Diabetes Smarte Technik soll Piksen endlich überflüssig machen

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Pflaster statt Spritze: Messung und Therapie in Einem

Im vergangen Jahr haben US-Forscher der Universität North Carolina den Prototypen eines kleinen Pflasters vorgestellt, das bei Bedarf automatisch Insulin abgeben soll. Das Pflaster besteht aus 100 kleinen Nadeln, die jeweils so groß wie eine Wimper sind. Sie enthalten eine Insulin-Füllung plus ein bestimmtes Glukoseenzym und reichen bis knapp unter die Hautoberfläche.

Steigt der Glukosespiegel, reagieren die Enzyme in den Nadeln mit dem Zucker. Dabei entsteht eine Säure, die die Hülle des Insulinsacks auflöst. Das blutzuckersenkende Hormon würde also immer dann freigesetzt, wenn es gebraucht wird. Ähnliche Ansätze von intelligenten Pflastern, die Medikamente freisetzen, um beispielsweise Alzheimerpatienten zu helfen, gibt es bereits seit einigen Jahren auf dem Markt.

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Soweit ist das Diabetes-Pflaster aber noch lange nicht: Bisher haben die US-Wissenschaftler nur an Mäusen geforscht. Klinische Studien am Menschen könnten noch Jahre dauern.

Eine wesentliche Schwachstelle des Prototyps ist, dass der Nutzer keinen Überblick über seine Werte hat. Das haben auch Forscher aus Südkorea erkannt: Vor wenigen Wochen haben sie im Fachjournal "Nature Nanotechnology" eine Studie veröffentlicht, die ein High-Tech-Pflaster für Diabetiker vorschlägt. Erstmals sollen Blutzuckermessung und Medikamentenabgabe in dieser nicht-invasiven Anwendung verknüpft werden.

Das High-Tech-Pflaster aus Seoul: Sensoren sollen den Blutzucker messen, winzige Nadeln können anschließend ein Medikament abgeben. Quelle: Center for Nanoparticle Research, Institute for Basic Science, Seoul

Der Pflaster-Prototyp besteht aus einer durchsichtigen, biegsamen Silikonschicht, die beispielsweise um das Handgelenk (siehe Foto) geklebt werden kann. Darin befinden sich zwei Bereiche, die aus dem Material Graphen bestehen. Der eine Bereich enthält Sensoren, die unter anderem die Glukosekonzentration im Schweiß messen. Sie steht in Korrelation mit den Blutwerten. Die andere Hälfte des Pflasters enthält Mikronadeln, die je nach Zuckerspiegel erhitzt werden und dann ein Medikament in die Haut abgeben.

Verbunden ist das Pflaster mit einem kleinen Gerät, das den nötigen Strom für diesen Vorgang liefert, die Messdaten auswertet und sie drahtlos an das Handy des Nutzers schicken kann. Eine spannende Idee, die allerdings noch viele Hürden zu nehmen hat. Zum einen ist die Studienlage relativ dünn: Die Südkoreaner haben ihr Pflaster bislang nur an Mäusen und zwei gesunden Studenten getestet.

Zum anderen sei das im Versuch gewählte Medikament, Metformin, ungeeignet. "Metformin wirkt sehr langsam und indirekt, indem es die Insulinsensitivität verbessert. Zur Verabreichung über die Haut wäre ein potenteres Medikament wie Insulin besser geeignet", erklärt Medizinerin Szendrödi vom Deutschen Diabetes-Zentrum.

Dem stimmt auch Lutz Heinemann zu, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Am meisten erhofft er sich vom Konzept einer künstlichen Bauchspeicheldrüse. "Die Zuckerkonzentration im Unterhautgewebe wird kontinuierlich von Sensoren gemessen. Die Daten werden per Bluetooth an ein Smartphone geschickt. Dort wertet sie ein Algorithmus aus und steuert anschließend eine Insulinpumpe", erklärt Heinemann.

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