Alles fing harmlos an, damals vor 44 Jahren im Büro einer Computerfirma in Boston. Der Programmierer Ray Tomlinson tippte ein paar Buchstaben in seinen Computer und klickte als erster Mensch auf den Sendeknopf eines E-Mail-Programms. Die Nachricht landete kurz darauf bei ihrem Empfänger: einem anderen Computer von Tomlinson, der einige Meter entfernt stand. Die erste E-Mail der Welt war ein Selbstgespräch.
Seitdem sind einige Mails dazugekommen, viele waren vermutlich ähnlich inhaltsleer. Und es geht immer weiter: Im Jahr 2018 werden weltweit 140 Milliarden berufliche E-Mails verschickt, schätzt das Marktforschungsunternehmen Radicati Group – pro Tag.
Für Büroarbeiter sind E-Mails bisweilen eine Qual, manchmal richten sie echten Schaden an. Niemand weiß das besser als Hillary Clinton, die sich kürzlich für die dienstliche Nutzung ihres privaten E-Mail-Anschlusses als US-Außenministerin entschuldigen musste. Oder die Angestellte des Deutschen Bundestags, die im Jahr 2012 die Server überlastete. Sie schickte eine E-Mail versehentlich an mehr als 4000 Konten – weil sie auf „Allen antworten“ gedrückt hatte. Noch peinlicher war der Fauxpas der Fondsgesellschaft Aviva Investors, der 2012 per E-Mail aus Versehen alle 1300 Angestellten weltweit feuerte – obwohl er nur eine einzige Kündigung aussprechen wollte.
Die größten Fehler beim Einsatz von E-Mails
„Welche negativen Auswirkungen ergeben sich aus einem unreflektierten Umgang mit dem Medium E-Mail?“ Der E-Mail-Spezialist Günter Weick, der mit seinen Kollegen von SofTrust Consulting seit 2001 die E-Mail-Kultur internationaler Unternehmen gestaltet, nennt in seinem Buch „Wenn E-Mails nerven“ zwölf potentielle negative Nebenwirkungen.
Eine davon ist die Verschwendung von Arbeitszeit. Beratungsgesellschaften beziffern den Wert der verlorenen Arbeitszeit auf mehrere Milliarden Euro jährlich.
E-Mails haben Suchtpotenzial. Auf lange Sicht leisten die Mitarbeiter so in der regulären Arbeitszeit weniger.
Wer sich von E-Mails treiben lässt, ermüdet schneller, wie Studien belegen. Die ständigen Unterbrechungen durch Emails erhöhen das Bournout-Risiko.
Jeder dürfte es schon mal erlebt haben, dass der Text einer E-Mail falsch verstanden wird. Missverständnisse passieren einfach sehr viel häufiger als in direkten Gesprächen. Zudem treten auch fachliche Fehler leichter auf.
Hierarchien haben sich ja nicht aus Zufall gebildet. Wer berichtet was an wen – das umgeht die E-Mail-Kommunikation viel häufiger, als es alle Beteiligten wahr haben wollen. Vielleicht geht der „kleine Dienstweg“ per Email manchmal schneller, aber das geht zu Lasten von Zuverlässigkeit und Qualität.
Anstatt richtig in Prozessen organisiert zu sein, wird vieles immer wieder als Einzelfall betrachtet. Das ist nicht nur aufwendiger, sondern es passieren auch mehr Fehler.
Soziologen und Psychologen sagen, dass jene Menschen, die vor allem elektronisch kommunizieren, die Fähigkeit und das Interesse verlieren, sich mit Menschen direkt auseinanderzusetzen.
Es gibt viele Themen, in den E-Mails einfach die uneffektivere Kommunikationsform sind (siehe Seite 2). Die Geschäftsvorfälle dauern länger als notwendig und erfordern mehr Aufwand. So manches Thema, das sich per E-Mail über Wochen hinzieht, ist in einer Zehn-Minuten-Besprechung vom Tisch.
Das dringende Kleine im Posteingang wird wichtiger als das wirklich wichtige Große. Auch das ist ein Nachteil der E-Mail-Kommunikation. Umso wichtiger ist es, sich da gut zu organisieren.
Es kommt schnell zu einem Realitätsverlust: Mitarbeiter schicken Dutzende E-Mails durch die Gegend und glauben, sie hätten wirklich gearbeitet. Doch wie produktiv sind die meisten E-Mails wirklich? Hat man für das Unternehmen tatsächlich so viel bewegt, wie man in derselben Zeit hätte können?
Wer über weitere Strecken des Tages auf eingehende E-Mails reagiert, hat folglich weniger Zeit zum Agieren. Das frustriert den Einzelnen und bringt dem Unternehmen wenig.
Jeder will E-Mails schnell vom Tisch haben. Also wo immer möglich gilt da die Devise: weiterleiten statt erledigen.
Für Organisationspsychologen, Informatiker und Kommunikationswissenschaftler sind E-Mails jedoch ein Glücksfall. Denn die elektronische Post erlaubt einen Blick in die Seele der Angestellten – und der gesamten Unternehmenskultur. Leider kommt die E-Mail in den meisten Studien nicht allzu gut weg.
Kein Wunder: Kaum wollen sich Angestellte konzentriert einer Aufgabe widmen, macht es pling. Aus Neugier schauen die meisten sofort ins Postfach, egal, ob unterwegs auf dem Handy oder am Rechner im Büro. Abends wissen sie vor lauter E-Mails nicht mehr, wo der Tag geblieben ist – und fühlen sich ausgelaugt. Wie viel Stress E-Mails tatsächlich verursachen, fanden Kostadin Kushlev und Elizabeth Dunn von der Universität von British Columbia heraus.
Für ihre Studie rekrutierten sie 124 Angestellte aus unterschiedlichen Bereichen. In der ersten Woche sollten sie nur dreimal täglich ihre E-Mails lesen und beantworten, ansonsten sollten sie den Posteingang ignorieren. In der zweiten Woche sollten sie hingegen so oft wie möglich ihre Mails checken.
Je mehr E-Mails, desto Stress
Jeden Tag schickten die Forscher den Teilnehmern am Ende ihres Arbeitstages einen Fragebogen. Dort sollten sie unter anderem eintragen, ob sie sich gestresst oder entspannt fühlten. Das Ergebnis: Je öfter die Angestellten am Tag Mails gecheckt hatten, desto gehetzter fühlten sie am Abend.
Was bei der Arbeit stresst
Was sorgt im Büro für Stress? Der Personaldienstleister Robert Half hat im höheren Management nach den wichtigsten Gründen gefragt. Dabei gaben 18 Prozent der Befragten zu viel Verantwortung oder ständiges an die-Arbeit-denken auch in der Freizeit als Grund für Stress bei der Arbeit an. Nur in Tschechien können die Beschäftigten außerhalb des Arbeitsplatzes schwerer abschalten - dort gaben 28 Prozent an, dauernd an die Arbeit denken zu müssen. Auf der anderen Seite der Skala ist Luxemburg: nur fünf Prozent haben dort dieses Problem.
Keinen Stress haben dagegen nur sieben Prozent der deutschen Befragten. Genauso niedrig ist der Anteil derer, die ihren aktuellen Job nicht mögen.
Unangemessener Druck vom Chef nannten 27 Prozent der Befragten hierzulande als Stressgrund. In Brasilien sind es dagegen 44 Prozent.
Wenn der Chef sich eher um sein Handicap kümmert, statt ordentlich zu führen: 28 Prozent der Befragten sind mit der Managementfähigkeit des Chefs unglücklich. Das Unvermögen des führenden Managers, das zu Stress führt, scheint in Luxemburg relativ unbekannt zu sein - nur 11 Prozent der Befragten sind dort mit den Befragten unglücklich, in Dubai sind es gar neun Prozent.
Dass unangenehme Kollegen oder fieser Büroklatsch zu Stress führen kann, ist allgemein bekannt. Dementsprechend führen auch 31 Prozent der Befragten das als Stressgrund an - der Anteil derer, die das ähnlich sehen, liegen in allen anderen Ländern fast gleich hoch - außer in Brasilien: 60 Prozent der Befragten geben unangenehme Kollegen und fiesen Büroklatsch als Stressgrund an.
Ein weitere Stressgrund: personelle Unterbesetzung. 41 Prozent der Befragten sehen das als wichtigen Grund für Stress bei der Arbeit an - ein Wert, der fast in allen Ländern ähnlich ist.
Doch am problematischsten, laut der Studie: die hohe Arbeitsbelastung. 51 Prozent der Befragten gaben dies als Stressgrund an. Deutschland liegt damit im Schnitt, auch in den anderen elf Ländern ist ein ähnlich hoher Anteil der gleichen Meinung.
Wissenschaftlern zufolge liegt das auch an der besonderen Form der Kommunikation. Die schriftlichen, knappen Formulierungen erschweren die Verständlichkeit und fördern Missverständnisse. Kaum jemand kann zwischen ernsten Ansagen und feiner Ironie unterscheiden. Weder Sender noch Empfänger einer E-Mail scheinen sich bewusst zu sein, dass sich Ironie oder andere subtile Botschaften nur schwer in Textform übermitteln lassen. „Menschen überschätzen, wie gut sie mit E-Mails kommunizieren können“, sagt der Psychologe Justin Kruger von der New-York-Universität. Das gilt längst nicht nur für Ironie – sondern auch für Emotionen wie Ärger und Trauer, wie Psychologen in mehreren Experimenten zeigen konnten. Und vor allem für Humor. Einen Witz über E-Mail richtig rüberzubringen, ist noch schwieriger, als Ironie zu verdeutlichen. Trotzdem glauben auch hier die meisten Menschen, dass der Empfänger ihrer lustig gemeinten E-Mail den Humor schon versteht.
E-Mails nach Bauplan
Nun fällt es vielen Menschen schon von Angesicht zu Angesicht schwer, die Perspektive einer anderen Person einzunehmen – vor dem Bildschirm versagt die Empathie dann vollends. Dabei wäre sie gerade bei E-Mails notwendig. Das belegte vor einigen Jahren auch ein Experiment von Kommunikationsforschern der französischen Business School Insead. Sie ließen ihre Probanden über ein Chat-Programm an einem Verhandlungsspiel teilnehmen, bei dem jeweils zwei Freiwillige gegeneinander antraten und je nach Verhandlungsgeschick unterschiedliche Gewinne erzielen konnten.
Einigen Teilnehmern gaben die Forscher den Auftrag, die Sprache des Gegenübers genau zu analysieren und darauf zu achten, ob er zum Beispiel Emoticons oder ähnliche Symbole benutzte. Anschließend sollten sie sich an dessen Kommunikationsstil anpassen und möglichst genauso schreiben. Diese Strategie war äußerst erfolgreich. Wer den Stil seines Gegenübers besonders gut imitierte, holte bei der Verhandlung deutlich mehr für sich heraus.
Geschäftsmodell perfekte E-Mail
Auf solchen Erkenntnissen will das amerikanische Start-up Crystal ein Geschäftsmodell aufbauen. Die Gründer versprechen, die perfekte E-Mail zu schreiben. Dafür muss man der Software nur sagen, an wen die Mail gehen soll. Die Algorithmen suchen dann alles zusammen, was es über den Empfänger im Internet zu finden gibt, und erstellen daraus ein sprachliches Profil. Das Programm wertet zum Beispiel Beiträge in sozialen Netzwerken aus. Kommt jemand direkt zur Sache, oder schickt er gerne etwas Small Talk voraus? Am Ende spuckt Crystal einen detaillierten Bauplan für die richtige E-Mail an den jeweiligen Empfänger aus.
So werden Sie der E-Mail-Flut Herr
Susanne Wagner und Günter Weick von SofTrust Consulting zeigen in ihrem Buch „Management by E-Mail“ auf, wie Führungskräfte sich aus der E-Mail-Falle befreien können. Gemäß dem „Management-By-E-Mail“-Methode sollten sich Führungskräfte im ersten Schritt darüber klar werden, wie stark E-Mail sie wirklich belastet. SofTrusts E-Mail-Effizienzprojekte zeigen, dass sich die gefühlte und reale Belastung durch E-Mail meist deutlich unterscheiden. Meist ist die Belastung deutlich höher als subjektiv wahrgenommen.
Es gibt kaum eine Zahl in der Unternehmenswelt, über die man trefflicher streiten kann, als die „richtige“ Anzahl an E-Mails, die ein Manager pro Tag bewältigen sollte. Einige finden 300 völlig normal, andere regional aktive Angestellte schreiben 20 und erhalten 30 E-Mails pro Tag. Natürlich ist es vom Einzelfall abhängig.
Wer 100 E-Mails oder mehr pro Tag bekommt, liegt aus Sicht der Autoren „auf jeden Fall jenseits einer akzeptablen Grenze“. Es gäbe keinen relevanten Managerjob, in dem er über täglich 100 Sachverhalte informiert werden muss. Wenn doch, macht er irgendetwas falsch.
Lassen Sie sich aus jedem Verteiler löschen, den Sie nicht zwingend brauchen. Falls Sie ein Kollege unerwünscht in (s)einen Verteiler aufnimmt, sprechen Sie mit darüber.
Wenn Sie E-Mails von bestimmten Personen bekommen oder mit bestimmten Schlüsselwörtern, können Sie ihren Email-Client so programmieren, dass sie entweder sofort gelöscht oder in einen bestimmten Ordner verfrachtet werden.
Überprüfen Sie die Informations-E-Mails wie Newsletter, die Sie bekommen. Filtern Sie die, die sie nicht (mehr) brauchen, hinaus. Lassen Sie diese E-Mails in einen bestimmten Ordner einlaufen. Wenn Sie an einem Tag keine Zeit haben, sie zu lesen, stören Sie Ihren Alltag nicht.
Es gibt Unternehmen, bei den machen Empfangs- und Lesebestätigungen 30 Prozent des E-Mail-Aufkommens aus. Schalten Sie diese Tools ab. Zum einen sind sie ohnehin unzuverlässig und zum anderen nerven sie viele Empfänger massiv.
Wenn Sie noch Spam bekommen, informieren Sie dringend Ihre IT-Abteilung. Es ist heutzutage absolut möglich, völlig frei von Spams zu leben.
Nicht nur, aber besonders leitende Angestellte müssen sich auf ihre Kernaufgaben fokussieren. Und das gilt auch für ihr E-Mail-Postfach. Wer mal nachzählt, kommt auf maximal 40 Prozent. Also weniger als die Hälfte der E-Mails eines Managers haben mit seinen Kernaufgaben zu tun.
Ein besonderes Problem ist das in CC-Setzen. Doch eine E-Mail, in der ein Vorgesetzter in Kopie gesetzt wird, zählt keineswegs zu „Personal führen“ oder „Fortschritte kontrollieren“. Also reduzieren sie jede überflüssige E-Mail und sagen Sie es auch den Kollegen, dass sie nicht mehr zwingend in CC gesetzt werden wollen. Von Ausnahmen abgesehen sollte keine E-Mail mehr als zwei Empfänger haben.
Früher mussten Mitarbeiter Zeit investieren, um Informationen so aufzubereiten, dass sie für den Vorgesetzten nutzbar waren. Eine CC-Kopie dreht den Arbeitsaufwand um: null für den Mitarbeiter, viel für den Chef. Da Kopien ja für den Empfänger und nicht den in CC-Gesetzten gedacht sind, braucht Letzterer überdurchschnittlich viel Zeit, um sie zu lesen.
Wenn jemand eine E-Mail in Kopie erhalten hat, hat er deren Inhalt nicht automatisch gelesen und voll verstanden. Das scheint eine triviale Wahrheit zu sein, doch die Anspruchshaltung in Unternehmen ist oft eine andere. Bedenken Sie also, dass ihr Chef oder Ihr Kollege nicht jede CC-Email auswendig kennt.
Kopiert ein Mitarbeiter seinen Chef bzw. ein Kollege den anderen auf seine E-Mail, werden die Empfänger der E-Mail ihn auch wieder mit hinein nehmen.
Legen Sie fest, wie Sie informiert werden möchten. Wenn Sie keine CC-Kopie wollen, heißt das ja nicht, dass Sie auf Informationen verzichten möchten. Etablieren Sie ein Berichtswesen, verlangen Sie kommentierte Info-Kopien, demotivieren Sie externe CC-Setzer und verweisen Sie konsequent auf die Kompetenz der zuständigen Mitarbeiter.
Nun muss ein leitender Angestellter auch solche Aufgaben lösen, die nicht zu seinem Kernbereich gehören und man notwendiges Übel nennen könnte. Diese Dinge kommen in aller Regel per E-Mail. Gänzlich vermeiden lässt sich das nicht, wohl aber reduzieren. Differenzieren Sie zwischen Notwendige-Übel-E-Mails und solchen, die tatsächlich unnötige Zeitverschwendung sind. Der Anteil ist höher als Sie denken.
Viele Mitarbeiter ziehen ihre Führungskräfte mit E-Mails viel zu sehr in das Tagesgeschäft hinein. Das ist oft ein Anzeichen dafür, dass sie überfordert sind, ihnen wichtige Informationen fehlen oder sie sich absichern wollen. All dies kann ein guter Chef anders lösen, so dass täglich Dutzende E-Mails ausbleiben.
Wenn es nach dem Harvard-Psychologen Andrew Brodsky geht, sollte solche Software um eine Funktion ergänzt werden: Tippfehler zu machen. In einer Reihe von Experimenten konnte er zeigen, dass kleine Fauxpas eine E-Mail glaubwürdiger machen.
Brodsky ließ mehrere Testpersonen Mails lesen, bei denen der Absender entweder wütend oder glücklich war. In den wütenden Mails beschwerte sich ein Vorgesetzter über die verspätete Abgabe eines Berichts. Doch der Forscher legte seinen Testpersonen zwei Varianten vor: eine perfekte, eine mit Tippfehlern. Nun fragte er die Probanden, für wie authentisch sie den Absender hielten. Und siehe da: Wer Mails mit Tippfehlern gelesen hatte, glaubte dem Absender eher als jene, die einen makellosen Text bekommen hatten. Perfekte Mails würden zumindest unbewusst als künstlich wahrgenommen werden, glaubt Brodsky – und damit weniger Emotionen auslösen.
Gerade für Führungskräfte könnte es sich daher manchmal lohnen, die Mails schlampiger zu schreiben. Schon in den Sechzigerjahren konnte der US-Sozialpsychologe Elliot Aronson zeigen, dass kleine Fehler das Ansehen von Führungskräften bei ihren Mitarbeitern steigern. Die These des Forschers: Die Chefs wirken dadurch menschlicher und vertrauenswürdiger. Doch auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift.
Absichtlich Fehler in die Mails zu streuen sei riskant, warnt Brodsky. Denn sein Experiment zeigt: Werden es zu viele Fehler, hält der Empfänger den Autor der Mail für weniger intelligent. Der Psychologe rät daher, Mails vor dem Abschicken gegenzulesen, um die gröbsten Fehler zu korrigieren. Wem doch ein Fauxpas passiert, der muss sich nicht grämen: Kleinere Ausrutscher können die Botschaft der Mail sogar verstärken.
Ablenkendes Blinken
Anders ist es jedoch mit diesem einen bissigen Satz in der Mail an den Chef, den man sich doch nicht verkneifen konnte. Jeder kennt die Verlockung, E-Mails als Wutventil zu benutzen. In den USA gibt es dafür bereits einen eigenen Begriff: „e-venting“, was so viel heißt wie „elektronisch Dampf ablassen“. Keine gute Idee. Vor allem, weil das Abreagieren auch dem Absender der Mail nicht hilft. Das zeigte ein Experiment des Psychologen Brad Bushman. Er ließ Studenten einen Aufsatz schreiben, den sie anschließend einem Prüfer vorstellen mussten. Der kritisierte sowohl Sprache als auch Inhalt.
Die Studenten hatten also gehörig Wut im Bauch, als sie zum zweiten Teil des Experimentes kamen. Dort durfte ein Teil der Probanden auf einen Boxsack einschlagen, während sie an den Prüfer denken sollten. Die anderen Teilnehmer, die ähnlich wütend waren, durften ihren Ärger nicht rauslassen. Der zweiten Gruppe ging es nachher deutlich besser. Seine Wut abzulassen bringe nichts, schloss Bushman.
Guido Hertel kennt das Phänomen. Der Organisations- und Wirtschaftspsychologe der Universität Münster rät daher zu einem Trick. „Wer seine Wut unbedingt per Mail rauslassen will, der soll das machen“, sagt Hertel, „solange er vor dem Schreiben den Empfänger löscht und die Mail nicht abschickt, sondern nur speichert.“
Verständlichkeit von E-Mail-Antworten
Untersucht wurden die Antworten auf eine typische Kundenanfrage per Kontaktformular, weil es keine direkten Service-Mailadressen gab. Um als leicht verständlich eingestuft zu werden, sollten die Texte einen HIX-Wert von mindestens 16 erreichen. Sony, Apple und Microsoft/Nokia wurden nicht ausgewertet, da der Service nicht angeboten wurde.
Huawei
HIX: 15,3 (weitgehend verständlich)
LG und Acer
HIX: jeweils 15,3 (weitgehend verständlich)
Samsung
HIX: 17,1 (leicht verständlich)
Lenovo
HIX: 17,5 (leicht verständlich)
HP
HIX: 19,8 (leicht verständlich)
Dann sollte man eine Nacht drüber schlafen und die Mail erneut lesen: „Vermutlich will man sie dann nicht mehr abschicken“, sagt Hertel, „oder formuliert sie zumindest konstruktiver.“ Dass E-Mails so viel produktive Arbeitszeit zerstören, liegt Hertel zufolge daran, dass sie falsch genutzt werden.
Süchtig nach E-Mails
Kein Wunder: In einem Klassiker der E-Mail-Forschung konnte der Computerforscher Thomas Jackson von der britischen Loughborough-Universität 2002 zeigen, dass E-Mails geradezu süchtig machen. Er beobachtete mehrere Tage lang die Angestellten einer IT-Beratung. Dabei bemerkte Jackson, dass die meisten ihre Mails innerhalb von sechs Sekunden nach dem Eintreffen öffnen. So weit, so verständlich.
Das Problem war allerdings: Nach der kurzen, vermeintlich harmlosen Unterbrechung dauerte es im Schnitt 64 Sekunden, bis sie sich wieder auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrierten. Das klingt zunächst nach einer Petitesse. Doch da die Angestellten im Schnitt alle fünf Minuten von einer Mail aus ihrer Arbeit gerissen wurden, ging über den ganzen Tag ein großer Teil der Arbeitszeit durch E-Mails verloren.
Psychologe Hertel rät Unternehmen daher, E-Mail-Regeln einzuführen. Oft lasse sich die Zahl der Mails durch einfache Verhaltensänderungen reduzieren. „Ein Großteil der Mails, die jeden Tag geschickt werden, ist überflüssig“, sagt Hertel. Die vielen Ein-Wort-Mails mit „Danke, bitte, gern geschehen“ könne man meistens weglassen. Auch durch die Angewohnheit, im Zweifel die ganze Abteilung „in cc“ zu setzen, entstehen viele unnötige E-Mails .
Den Empfängern von störenden E-Mails rät Hertel, die blinkenden Benachrichtigungssymbole im Posteingang abzuschalten. „Eine E-Mail muss nicht sofort beantwortet werden. Sie ist ein Kommunikationsmittel, das extra dafür gemacht wurde, erst später bearbeitet zu werden“, sagt er. Wer seine E-Mails zum Beispiel nur zwei Mal täglich durchgeht und beantwortet, ist deutlich produktiver und zufriedener.
Eines ist jedenfalls sicher: Los werden wir die elektronische Post so schnell nicht. „Im Büro wird die E-Mail noch lange überleben“, prognostiziert Hertel. „Dafür hat sie einfach zu viele Vorteile.“