Computerspiele Wie Facebook-Spiele die Branche verändern

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Grafik: Spieler sozialer Spiele

Die Geschäfte jedoch laufen dennoch gut: Zynga veröffentlicht zwar keine Geschäftszahlen, hat aber laut Schätzungen 2009 zwischen 100 und 250 Millionen Dollar umgesetzt. Dabei interessierte sich Zynga-Chef Mark Pincus eigentlich gar nicht für Computerspiele. Vor einigen Jahren fiel ihm allerdings auf, dass „etwas im Internet seltsam schiefläuft“, wie er sagt. „Nach meiner Meinung hätten Spiele die zweit- oder drittwichtigste Sache im Netz sein müssen.“ Waren sie aber nicht. Das wollte er ändern.

Wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist Pincus Absolvent der US-Eliteuniversität Harvard. Nach einem Konzern-Job gründete er Freeloader, einen Dienst, der das Netz automatisch nach Daten durchsucht und sie speichert, verkaufte ihn aber schnell. Anschließend brachte er den Supportsoftware-Anbieter SupportSoft und das soziale Netzwerk Tribe auf den Weg, die er ebenfalls versilberte. 2007 schuf er Zynga.

Mittlerweile gehört sein Unternehmen zu den wichtigsten Partnern des weltgrößten Online-Netzwerks Facebook. Denn die meisten Spiele funktionieren nur innerhalb des sozialen Netzwerks. Facebook wiederum erwirtschaftet nach Branchenschätzungen 10 bis 20 Prozent seines Umsatzes mit Werbung von Zynga. Zwischen beiden entsteht ein immer enger verflochtenes Ökosystem. Keiner kann mehr ohne den anderen: Inzwischen treten manche Menschen nur deshalb Facebook bei, um gegen Freunde in Zynga-Spielen antreten zu können. Und die Zahl der neuen Spiele wird in den nächsten Monaten noch deutlich steigen. Brian Reynolds, Spieledesigner von Zynga, verriet kürzlich: Die Entwicklung neuer Social-Games koste sein Unternehmen zwischen 100 000 und 300 000 Dollar, weit weniger, als die Entwicklung traditioneller Spiele. Einer der Gründe: Die grafische Oberfläche basiert grundsätzlich auf Adobes universalem Multimediastandard Flash.

Facebook-Versionen von klassischen Spielen

Der Aufstieg von Zynga dürfte auch die Wagniskapitalfirmen Kleiner Perkins und Foundry Group beeindrucken. Beide investierten millionenschwere Summen in das Unternehmen. Im Dezember erhielt Zynga zudem eine 180-Millionen-Dollar-Geldspritze von der russischen Investmentfirma Digital Sky Technologies – nachdem die für 200 Millionen Dollar auch bei Facebook eingestiegen war.

Der US-Spieleriese Electronic Arts (EA) hatte sich einen Monat zuvor für 300 Millionen Dollar den britischen Zynga-Konkurrenten Playfish gekauft. Der hat soziale Spiele wie die Haustier-Simulation Pet Society und die Gaststätten-Simulation Restaurant City im Programm. EA besitzt zwar selbst viele talentierte Spieledesigner. Doch die zu fragen, ein Social Game zu entwickeln, sei laut EA so, als würde man einen professionellen Baseballspieler dazu auffordern, Golfer zu werden. Tatsächlich gibt es Unterschiede: Werden klassische Spiele alle zwei bis drei Jahre überarbeitet, bekommen Social Games fast im Wochentakt neue Funktionen, Herausforderungen und Figuren.

Nun versucht EA, Facebook-Versionen von Bestsellern wie Die Sims oder Need For Speed herauszubringen. Playfish-Gründer Sebastien de Halleux prophezeit, „dass in den nächsten 24 bis 36 Monaten große Spielemarken bei Facebook auftauchen und frühe Marken an Boden verlieren werden“. Als Beispiel für den Trend nennt er das iPhone. 2008 war das bestverkaufte Spiel der Aquariumsimulator Koi Pond, der von einem unbekannten Entwickler kam. 2009 war es schon die mobile Version des EA-Hits Die Sims. Heute stammen nach eigenen Angaben sieben von zehn Top-iPhone-Spielen von EA.

Das Unternehmen hofft nun, dass das Investment in Playfish die Rettung ist. Denn der Konzern steckt in der Krise: Der Umsatz brach im letzten Quartal 2009 um schmerzhafte 25 Prozent auf 1,2 Milliarden Dollar ein, bei einem operativen Verlust von 100 Millionen Dollar. Das Management zögert zwar, einen Zusammenhang zwischen dem Boom der Social Games und der Flaute bei normalen Spielen herzustellen. Doch wer mit Freunden online spielt, hat keine Zeit mehr für klassische Videospiele wie etwa das Kriegsspiel Battlefield.

Und so werden Branchenbeobachtern zufolge klassische Spiele in den nächsten Jahren immer mehr zu Social Games mutieren. Microsoft etwa experimentiert mit einer Anbindung der Videospielkonsole Xbox 360 an die sozialen Netzwerke Twitter und Facebook. Spieler, die ihre Konsolen über den Microsoft-Dienst Xbox Live vernetzen, können via Facebook und Twitter kommunizieren. Für diesen Zusatzdienst berechnet Microsoft seinen Kunden monatlich fünf Euro.

Zugleich dürften die Spiele zunehmend zu einem Zeitvertreib für unterwegs werden: Zwar unterstützen derzeit weder Apples iPhone noch die meisten anderen Handys Flash-Software. Doch Zynga hat inzwischen eine erste iPhone-Version von Mafia Wars herausgebracht, die nicht auf Flash basiert. Playfish-Gründer de Halleux ist überzeugt, dass es für Anbieter künftig überlebenswichtig sein wird, dass Nutzer die Spiele auf allen Geräten erreichen können: auf Fernsehern, Handys, Tablet-Rechnern, Konsolen und PCs.

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