DLD-Gründerin Stephanie Czerny „Die intelligenten Programmierer sollen alle nach Deutschland kommen“

Am Wochenende beginnt mit der DLD Deutschlands berühmteste Tech-Konferenz. Was dort zu erwarten ist und ob wegen Donald Trump die klugen Programmierer nun nach Deutschland auswandern, verrät Gründerin Stephanie Czerny.

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DLD-Gründerin Stephanie Czerny:

Frau Czerny, der Fokus der Digital Life Design (DLD)-Konferenz liegt in diesem Jahr auf Robotern und  künstlicher Intelligenz (KI). Übernehmen bald die Roboter die Weltherrschaft?

Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Viele Leute leben mit einer Angst vor Robotern und vor der Digitalisierung. Sie denken, Roboter wären ein schlechter Ratgeber. Unsere Aufgabe ist es, solche Ängste anzusprechen und  zu diskutieren, wie begründet sie sein könnten.

Sind wir Deutschen denn mittlerweile soweit, die Digitalisierung selbst mit zu gestalten, statt den Trends aus dem Valley hinterherzurennen?

Wir sind schon einen großen Schritt weiter. Coding wird  in Schulen teilweise schon unterrichtet. Das ist sehr wichtig, weil die Schüler von klein auf lernen, dass die digitale Welt uns nachhaltig beeinflusst. Dass wir Fragen stellen wie „Was bedeutet das Ende der Privatheit? Was bedeutet komplette Transparenz?“, ist auch sehr wichtig. Ich begegne der Digitalisierung  mit großer Neugier. Wir müssen die Opportunitäten der digitalen Welt erkennen und akzeptieren.

Zur Person

Was machen Sie denn mit den von Ihnen angesprochenen Zweiflern? Wie erreichen Sie die?

Natürlich gibt es immer viele Zauderer und Verhinderer. Wir können nicht alle erreichen. Aber das ist unsere Herausforderung. Wir versuchen, die Menschen  für die Digitalisierung zu begeistern und die Hürden zu nehmen. Und das tun wir unter anderem durch unsere DLD-Konferenzen.

Wie genau denn?

Wir wollen wissen: Wer sind die Treiber? Beispielweise gibt es da jemanden wie Demis Hassabis von DeepMind. Er ist ein KI-Forscher und hat das erste Computerspiel geschaffen, bei dem Intuition gefragt ist für das Spiel Go. Dort gibt es nicht Strategien wie beim zum Beispiel beim Schach, sondern es kommt auf Intuition an. Und Hassabis hat es geschafft, diese zu berechnen. An dieser Stelle sieht man, dass die Digitalisierung Auswirkungen bis auf viele gesellschaftliche Ebenen hat. Hassabis wird auf der DLD mit Wolf Singer sprechen, einem Neurowissenschaftler vom Max-Planck-Institut. Da diskutieren zwei über Intelligenz, der eine über menschliche, der andere über künstliche.

Die Themen der DLD

Wo sehen Sie noch Probleme beim Thema Digitalisierung? Was ist die größte Baustelle in Deutschland?

Wie schon erwähnt, das sind vor allem die Menschen, die sich nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigen und deswegen Angst vor der Veränderung haben. Außerdem wissen wir noch nicht, wie es in der Zukunft der Arbeit aussieht. Werden Roboter unsere Arbeit übernehmen? Die Skeptiker kritisieren immer, dass so viele Arbeitsplätze wegfallen werden. Forscher sagen, 40 Prozent der Arbeitsplätze werden von Robotern übernommen werden. Aber es wird auch neue Arbeitsplätze geben. Wie planen wir die Zukunft der Arbeit? Da erhoffe ich mit Antworten von der Konferenz und von den Rednern.

So manch einer spekuliert schon, Donald Trump werde mit seiner kritischen Einstellung zur Tech-Branche die Talente aus den USA in die Flucht schlagen. Dazu gibt es sogar einen Programmpunkt auf der DLD. Wie akut ist die Gefahr und welcher Standort könnte davon profitieren?

Die intelligenten Programmierer sollen mal alle nach Deutschland kommen.

Aber das ist doch nicht realistisch, oder?

Nein, das glaube ich nicht. Alle Leute aus dem Silicon Valley sind sehr pragmatisch. Das hat man auch ganz gut an Steve Jobs gesehen, der ja eher ein kreativer Zerstörer war. Aber er hat sich auch angepasst. Und Sie kennen das berühmte Bild der Aufwartung, als alle Tech-Größen zur Aussprache nach Washington zu Trump gereist sind. Ich glaube kaum, dass sie alle den Exodus nach Indien, Europa oder Deutschland starten. Es wird Grummeln geben unter Trump, aber sie werden da bleiben und sie werden weiter ihre Produkte entwickeln.

Was Deutschland von anderen Ländern lernen kann

Welches Land in Europa ist der Vorreiter in Sachen Digitalisierung?

In Lettland und in den baltischen Staaten gibt es schon digitales Wählen und digitale Parlamente. Aber der Wakeup-Call ist angekommen. Günther Oettinger, EU-Kommissar für Haushalt und Personal und ehemals für Digitale Gesellschaft und Wirtschaft, oder Andrus Ansip, EU-Kommissar für den digitalen Binnenmarkt, betonen häufig genug: „Es gibt viel zu tun.“

Was können wir uns von diesen Ländern abschauen?

Sicherlich das Schulsystem. Die Länder sind im Umgang mit Medien in der Schule schon viel weiter als wir. Sie haben ein Unterrichtsfach „Medienkompetenz“, ganz nach dem Motto: „Nur was man kennt, kann man verstehen und beherrschen.“ Das ist genau der richtige Ansatz.

Aber das können wir mit unserem föderalen System erst mal nicht so leicht ändern.

Deswegen dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben.

Hoffnung hatten Sie auch bei einem anderen Thema: Lange war es eines Ihrer Ziele, mehr Frauen für die digitale Welt zu begeistern. Es gab sogar zeitweise eine DLDwomen. Warum haben Sie die aufgegeben?

Ich habe die DLDwomen aufgegeben, weil ich nicht wollte, dass Frauen mit allen Mitteln in die Männerwelt  drängen. Man muss die Ziele hin zu mehr Vielfalt gemeinsam formulieren und anpacken. Es gibt viele Frauen, die daran interessiert waren. Aber jetzt sind wir auf dem Stand, dass wir gemeinsam mit den Männern den Weg dahin gehen wollen.

Was hat bei Ihnen diese Kehrtwende ausgelöst?

Es gab keine Kehrtwende. Das war von Anfang an so geplant, dass die Konferenz speziell für Frauen nur ein paar Male stattfindet. Ich wollte erst einmal die Aufmerksamkeit auf das Thema lenken und die Tech-interessierten Frauen erreichen.

Sie sind die Pionierin des Geschäfts mit den Tech-Konferenzen in Europa. Was ist der größte Unterschied, seit Sie mit der ersten DLD loslegten?

2005 gab es noch kein Twitter. Wir waren auf einer Digitalkonferenz, während die meisten noch gar nicht wussten, was „wireless“ ist. Wir haben damals schon gesehen, da entsteht etwas und wir müssen darüber sprechen. Heute sind die sozialen Medien überall. Wir warten nun alle auf das nächste große Ding. Wir sind auch stolz darauf, die damals noch unbekannten Leute auf die Bühne zu holen.

Sie hatten Zuckerberg als ersten in Deutschland oder Travis Kalanick von Uber. Wer ist der nächste aufkommende Tech-Durchstarter?

Das weiß man vorher immer nicht so genau.

Haben Sie denn eine Vermutung? Steht er 2017 auch bei Ihnen auf der Bühne?

Der KI-Forscher Demis Hassabis ist einer der spannendsten Menschen, die ich im vergangenen Jahr getroffen habe. Oder Michele Mosca von der University of Waterloo forscht im Bereich der Quantenphysik. Es wird interessant sein zu hören, welche Produkte es mit „Quantum Computing“ geben könnte. Leute, die in ein paar Jahren bekannter sind, sind sicherlich diejenigen, die „out of the box“ denken.

Sollten wir nicht lieber aufhören, die Vertreter aus dem Valley wie Superstars zu behandeln und unsere eigene Start-up-Szene feiern?

Unbedingt. Was aus dem Silicon Valley kommt, ist interessant, aber es wird auch mit viel Geld finanziert. Und vieles, was in den USA entsteht, schwappt nach ein paar Jahren zu uns hierüber nach Deutschland. Aus dem Grund sollten wir die hiesige Venture Capital (VC)- und Start-up-Szene unterstützen. Das tun wir auch: Wir haben Redner wie Peter Schwarzenbauer von BMW, den Unternehmer Oliver Samwer, Tom Enders von Airbus, Carsten Spohr von der Lufthansa.

"Es gibt nichts Schöneres als das, was wir machen."

Die Konkurrenz zu Ihrer Digitalkonferenz ist inzwischen gewaltig. Der Web Summit hat sich zum größten Event aufgeschwungen mit vielen internationalen Ablegern. Wie kann man in dem ganzen Konferenz-Lärm überhaupt noch auf sich aufmerksam machen?

Hier ist das berühmte „brand building“ gefragt. Wie kann man eine Marke aufbauen und sie am Leben erhalten? Wie kann man sie weiterführen? Dazu brauchen wir Motivation, ein Alleinstellungsmerkmal, ein gutes Team und ein breites Netzwerk.

Haben Sie das denn?

Ja. Mein Team ist wunderbar. Wir sind alle unglaublich motiviert, die Digitalisierung voranzutreiben. Es gibt nichts Schöneres als das, was wir machen. Ich mache diese Konferenz seit vielen Jahren und habe durch meine Neugier so viele Menschen kennengelernt. Die Leute kommen jedes Jahr wieder. Außerdem schaue ich mich in allen Bereichen um: ich bin auf Wissenschaftskongressen, ich gehe zu Pop-Konzerten.

Und wie ist das mit der Alleinstellung?

Ich bin gar nicht so sehr für ein Konkurrenzdenken bei unseren Digitalkonferenzen. Es freut mich doch, wenn es ein breites Angebot gibt. Wir profitieren alle voneinander.



Planen Sie neue Ableger oder Formate?

Ich habe schon Ideen. Ich werde etwas Tolles, etwas Unerwartetes auf der diesjährigen Konferenz verkünden.

Die DLD wird jetzt 13 Jahre alt. Was sind Ihre Highlights?

Zum Beispiel haben wir Jan Koum, den Chef von WhatsApp, das erste Mal auf die Bühne geholt. WhatsApp war schon ziemlich erfolgreich. Deswegen kam die Frage auf, ob Koum das Unternehmen demnächst verkaufen wollen würde. Er lehnte ab. Drei Wochen später gehörte WhatsApp zu Facebook. Man sieht, dass auf der Konferenz schöne Kontakte entstanden sind. Sicherlich hatte es auch  vorher schon Gespräche mit Facebook gegeben, aber die DLD war einer der Auslöser.

Wir haben auch Hochzeiten gestiftet: Leute, die sich kennengelernt haben, haben später geheiratet. Junge Gründer haben auf der DLD ihre Investoren kennengelernt. Wir sind ein tolles Netzwerk.

Frau Czerny, vielen Dank für das Interview.

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