Die Schweinegrippe und das Golfkriegssyndrom Krisenkommunikation per Kettenmail

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Die Verbindung zwischen Squalen und dem Golfkriegssyndrom ist wissenschaftlich extrem dünn

Es kommentiert WirtschaftsWoche-Redakteurin Susanne Kutter

Die Ärztin antwortete tatsächlich. Doch was sie schrieb, entsetzte mich ziemlich. Denn einerseits gab sie unumwunden zu, dass sie diese Informationen weder selbst erarbeitet, recherchiert noch fachlich fundiert beurteilt hatte: „Ich habe nicht viel dazu beigetragen, ich gebe die Informationen nur weiter...“ Denn: „Jeder soll sich eine Meinung bilden können...“ Na prima.

Was sie als Quellen nannte, ließ mir dann vollends die Haare zu Berge stehen. Sie bezieht sich vor allem auf www.toxcenter.de – eine Seite, die vom Münchner Zahnarzt Max Daunderer initiiert ist. Daunderer ist der Amalgam-Papst der 80er Jahre, er war der erste, der nachwies, dass es eine Allergie gegen Amalgam und seine Bestandteile gibt. Ich habe ihn selbst mehrfach interviewt - und damals auch sehr geschätzt. Inzwischen ist er aber auf der Seite der dogmatischen Impfgegner angekommen. So findet man auf seiner Webpage auch die Behauptung, die Spanische Grippe 1918/1919 hätte es nie gegeben, wer starb – immerhin 20 Millionen Menschen– , sei einzig allein von den Ärzten durch „durch ihre groben und tödlichen Behandlungen und Medikamente“ wie die Grippe-Impfung umgebracht worden. 

Ich persönlich halte das für absoluten Irrsinn.

Auch die Verbindung zwischen Squalen und dem Golfkriegssyndrom ist wissenschaftlich extrem dünn. Die Untersuchungen, die es dazu gibt, beruhen zum Beispiel auf sehr wenigen Probanden, die in einem Fall auch noch alle handverlesen vom Studienleiter ausgewählt wurden. Er untersuchte eben jene Menschen, die zu ihm mit Problemen kamen, die sie auf die Impfung zurück führten. Das hat mit einer sauberen Zufallsstichprobe jedoch nicht das Geringste zu tun. Denn welche Aussagekraft soll eine Studie haben, in der jemand Menschen untersucht, die geimpft wurden und glauben, dass es ihnen deshalb schlecht geht – und der dann zu dem Ergebnis kommt, dass es zwischen Impfung und medizinischen Problemen einen Zusammenhang geben könnte. Das ist doch keine Wissenschaft, das ist ein Witz.

Squalen kommt zudem in Speiseölen vor und ist eine bisher als extrem unkritisch eingestufte Substanz.

Das eigentliche Problem sehe ich vor allem darin, dass Menschen, die diese Informationen von einer Ärztin bekommen, sie für glaubwürdiger halten, als wenn sie selbst über eine der ziemlich haarsträubenden Impfgegner-Seiten im Netz stolpern und sie dort finden würden. Entweder ist Frau Sacher sich dieser Tatsache nicht bewusst – dann muss sie ziemlich naiv sein. Oder sie setzt ihren Doktortitel ganz gezielt darunter, damit möglichst viele Menschen diesen Käse glauben. Dann fände ich das grotesk fahrlässig.

Leider läuft die offizielle Krisen-Kommunikation der Pandemie-Planer von Bund, Ländern und Kommunen zur Zeit dermaßen unterirdisch ab, dass viele Menschen eher solchen konspirativen Informationsquellen vertrauen, als den offiziellen Verlautbarungen von Politikern, Behörden oder gar der Hersteller selbst.

Ich habe jedenfalls inzwischen die Konsequenz gezogen und meine Familie und mich gegen die Schweinegrippe impfen lassen. Man muss sich ja nicht jeden Bären aufbinden lassen.

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