Von Franz Rother, Jürgen Berke und Thomas Kuhn
Vernetzte Mobilität, neue Arbeitswelten – und eine nie da gewesene Macht der Kunden: Das Internet revolutioniert nahezu alle Branchen. Neue Beziehungssysteme und Datenströme verändern die Strukturen und Prozesse innerhalb des Wirtschaftslebens – schon wird der Ruf nach neuen Managementmodellen im digitalen Zeitalter laut. Auf diese Umwälzungen müssen sich Unternehmen einstellen. Wie dieser Prozess aussehen kann und welche Chancen digitale Technologien bieten, beschreiben prominente Wissenschaftler und Konzernlenker in einem neuen Buch ("Erfolg im digitalen Zeitalter, Strategien von 17 Spitzenmanagern"). Zu den Mitautoren gehören TUI-Chef Michael Frenzel, Audi-Lenker Rupert Stadler und Adidas-Boss Herbert Hainer. Kurz vor Beginn des deutschen IT-Gipfels, den Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag dieser Woche eröffnet, hat die WirtschaftsWoche mit den drei Konzernchefs in die Zukunft geblickt.
WirtschaftsWoche: Herr Frenzel, Herr Hainer, Herr Stadler, Sie haben ein Buch über Erfolg im digitalen Zeitalter geschrieben. Darin geht es auch um die Macht sozialer Netzwerke. Bei Facebook sind Sie aber nicht präsent. Bleibt der digitale Wandel für Sie Theorie?
Frenzel: Ich war mal bei Facebook – und bekam sehr schnell sehr viele Freunde, mit denen ich eigentlich nicht befreundet sein wollte. Es war nicht einfach, sich da wieder auszuklinken. Raus kam ich nicht mehr, aber ich habe mich stillgelegt.
Stadler: Als ich mich bei Facebook anmelden wollte, haben meine Kinder gesagt: Bloß nicht. Sonst erfährst du ja alles über uns. Da habe ich es dann gelassen.
Und was hinderte Sie, Herr Hainer?
Hainer (lacht): Meine Tochter ist dabei. Einer aus der Familie muss reichen.
Grundregeln zum sicheren Einkauf im Internet
Um die Sicherheit der eigenen Daten zu garantieren, sollen Kunden-Passwörter mindestens acht Zeichen haben und eine Kombination aus Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen sein.
Um sicher zu sein, dass die Daten bei den Online-Shops auch sicher übertragen werden, sollte man Acht darauf geben, dass die Datenübertragung verschlüsselt ist. Dies lässt sich in der Regel an dem Kürzel https:// anstelle von http:// in der Adresszeile erkennen.
Jeder Kunde sollte vor seinem Kauf überprüfen, ob der gewählte Anbieter auch seriös ist. Ein gewerblicher Händler etwa sollte immer vollständige Kontaktdaten zur Verfügung stellen. Ebenso sollten Informationen zu Garantie- und Gewährleistungsbedingungen ebenso leicht zu finden sein, wie die Angaben zum Widerrufs- oder Rückgaberecht. Bewertungen von bisherigen Kunden können außerdem eine gute Kontrolle bieten. Besonders gut sind Internet-Gütesiegel, wie etwa „Geprüfter Online-Shop“.
Vor dem Kauf sollte jeder Kunde genau durchlesen, was in der Artikelbeschreibung steht. Besonders wenn es um gebrauchte Ware geht. Auch eine Kontrolle der Versand- und Lieferbedingungen kann Sie vor Fehlern bewahren.
Beim Bezahlen sollten sich Kunden für eine sichere Zahlungsmethode entscheiden. Dazu gehören Bankeinzug, Rechnung, Kreditkarte oder die Nutzung eines Online-Zahlungsdienstes.
Hat man seine Ware bei einem gewerblichen Händler gekauft, so sollte das Widerrufs- oder Rückgaberecht besonders geachtet werden. Dabei besteht nämlich den Kunden die Möglichkeit, die Ware auch ohne Angabe von Gründen innerhalb von zwei Wochen zurückzuschicken.
Kunden sollten niemals per E-Mail Passwörter, Bankdaten oder Kreditkarteninformationen herausgeben. Sollten Sie danach gefragt werden oder über einen Link ein Formular mit solchen Daten ausfüllen, seien Sie misstrauisch. Solche E-Mails sind unüblich und damit unseriös.
Wie erfahren Sie dann, wie soziale Netzwerke Ihr Unternehmen beurteilen?
Hainer: Wir haben viele Mitarbeiter, die sich um das Thema kümmern. Die sind viel internetaffiner als ich und sprechen die Sprache dieser Welt. Mal im Ernst, es hängt doch nicht am Facebook-Profil, ob man den dramatischen Wandel mitbekommt, zu dem die Digitalisierung die Wirtschaft treibt.
Zu was werden Sie denn getrieben?
Frenzel: Nehmen wir TUI als Beispiel. Da ist es ganz dramatisch, denn wir verlieren durch die sozialen Netzwerke unser Informationsmonopol. Wir hielten früher als Reiseveranstalter alle Fäden in der Hand. Wir kannten die Hotels, die Flugverbindungen. Heute haben wir absolute Transparenz. Die Kunden tauschen Informationen und Erfahrungen aus, sie wissen so manchmal mehr als wir. Dadurch kriegen wir ein völlig anderes Geschäftsmodell.
Stadler: Die Stimme des Kunden erhält durch das Internet ein ganz anderes Gewicht. Einmal über die Geschwindigkeit, mit der Informationen ausgetauscht werden. Zum anderen besitzen wir längst kein Informationsmonopol mehr – der Kunde tauscht sich heute über unsere Autos in Echtzeit aus. Er kann ein Modell so positiv, aber auch negativ bewerten und seine Meinung offen und grenzenlos artikulieren.
Wer begeistern will, muss überraschen
So mächtig, dass Audi auch die Produktion umstellt, wenn der Schwarm im Netz statt eines Sportwagens von Ihnen lieber einen Pick-up hätte?
Stadler: Die Entscheidung für ein neues Auto basiert auf vielen Einflussfaktoren. Und: Wer seine Kunden begeistern will, muss sie überraschen. Wir glauben auch, dass der Kunde bei millionenfacher Wahlfreiheit in der Produktkonfiguration schon die Möglichkeit hat, sein neues Auto selbst zu designen.
Beziehen Sie auch Wissen von außen ein, um Ihre Unternehmen zu entwickeln?
Frenzel: Meine Tochter schreibt gerade eine wissenschaftliche Arbeit über Open Innovation am Beispiel VW. Der Konzern, das weiß ich aus meiner Tätigkeit als Aufsichtsrat, geht mit anderen Unternehmen Entwicklungspartnerschaften ein. Das passiert in der Autoindustrie schon länger, aber auch in unserer Branche. Wir kooperieren in einzelnen Feldern mit anderen Unternehmen und tauschen uns da aus.
Die wichtigsten IT-Trends
So wolkig wie der Name bleibt für viele nach wie die Bedeutung des Begriffs Cloud Computing - und dabei handelt es sich inzwischen unbestreitbar um einen seit Jahren anhaltenden Trend. Dabei ist das Grundprinzip recht einfach: Aufgrund der großen Netzwerk-Bandbreiten und der flächendeckenden Verfügbarkeit des Internets werden Computerressourcen zentralisiert und nur bei Bedarf über das Netzwerk - sei es das Internet (Public Cloud) oder das firmeninterne Netz (Private Cloud) - abgerufen. Das hilft Kosten und Energie zu sparen, weil Computerressourcen so effektiver verwaltet werden können.
Die Fortschritte in der Informationstechnologie und ihre rasante Verbreitung haben ein Phänomen nach sich gezogen, mit der die IT Schwierigkeiten hat, mitzuhalten: Die Menge an verfügbaren Daten steigt rasant an. Ein großer Teil dieser Daten wird dabei ohne menschliches Zutun maschinell erzeugt - beispielsweise allein durch die Protokollierung von Software und Zugriffen.
Als Big Data wird in der Informatik die Tatsache bezeichnet, dass derart große Datenmengen mit Standard-Datenbanken und -Werkzeugen nicht mehr zufriedenstellend verarbeitet werden können. Dabei lohnt es sich für Unternehmen wie Wissenschaft riesige Datenmengen zu verarbeiten - sei es in der Marktforschung (zum Beispiel schnelle Verarbeitung von Web-Statistiken) oder im Finanzsektor, wo die systematische Untersuchung der Transaktionen Unregelmäßigkeiten zutage fördern kann.
Datenbank-Systeme, die Big Data verarbeiten können - das heißt Datenbanken, die Daten im Bereich von Terabytes, Zetabytes, Exabytes und gar Zettabytes verarbeiten - setzen massiv auf eine parallele Verarbeitung der Anfragen. So werden Hunderte oder gar Tausende Rechner zu einem Datenbank-Grid zusammengeschlossen. So gut wie alle großen Technologie-Konzerne wie IBM, Intel, HP, Oracle, Dell oder EMC haben Lösungen für sehr große Datenmengen im Angebot.
Freie Software (auch Open-Source-Software genannt) und offene standardisierte Schnittstellen sind weiter auf dem Vormarsch - sehr zum Nutzen aller, die von IT-Infrastruktur abhängig sind. Denn mit offenen Technologien vermeiden Unternehmen den sogenannten Lock-in-Effekt: Sie sind an einen einzigen Anbieter und seine eigene Technologie gebunden, sondern können bei offenen Schnittstellen und Open-Source-Software samt Daten und Anwendungen auch den Anbieter wechseln.
Die Ursprünge der Idee Freier Software liegen in den Anfängen der Computerrevolution: Die vor allem aus dem Hippie-Umfeld stammenden Mitglieder des Homebrew Computer Clubs im Silicon Valley tauschten Wissen und Software wie selbstverständlich untereinander aus. Als Firmen wie Microsoft in den 1980er Jahren aus der Software ein Geschäft machten, rief der Programmierer Richard Stallman das GNU-Projekt zum Bau eines freien Betriebssystems und die erste explizit freie Softwarelizenz ins Leben: die GNU General Public License.
Heute bilden die Tools des GNU-Projekts zusammen mit anderer Software und dem Linux-Kernel die Basis der Linux-Distributionen wie Red Hat, Open-Suse, Ubuntu oder Debian sowie von Googles mobilem Betriebssystem Android. Linux in seinen verschiedenen Varianten ist das auf heute auf Servern überwiegend eingesetzte Betriebssystem. Zahlreiche Open-Source-Lösungen wie die Datenbanken MySQL oder PostgreSQL haben die Unternehmen erobert.
Das Zusammenschließen von Computern via schneller Netzwerk-Technik zu einem einzigen großen virtuellen Supercomputer (Cluster) wird als Grid-Computing bezeichnet. Dabei erscheint das Rechen-Netzwerk von außen als ein einziger Computer. Die einzelnen Teile des Grid-Computers sind dabei meist redundant ausgelegt. Das bedeutet: Fällt ein einzelner Rechner aus dem Gesamtverbund aus, hat das für die grundsätzliche Funktionalität des Gesamtsystems keine Auswirkungen.
Beim Grid-Computing werden zwei Ziele verfolgt: Einerseits ermöglicht das Zusammenschließen vieler Rechner eine hohe Arbeitsgeschwindigkeit des Gesamtsystems - und das im Vergleich zu anderen Supercomputer-Konzepten zu niedrigen Kosten. Voraussetzung ist dafür allerdings, dass die zu berechnenden Aufgaben stark parallelisierbar sind. Das heißt im Klartext: Die Berechnung eines Teils der Aufgabe, die der Computer lösen soll, darf nicht von einer anderen Berechnung abhängen. Nur so kann die Berechnung auf viele verschiedene Prozessoren oder Computer aufgeteilt werden.
Zweitens ermöglicht der Aufbau eines Grids mit Redundanz eine besonders ausfallsichere Server-Infrastruktur, selbst wenn preisgünstige Standard-Hardware verwendet wird, weil der Ausfall einzelner Rechner nicht die Funktionalität des Gesamt-Systems gefährdet.
Auch bei den Servern geben längst Konsumenten-Produkte in den Betrieben den Ton an, wenn auch weniger sichtbar als bei iPhone und iPad. Bis zur Jahrhundertwende herrschten in Unternehmen noch spezialisierte Server vor, auf denen Unix-Systeme wie mit Namen wie Solaris, HP-UX oder Irix liefen. Die Massenanfertigung von PCs und Konsumenten, die immer leistungsfähigere Hardware nachfragten, führten aber zu einer Verbilligung schneller Hardware.
Statt teure, besonders zuverlässige Hardware, nutzen Unternehmen heute als Server meist Computer mit x86er-Prozessoren von Intel oder AMD wie sie auch in jedem Büro oder Heim-Arbeitsplatz stehen. Meist wird darauf das Open-Source-Betriebssystem Linux oder Microsofts Windows eingesetzt. Die Unternehmen bleiben bei der Betriebssystem-Software flexibel und sind nicht auf teure Spezial-Hardware angewiesen, auf der nur ein bestimmtes herstellerspezifisches Unix-System läuft.
Die Virtualisierung von Servern ist bereits seit vielen Jahren ein anhaltender Trend, auf den heute kaum ein Unternehmen bei der Nutzung seiner IT verzichten möchte. Virtualisierung erlaubt eine deutlich flexiblere Nutzung der Hardware: Ein Server wird dabei aufgeteilt in beliebig viele virtuelle Server. Das ist eine wichtige technologische Voraussetzung für das Cloud Computing – doch nicht dasselbe. Beim Cloud Computing geht es um den gesamten Prozess des flexiblen Bereitstellens von Rechenressourcen, Daten und Anwendungen über eine standardisierte Schnittstelle. Die Virtualisierung von Server-Hardware schafft also technisch eine wichtige Voraussetzung für Cloud Computing.
Neue Cloud-basierte Business-Anwendungen benötigen häufig besonders schnelle Datenbanken - beispielsweise, wenn Mitarbeiter auf Unternehmensdaten per Smartphone oder Tablet zugreifen. Auf der Seite der Server lassen sich Datenbanken durch sogenanntes In-Memory-Computing deutlich beschleunigen. Was hinter dem Begriff steckt ist eigentlich ganz einfach: Die Rechner speichern die Daten nicht auf einer langsamen Festplatte, sondern im vielfach schnelleren Arbeitsspeicher - eben dem Memory.
Nachteilig daran ist, dass Arbeitsspeicher nicht nur um ein Vielfaches schneller ist als eine Festplatte, sondern die gleiche Speichermenge auch deutlich mehr kostet. Häufig wird bei In-Memory-Datenbanken vom Grid-Computing gebrauch gemacht, bei dem viele einzelne zu einem Rechner-Verbund zusammengeschlossen werden.
In-Memory-Computing gilt als Markt mit großen Wachstumschancen. Die großen Anbieter im Markt der Datenbank haben sich allesamt Know-how auf dem Gebiet eingekauft. So übernahm der deutsche Anbieter SAP für einen hohen Milliarden-Dollar-Betrag den Anbieter Business Objects. Orcale kaufte sich den In-Memory-Spezialisten Hyperion und IBM übernahm den kanadischen Anbieter Cognos.
"Bring your own device“ heißt es in immer mehr Unternehmen. Laut Consumerization Report 2011 erlauben bereits 59 Prozent der deutschen Firmen ihren Arbeitnehmern, private IT-Geräte im Unternehmen zu nutzen, in den USA sind es bereits 75 Prozent. Mit gutem Grund: Die Mitarbeiter nutzen auf der Arbeit schlicht die Geräte, mit denen sie sich selbst am besten auskennen - und die sie privat am meisten schätzen. Davon profitieren vor allem das iPhone und iPad von Apple sowie die Smartphones mit Googles Android-System.
Für die IT-Branche bedeutet die Hinwendung zu den Konsumenten einen tiefgreifenden Wechsel ihrer Strategie. Reichte es früher aus, die IT-Einkäufer von den eigenen Produkten zu überzeugen, die immer schneller und effizienter wurden, müssen nun diejenigen überzeugt werden, die die Geräte auch tagtäglich einsetzen.
Und da zählen plötzlich ganz andere, weniger fassbare Werte. Wird man mich bewundern? Wird mich das Produkt erstaunen, überraschen? Denn auch Arbeit darf Freude machen. Zudem gibt es neue Herausforderungen für die Sicherheitsexperten der IT-Abteilung. Schon gibt es erste Software-Lösungen, die mittels Virtualisierung Privates und Geschäftliches auf den Smartphones trennt.
Wie können Geschäftsabläufe profitabler werden, Kosten gesenkt und Risiken minimiert werden? Unter dem Schlagwort Business Intelligence werden alle Versuche gefasst, die solche Fragen mit Hilfe der elektronischen Verarbeitung von Daten beantworten wollen. Das englische Wort „Intelligence“ ist dabei im Sinne vom Sammeln und Aufbereiten von Daten gemeint. Der Begriff Business Intelligence wurde bereits in den 1990er Jahren populär.
Doch insbesondere das Cloud Computing und die Verbreitung Internet-fähiger mobiler Geräte verschaffen Managern neue Möglichkeiten. Die Firmenlenker können nun auch mobil via Smartphone oder Tablet jederzeit auf Geschäftszahlen und Software-gestützte Analysen zugreifen. Komplexere Business-Intelligence-Anwendungen können gleich Prognosen und Analysen auf Basis von mobil eingegebenen Daten erstellen. Laut den Analysten von Gartner werden in einigen Jahren ein Drittel aller Analysen auf Unternehmensdatenbanken von einem Smartphone oder Tablet aufgerufen, schreibt das Computermagazin iX.
Das sind bekannte Partner. Das Internet bietet aber auch die Möglichkeit, die Intelligenz der Masse anzuzapfen.
Frenzel: Free lunch gibt es nicht. Natürlich gibt es viele Ideen, aber meist auch eine Rechnung dazu. Ja, wir sehen uns Ideen an, die an uns herangetragen werden. Wenn sie gut sind, überlegen wir, wie wir sie in unser Innovationsmanagement integrieren können. Bestimmte neue Hotelkonzepte sind auf diese Art entstanden: Dort war der Kunde der Innovator.
Immerhin sehen Sie sich die Ideen an. Apple lehnt das ab – aus Sorge, in Urheberstreitigkeiten verwickelt zu werden.
Hainer: Zuhören sollte man schon, denn über das Netz kommen manchmal wirklich sehr gute Anregungen: Unser nächster WM-Ball, der 2014 in Brasilien eingesetzt wird, heißt Brazuca.
Das klingt gefährlich – wie Bazooka.
Hainer: Unsere Konsumenten in Brasilien haben den Namen ausgewählt. Wir haben die über das Fernsehen gebeten, sich einen Namen einfallen zu lassen und uns Vorschläge zu schicken. So kann man die Konsumenten einbinden. Aber in erster Linie müssen die Innovationen natürlich aus dem Unternehmen kommen. Denn in der Regel weiß der Kunde heute noch nicht, was ihm morgen gefällt.
Stadler: Ideen hat der Kunde permanent, und die stellt er dann auch online. Die sieht man sich an und hört als Hersteller aufmerksam zu.
Um Ideen für neue Produkte zu kriegen?
Hainer: Nach meiner Überzeugung ist das Produkt nur ein Nebenaspekt. Viel wichtiger ist die Marke. Adidas hat mittlerweile 32 Millionen Fans auf Facebook. Die diskutieren beispielsweise darüber, wie der Messi Fußball spielt, aber nicht, ob er schlecht spielt, weil ihn vielleicht unser Schuh drückt. Insofern wird das Image einer Marke durch die Netzwerke stärker geprägt als das Produktportfolio.
Frenzel: Das ist bei uns natürlich anders. Am Anfang hat uns interessiert zu erfahren, was der Kunde kauft und wie er kauft. Inzwischen verändert die Digitalisierung das Reiseverhalten an sich.
Das Reiseverhalten wird sich ändern
Erholen wir uns künftig rein virtuell?
Frenzel: Auch in Zukunft werden die Kunden ihren Urlaub ganz real verbringen wollen und nicht im Holodeck. Aber sie wollen sich nicht mehr in Programme einbinden lassen, sondern flexibel bleiben. Die Kunden sind 24 Stunden online und agieren spontaner als früher. Das bedeutet, das Reise- und das Buchungsverhalten ändert sich gerade komplett.
Wird auch der Autokauf spontaner?
Stadler: Vor zehn Jahren haben sich unsere Kunden im Autohaus zunächst einen Katalog besorgt. Heute kommen sie ins Autohaus und sind bereits bestens informiert. Auch die Konfiguration eines neuen Automobils rein virtuell im Internet ist für die junge Generation eine Selbstverständlichkeit. Im Audi City-Showroom in London zeigen wir, wie man daraus ein innovatives Präsentationstool mit Gestensteuerung entwickelt. In Zukunft wird man vielleicht sogar zu Hause das Produkt virtuell dreidimensional in Originalgröße erleben können und im Gespräch mit seinem persönlichen Avatar auch bestellen. Da ergeben sich riesige Chancen, und es wird sich in Zukunft einiges drehen und wenden.
Und das Auto wird – wie Reisen oder die Sportausrüstung – im Internet geordert?
Stadler: Das reale Erlebnis zum Schluss will man schon haben. Eine Probefahrt gibt’s nicht übers Internet – und das echte Markenerlebnis auch nicht.
Hainer: Online-Shopping gibt es doch heute schon. Flüge bucht man übers Internet, auch Hotels und Schuhe. Adidas-Artikel kriegen Sie auch auf der Web-Site von Sport Scheck und bei Zalando. Warum auch nicht? Für uns ist der Online-Vertrieb eine gute Ergänzung.
Frenzel: Es wird immer schwieriger, Absatzwege zu kanalisieren. Die Digitalisierung sorgt für totale Transparenz über das Produkt, auch über Preise. Der Kunde informiert sich direkt und unmittelbar.
Das Reisebüro wird dabei überflüssig?
Frenzel: Multichannel ist der Trend. In Deutschland hat das Reisebüro immer noch einen großen Stellenwert, in Skandinavien aber werden fast 70 Prozent der Reisen online gebucht, in England kommen etwa 40 Prozent der Buchungen übers Internet, in Deutschland sind es knapp 20 Prozent. Da bewegt sich was.
Der Verkäufer wird zum persönlichen Avatar
Könnte Audi auf Autohändler verzichten?
Stadler: Im Neuwagengeschäft eines Premiumanbieters ist er unverzichtbar. Der Händler wird im Gegenteil sogar wichtiger, weil er vielfältigere Aufgaben bekommt. Eine Beziehung zum Autokäufer pflegen – das geht nicht nur über das Internet. Die Schnittstelle Handel wird im Zeitalter der Digitalisierung eine andere Wertigkeit und Form bekommen – der Verkäufer wird zu einer Art persönlichem Avatar, der immer da sein muss und die vielfältigsten Kundenwünsche löst. Denn der Kunde der Zukunft will alles haben, nur keinen Stress.
Ist die Industrie für die direkte Kommunikation mit dem Kunden schon gerüstet? Zum Teil werden E-Mail-Anfragen immer noch erst nach Wochen beantwortet.
Stadler: Wir sind auf einer Reise in ein neues Zeitalter und müssen uns auf die Bedingungen, die uns dort erwarten, noch einstellen. Es ist gar nicht so einfach, die vielen neuen Kontakte, die wir heute über das Internet knüpfen – per E-Mail, Twitter, Facebook, YouTube oder Google+ – sauber zu kanalisieren. Anfragen dürfen natürlich nicht im Nirvana landen. Aber eine fundierte Antwort kann man nicht eben mal aus dem Ärmel schütteln.
Trotzdem: Hat die Wirtschaft wirklich verstanden, was da auf sie zukommt?
Frenzel: Die große Aufgabe wird es sein, die Transformation zu managen. Wir haben heute eine stationäre Vertriebslandschaft mit Tausenden Reisebüros, die in Deutschland noch 60 bis 70 Prozent unseres Umsatzes ausmachen. Die können und wollen wir nicht einfach abknipsen und auf Online umschalten. Das muss man managen. Auch in Zukunft wird es noch einen bedeutenden stationären Vertrieb geben.
Hainer: Es ist ein hochkomplexes Thema. Aber ich behaupte für unser Unternehmen, dass wir von der Entwicklung nicht überrascht werden. Unsere Kernzielgruppe sind Menschen im Alter von 14 bis 19 Jahren. Das Durchschnittsalter in unserer Zentrale liegt bei 31 Jahren. Die Beschäftigten kommen aus 50 Nationalitäten und beschäftigen sich intensiv mit der Zielgruppe. Ich behaupte nicht, dass wir schlauer sind als andere. Aber wir zählen sicher zu den Unternehmen, die sich frühzeitig mit den Auswirkungen der Digitalisierung beschäftigt haben. Die Ausbreitung sozialer Netzwerke kam für uns nicht überraschend.
Warum sitzen Ihre Unternehmen dann nicht mit am Tisch, wenn die Kanzlerin diese Woche diskutiert, wie Deutschland den Rückstand in der IT gegenüber anderen Ländern verkürzen kann?
Stadler: Weil wir schon weiter sind – unsere Unternehmen sind global aufgestellt. Audi ist seit einiger Zeit auf der Consumer Electronic Show in Las Vegas präsent: einerseits, weil wir dort unsere Modelle als rollende Mobile Devices vorführen. Andererseits, weil wir uns informieren wollen, was in der schnelllebigen Welt der Consumer Elektronic passiert. Dort haben wir sehr früh realisiert, dass 3-D-Grafiken Standard werden, nicht nur für PCs, sondern auch bei der Navigation im Auto. Und dort lernten wir, wie wichtig es ist, unsere eigenen Produktzyklen mit denen der IT-Branche zu koordinieren. Deshalb haben wir einen Modularen Infotainment Baukasten entwickelt, der unsere Techniker in die Lage versetzt, in Modellen wie dem A3 überholte Grafikhardware gegen die neueste Generation auszutauschen. Oder bald schon ohne Werkstattbesuch die Software im Auto zu aktualisieren. Also: Wir sind deutsche Unternehmen, aber trotzdem in der ganzen Welt zu Hause.
Informationsketten werden beschleunigt
Stehen ähnliche technische Umbrüche auch der Reisebranche bevor?
Frenzel: Wir hatten früher ein lineares Geschäftsmodell: Wer einen Urlaub buchen wollte, ging ins Reisebüro, das Verbindung zu einem Veranstalter aufnahm und Ihnen dann bestimmte Leistungen verkaufte. Sie sind dann in ein Flugzeug gestiegen, am Flughafen des Zielorts abgeholt und zu einem Hotel gebracht worden. Direkten Kontakt zum Kunden hatten wir nur durch unsere Reiseleiter. Heute haben wir entlang dieser ganzen Erlebniskette immer wieder digitale Anknüpfungspunkte, auch nach dem Urlaub noch. Sie haben also einen permanenten Informationsstrom und auch permanent die Möglichkeit, Leistungen zu verkaufen. Auf unserer Web-Site Trek America für US-Reisen treffen sich die jungen Urlauber bereits Wochen vor dem Abflug im virtuellen Raum und tauschen sich aus. Solche Plattformen wird es in Zukunft in noch größerer Zahl geben, die zentral gesteuert werden für Kunden in aller Welt.
Hainer: Durch die Digitalisierung beschleunigen sich Informationsketten und Geschäftsprozesse ungeheuer. Und zum anderen kriegt ein Unternehmen einen direkteren Kontakt zum Kunden: In unserem Nürnberger Laden "Neo" gibt es beispielsweise einen Social Mirror.
Was ist das denn?
Hainer: Das ist ein Spiegel, der mit dem Internet verbunden ist. Du probierst dort ein T-Shirt an, machst ein Foto und postest das Bild über Facebook an Freunde. Die sagen dir dann, ob ihnen das Outfit gefällt.
Stadler: Es geht ja nicht nur um die Digitalisierung und die Technologie dahinter. Es geht um eine andere Generation von Menschen, die heranwächst und ein anderes Bewusstsein hat. Wenn man sieht, wie groß heute schon der Druck ist, die Arbeitszeiten zu flexibilisieren, dann muss man feststellen, dass Arbeitgeber vielfach noch zu starr agieren. Wir werden schneller, dynamischer sein müssen: Die Generation Y beeinflusst Unternehmenskulturen.
Das heißt, das digitale Zeitalter zwingt Unternehmen auch neue Managementformen auf?
Hainer: Natürlich. Im Unternehmen selbst wird durch die Digitalisierung mittel- bis langfristig ein neues Führungsmodell gebraucht, weil Hierarchien sich wahrscheinlich weitgehend auflösen. Die junge Generation will direkt mit ihrem Chef ganz oben kommunizieren und will teilhaben am Entscheidungsprozess. Sie ist im Gegenzug sehr leistungsfähig und leistungsbereit.
Stadler: Einige kennen den Spruch "Wenn das Unternehmen wüsste, was das Unternehmen weiß". Wenn man sich da mal hineindenkt und für die Mitarbeiter eine Art "Facebook der Erfinder und Ideen" im Intranet aufsetzt...
Internet hat Wissen demokratisiert
...dann fielen auf einen Schlag fast alle Hierarchien weg. Wer würde das wagen?
Stadler: Wir sind dabei, solch ein "InnoBook" einzurichten. Wenn wir so zu bestimmten Problemstellungen die richtigen Experten zusammenbringen, entsteht ein ganz anderer Leistungshub als konventionell über herkömmliche Arbeitskreise.
Frenzel: Wir haben beispielsweise hotelbeds.com gestartet. Die Seite stammt aus einer Idee in einem internen Innovationskreis für das Geschäft mit Unternehmenskunden. Hier vermitteln wir Hotelbetten als Großhändler für Dritte. Wir nutzen dafür unsere Informationstechnologie, um Bettenkapazität in aller Welt einzukaufen und dann über das Netz an kleine Reisebüros zu vermarkten. Das funktioniert wie eine Börse.
Wie verändert eine solche Wikisierung des Wissens ein Unternehmen?
Stadler: Früher hieß es "Wissen ist Macht". Das Internet hat Wissen demokratisiert. So gesehen ist die Macht heute sehr weit verbreitet. Auch Führungsaufgaben werden anspruchsvoller, wenn Wissen nicht mehr hierarchisch verbreitet, sondern frei zugänglich ist. Der Chef ist da immer seltener der beste Experte im Team. Er schafft den Rahmen zum Arbeiten, fördert Kreativität, moderiert Teamprozesse und trifft mit seinem Team eine Entscheidung.
Frenzel: Wir werden eine stärker projektbezogene Organisation kriegen, in der alte Hierarchieformen stören. Teams aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen und Nationen werden sich zeitweise zusammentun, um Projekte zu stemmen – und anschließend wieder auflösen.
Stadler: Die Mitarbeiter wollen dann auch andere Freiheitsgrade haben als heute. Drei Monate lang werden die richtig Dampf im Kessel machen, um ein Projekt zu stemmen – und anschließend drei oder vier Wochen Sabbatical einfordern.
Hainer: Wir haben ja fast keine Produktionsbetriebe und keine Arbeiter mehr. In unserer Zentrale arbeiten Finanzexperten, Marketingleute, Designer und Produktentwickler. Feste Arbeitszeiten gibt es deshalb bei uns schon lange nicht mehr. Unsere Leute können heute mit ihren mobilen Geräten und dank des Internets von jedem Fleck der Welt aus arbeiten.
Die Führung einer Organisation wird dadurch aber auch nicht einfacher?
Hainer: Sicher nicht, aber die Hierarchien lösen sich ja auf. Früher hat man viel stärker über die Macht der Position regiert. Da wurde etwas vom Vorstandschef beschlossen, und das musste so gemacht werden, auch wenn es vielleicht Käse war. Heute geht das nicht mehr so einfach. Wenn man heute nicht überzeugt, hört die Mannschaft nicht auf nachzufragen.
Unternehmen müssen starre Kulturen aufbrechen
Braucht es da überhaupt noch Vorstände?
Stadler: Einer muss verantwortlich sein. Aber: Wenn man die Mannschaft mitdenken lässt und stärker in die Verantwortung nimmt, wird ihr Produktivitätspotenzial größer. Wenn wir es nicht schaffen, unsere Organisationsformen weiterzuentwickeln und erstarrte Kulturen aufzubrechen, verlieren wir als Arbeitgeber an Attraktivität.
Und Ihre Führungskräfte machen da mit?
Frenzel: Natürlich gibt keiner gerne ab. Dennoch muss sich das Denken auf allen Ebenen eines Unternehmens ändern und auch in den Anforderungsprofilen für neue Mitarbeiter Niederschlag finden.
Stadler: Wir haben bei uns seit Jahren ein Stimmungsbarometer, das online die Zufriedenheit der Mitarbeiter misst und im Unternehmen transparent macht: Wie ist die Zufriedenheit mit Ihrem Vorgesetzten, fragen wir dort, fühlen Sie sich bei Audi gut aufgehoben? Wenn der neue Geist nicht überall Einzug hält, entlädt sich der Druck in solchen Befragungen und zeigt, wo es hakt. Deshalb müssen wir permanent daran arbeiten, dass Arbeit und Engagement Spaß machen.
Hainer: Schon in der Vergangenheit hat es Versuche gegeben, Mitarbeiter einzubinden – über das Vorschlagswesen oder andere Instrumente. Das geschah aber sehr formalistisch. Heute sehen wir das sportlicher: Da kriege ich eine E-Mail von einem Azubi, der von mir Erklärungen fordert. Früher hätte er Wochen auf einen Termin beim Vorstand warten müssen, wenn er ihn überhaupt bekommen hätte. Heute kriegt er eine Antwort spätestens nach einem Tag.
Von Ihnen persönlich?
Hainer: Bei der Vielzahl von Anfragen heute ist das nicht immer möglich. Aber eine individuelle Antwort gibt es auf jeden Fall.
Die Digitalisierung beschleunigt Prozesse, sorgt für Transparenz und intensiviert die Kundenbeziehungen. Wie verändert das konkret das Geschäftsmodell der TUI?
Frenzel: Wir werden uns stärker als heute auf die Inhalte konzentrieren. Wir verkaufen Träume, Erlebnisse. Die Vertriebsformen werden sich weiter massiv verändern, der direkte Dialog mit dem Kunden wird über künstliche Intelligenz noch intensiver. Unsere Angebote werden darüber immer individueller werden – pauschale Lösungen ziehen in Zukunft nicht mehr.
Schuhe werden intelligent sein
Schuhe brauchen die Menschen immer.
Hainer: Die werden wir ihnen auch liefern. Aber sie werden mehr können als nur den Fuß zu schützen. Sie werden intelligent sein, Chips besitzen und dem Träger, aber auch anderen, eine Vielzahl von Informationen liefern. Wir können unseren Kunden schon heute ein individuelles Trainingsprogramm aufs Smartphone spielen, das auf den Messwerten aus unseren Laufschuhen basiert. Und Fußballschuhe senden schon Daten darüber, wie schnell der Spieler ist und wie weit er läuft und wie viel Energie er dabei verbraucht. Der Trainer am Spielfeldrand kann dann anhand der Daten entscheiden, wann er einen Spieler auswechselt. Wir werden sicher auch über die Schuhe hinaus Dienste anbieten: Mit den vielen Daten kann man ja noch anderes machen, die haben ja einen Wert.
Vermutlich auch für Audi. Wo entwickelt sich der digitalisierte Autohersteller hin?
Stadler: Zu noch mehr Virtual Reality in der Entwicklung, in der Produktionsplanung und für den Kunden. Dann zu einer neuen Form des Beziehungsmanagements mit den Kunden – nicht aus Datenbanken heraus in steinzeitlicher Weise, sondern aktiv zwischen Hersteller und Käufer. In den großen Metropolen werden gleichzeitig neue Mobilitätsformen entstehen. Ich weiß nicht, ob Carsharing für jeden die optimale Lösung ist, aber wir werden premiumgerechte Angebote schnüren. Zudem wird die Elektrifizierung zunehmen; in dem Maße, wie die Speicherkapazität der Batterien steigt und deren Preise sinken.
Und wie verändert sich das Auto?
Stadler: Autos werden ihre Farbe auf Knopfdruck wechseln, weil im Lack Nanotechnik steckt. Wir arbeiten darauf hin, dass ein Wagen künftig genau weiß, wann die nächste Ampel auf Rot schaltet und wo Gefahren lauern. Und es wird sicher auch einmal Realität, dass ein Auto allein zum Waschen und Nachladen fahren kann oder den Fahrer auf Wunsch chauffiert. Technisch gesehen sind wir vom pilotierten Fahren gar nicht mehr weit weg. Dann könnte der Reisende das Morgenmagazin ansehen oder seine Mails bearbeiten.