"Dalla Corte Mini" im Test Espresso zubereiten wie die Profis

Espresso zu kochen ist einfach, einen guten weit schwieriger. Nur wer alle Parameter unter Kontrolle hat, kann Profis die Stirn bieten. Die Dalla Corte Mini macht einem das leicht, findet WirtschaftsWoche-Redakteur Thorsten Firlus.

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Dalla Corte Mini Quelle: Hersteller

Wenn Sie sich über einen braunen, warm dampfenden Auswurf beugen, ihn penibel untersuchen und die Konsistenz mit einem Druck des Zeigefingers überprüfen, dann gehören Sie zur stetig wachsenden Gemeinschaft der Hobby-Baristas. Das sind Menschen, die daheim versuchen, die gleiche Espresso-Qualität zu erzielen wie sie zwischen Bozen und Brindisi an jeder besseren Autobahnraststätte geboten wird. In Deutschland findet man sie mit Glück in italienischen Eiscafés, aber fast nie in der Sternegastronomie.

Ich bin nach Jahren der Treue zu Herdkanne und manuellem Aufschäumer in das Thema hineingetaucht und fast ersoffen in den Details. „Channeling“, „NSWE“, „Temperatursurfen“ – die im Internet organisierte Kaffeegemeinde diskutiert von den Abdrücken im Kaffeesatz über die Richtung, mit der der Rand des Siebträgers freigewienert wird, bis zum richtigen Zeitpunkt für den „Bezug“ des Espresso während der Heizphase des Automaten jede Winzigkeit. Die allermeisten für den Haushalt geeigneten Maschinen arbeiten mit ähnlicher Technik, die „Chrombomber“ genannten Maschinen mit dem gängigsten Brühkopf, dem Typ „E 61“, blitzen in den Auslagen der Geschäfte. Evolution hat diesen Markt im Griff. Zu den spielentscheidenden Faktoren gehört die Temperatur, mit der das Wasser durch den Kaffee gepresst wird. Die Dalla Corte Mini ( 1980 Euro, www.dallacorte.com) besitzt am Gehäuse einen Drehschalter, mit dem die Temperatur des für den Espresso benutzten Boilers verändert werden kann, der zweite Boiler produziert den Wasserdampf fürs Milchaufschäumen. Denn unterschiedliche Kaffee-Sorten erfordern unterschiedliche Temperaturen. Die Art des Wassers, selbst die Luftfeuchtigkeit ändern den Geschmack, argumentieren die Freaks. Die optisch auffällige Carbon-Verkleidung des Brühkopfes sollen zusammen mit Sensoren eine hohe Stabilität der Temperatur garantieren. Denn zu kalt schmeckt’s nicht, zu heiß aber schon gar nicht, denn da verbrennt der Kaffee schon beim Brühen.

Selbstverständlich ist eine Mühle nötig, denn so fein, wie der Kaffee gemahlen werden sollte, liefert ihn kein Hersteller. Es hat mich keine zwei Espressi mit fertig gemahlenem Kaffee gekostet, dies herauszufinden.

Nach knapp 30 Tassen Espresso habe ich eine Kombination aus Mahlgrad (mehlfein), Anpressdruck des losen Mehls im Siebträger (als ob ich eine Kiste Wasser verschieben will), der korrekten Zeit der Preinfusion, in der das Mehl entweder zwei oder vier Sekunden vor dem eigent-lichen Bezug angefeuchtet wird und schließlich der Temperatur (93 Grad Celsius) an der Dalla Corte Mini gefunden, die etwa 30 Milliliter Espresso dunkelbraun und sämig in etwa einer halben Minute in die Tasse laufen lässt. Mit dem kräftigen Dampf aus dem zweiten Boiler der Maschine ließe sich ein kleines Hammam füllen.

Dann begann die Experimentierei – und die Zeit des Leidens. Die zweite Bohnensorte liefert zwar ordentlich Crema, durch die der Zucker nur in Zeitlupe durchrutscht, aber die Säure verdirbt das Vergnügen. Die nun immer öfter im Büro erscheinenden Kollegen beruhigen mich, dass sei alles ganz großer Cappuccino. Lediglich die Espresso-Schwarz-Trinker verstehen mein Leid. Mein Wunsch nach einem starken, harmonischen und säurearmen Espresso rutscht nach den Anfangserfolgen wieder in weite Ferne. Die Temperatur ändere ich mal sacht, mal entschlossen. Und in der Tat: Das Getränk ändert sich, mal zum Guten, mal zum Schlechten. Doch leider erreiche ich erst ein Kilo Bohnen später mit einer neuen Sorte wieder das gewünschte Resultat. Auf Anhieb ein gutes Ergebnis, das minimale Justieren der Temperatur bringt letzte Verbesserungen. Der Umgang mit der Dalla Corte wird selbstverständlicher, immer stärker mutiert sie zum zuverlässigen Partner auf der Suche nach dem perfekten Espresso. Sie bewältigt großen Andrang spielend, trägt ihren Teil zuverlässig bei und macht Bohne und Mensch zur Variablen. Nach gut viereinhalb Kilo Kaffee bleibt die Erkenntnis: „Never change a winning bean.“

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