Große Unternehmen bezeichnen sich gerne als Tanker, die dringend nach Schnellbooten suchen, um ihre Innovations- und Veränderungsgeschwindigkeit zu erhöhen. Mit der Suche betrauen sie gerne große Unternehmensberatungen. Doch auch deren Arbeitsweise und Geschäftsmodell wird durch die digitale Transformation in Frage gestellt.
Die Digitalisierung zwingt alle Branchen zum Wandel. Um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern, müssen Unternehmen Geschäftsmodelle überdenken, Personalressorts aufrüsten, IT-Infrastrukturen verbessern, die physische und virtuelle Arbeitsplatzgestaltung flexibilisieren, mit Start-ups kooperieren sowie digitale Talente für sich gewinnen und an sich binden. Unternehmen, die nicht adäquat oder schnell genug auf die Digitalisierung reagieren, riskieren ihre Zukunftsfähigkeit.
Diese Entwicklung steht im Widerspruch zur Arbeitsweise vieler klassischer Beratungen, die gerade nicht auf offenen Strukturen und agilen Arbeitsweisen aufgebaut sind, sondern streng hierarchisch und strukturiert abarbeiten. Laut einer Marktstudie des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater erwarten 84 Prozent der Berater, dass sich im Zuge der Digitalisierung das Portfolio, die Geschäftsmodelle und die Prozesse ihrer Unternehmen verändern werden.
Zum Autor
Willms Buhse ist Geschäftsführer der Beratungsfirma doubleYUU und Autor des Buchs "Management by Internet".
Wie sieht also die Beratung der Zukunft aus? Was wollen die Kunden? Was brauchen sie? Was muss eine Beraterpersönlichkeit heutzutage mitbringen? Wie müssen Unternehmensberatungen sich verändern? Und worauf kommt es bei der Beratung wirklich an?
Die klassische Beratung nimmt den Kunden oft aus der Verantwortung. Sobald die Berater da sind, wird schnell Verantwortung abgegeben. Bei vielen typischen Beratungsprojekten beeinflusst diese Verhaltensweise den Erfolg bereits negativ. Doch gerade beim Thema Digitale Transformation ergibt dieses Vorgehen schlicht keinen Sinn mehr.
Unternehmen, die die Digitale Transformation erfolgreich meistern, setzen auf mehr Selbstverantwortung bei Führungskräften und Mitarbeitern. Sie dürfen sich bei dauerhaften Veränderungen nicht alleine auf externe Beratung verlassen. Sie brauchen zwar Expertenunterstützung, jedoch in Form von Impulsen für Veränderungen. Sie brauchen keine verlängerte Werkbank für Routinearbeiten und keine dauerhafte Anwesenheit von Beratern, sondern punktuellen Support.
Heute werden erfahrene, umsetzende Experten statt folienmalende Absolventen gebraucht. Gebraucht werden keine Einserabsolventen mit glattpoliertem Lebenslauf, sondern Beratertalente mit Expertenwissen.
Erfolgreich ist ein Berater heute, wenn er die Ausgangslage und die Probleme des Unternehmens kennt, das Vertrauen des Managements genießt und in der Lage ist, individuell-passende Lösungen zu finden, die den Wettbewerbsunterschied ausmachen. Er darf nicht nur Konzepte von der Stange anbieten.
Die Digitalisierung und die Folgen für den Arbeitsmarkt wirken sich unausweichlich auf das Recruiting der Beratungen aus. Digitale Talente fordern Freiheit und Flexibilität statt starre 60-Stunden-Wochen. Durch Beraternetzwerke und die Nutzung IT-gestützter Tools zur virtuellen Zusammenarbeit lassen sich physische und virtuelle Arbeitsplätze frei gestalten.
Außerdem gilt das Motto: Transparente Zusammenarbeit statt Buzzword-Voodoo. Anerkennung muss immer wieder neu verdient werden, sonst verliert man Gefolgschaft. Was bezüglich des zunehmenden Kundenfokus für andere Branchen gilt, gilt auch in der Beraterbranche. Die Kunden werden kritischer und selbstständiger. Sie fordern Transparenz und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Deshalb sind Ehrlichkeit und Direktheit unabdingbar.
Nur wer heute den Mut hat, sein Geschäft kritisch zu hinterfragen, kann von den Chancen der Digitalen Disruption auch wirklich profitieren.
Der Wandel der Branche ist erfreulich, denn durch die Digitalisierung wird die Beraterlandschaft kreativer, bunter und vielfältiger. Mit der Transformation der Arbeitswelt und den neuen technischen Möglichkeiten verändert sich das typische Beraterprofil radikal. Vielleicht gelingt es der Branche sogar, am Thema Familienfreundlichkeit zu arbeiten und somit endlich den Frauenanteil zu steigern. Die Digitalisierung birgt hier viel Potenzial - und die lebhafte Diskussion dazu ist ein erster wichtiger Schritt.