011 noch 15 Dollar – 2015 nur noch 1,80 Dollar.
Zweitens sind Computerchips leistungsstark genug geworden, um Videobilder in Echtzeit zu analysieren und etwa Objekte darin zu erkennen. Und drittens hat seit 2011 das so genannte Deep Learning, eine Technik der künstlichen Intelligenz, die Bilderkennung bei Computern massiv verbessert: Schnelle Rechner erkennen Gegenstände inzwischen so gut wie Menschen.
Drohne überwacht die Wohnung
Dadurch kann eine Drohne von Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA heute schon mit Tempo 50 durch einen Wald fliegen. Und DJIs neue Phantom 4 verfolgt und filmt auf Wunsch Jogger, Fahrradfahrer oder Skifahrer aus der Luft.
Der Nutzer tippt dazu auf dem Handybildschirm einfach auf den Protagonisten, den der Miniflieger im Blick behalten soll. Die Drohne fliegt auf Wunsch dabei auch eine 360-Grad-Kamerafahrt rund um den Jogger oder Radfahrer und behält ihn immer im Bildmittelpunkt. Läuft der Jogger in einen Wald, suche sich die Drohne selbständig einen Weg durchs Geäst, verspricht DJI. Der Pilot kann auch ein Flugziel vorgeben, und die Drohne fliegt selbständig dorthin – wobei sie Hindernissen ausweicht.
Drohne überwacht die Wohnung
Was vor kurzem noch als Science-Fiction-Equipment erschien, können Konsumenten heute zum Preis einer Spiegelreflexkamera kaufen (1400 Dollar). Und auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo sammeln Gründer des US-Startups Eighty Nine Robotics Geld für eine Billigdrohne, die sich per Smartphone aus der Ferne steuern lassen soll. Hausbesitzer auf Reisen, so die Idee, können mit dem Miniflieger eine Tour durch ihre Wohnung machen und schauen, ob alle Fenster geschlossen, der Herd aus und die Katze versorgt ist.
In den Laboren von Forschern weltweit sind die Ideen noch viel kühner: Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt haben Forscher eine Drohne mit einem Roboterarm kombiniert. Im Flug könnte die intelligente Maschine künftig Reparaturen durchführen, hoffen die Wissenschaftler, etwa an abgelegenen Pipelines.
Raffaello d’Andrea wiederum, Forscher an der ETZH Zürich, präsentierte unlängst auf der TED2016 Konferenz Drohnen, die sich selbständig wie Vögel zu Schwärmen formieren. Welche kommerziellen Möglichkeiten die Technik bietet, ist noch gar nicht absehbar. Vielleicht schicken Feuerwehrleute künftig dutzende Späher in brennende Gebäude, um Vermisste zu finden.
Eine weitere kuriose Idee stellten deutsche Drohnen-Entwickler neulich auf einem Wettbewerb in Dubai vor: Der MoskitoCopter, eine Drohne des Bielefelder Drohnenbauers Height Tech, soll in Entwicklungsländern eine halbe Million sterile Moskitos über Sümpfen freilassen – um damit die Fortpflanzungsrate der Insekten zu senken. Das Kalkül: Je weniger Mücken, desto weniger Menschen können sich mit Malaria anstecken. Im Himmel, so scheint es, werden Vögel und Insekten bald reichlich Besuch bekommen.