"Ich sehe mich gezwungen, eine schwierige Entscheidung zu fällen - entweder mitschuldig an Verbrechen gegen das amerikanische Volk zu werden oder zehn Jahre harte Arbeit aufzugeben und Lavabit zu schließen", erklärte der Besitzer des E-Mail-Dienstes Lavabit, Ladar Levison, auf der Internetseite des Unternehmens. Er habe sich entschieden, die Arbeit einzustellen; er dürfe aber nicht über die Ereignisse der vergangenen sechs Wochen diskutieren, die zu dieser Entscheidung geführt hätten. „Ich wünschte, ich könnte mit euch legal teilen, welche Ereignisse zu meiner Entscheidung geführt haben“, erklärte Levison. „So wie die Dinge derzeit stehen, kann ich nichts über meine Erfahrungen in den letzten sechs Wochen sagen, obwohl ich zweimal die entsprechenden Anfragen gestellt habe.“
Das entspricht dem Zeitraum, seit Snowden mit seinen Informationen über die Ausspähaktionen des US-Geheimdienstes NSA an die Öffentlichkeit ging. In Levisons Erklärung wurde weder Snowden namentlich erwähnt noch eine konkrete Ermittlung gegen sein Unternehmen. Der Zeitpunkt der Erklärung legt aber nahe, dass Lavabits Schließung aus Protest gegen die US-Fahndung gegen den 30-jährigen Snowden erfolgt, der umfassende Details über Spähprogramme des US-Geheimdienstes NSA bei der Telefon- und Internetnutzung enthüllt hat.
Lavabit könnte Snowdens Wahl gewesen sein, weil der E-Mail-Anbieter sich als sichere, der Privatsphäre verpflichtete Alternative zu den Webmail-Diensten von Yahoo und Google dargestellt hat. In inzwischen nicht mehr im Internet abrufbarem Werbematerial von Lavabit hatte es geheißen, der Dienst sei speziell dafür konzipiert worden, geheimen Abfragen von US-Behörden zu widerstehen.
Für ein E-Mail-Konto Snowdens bei Lavabit gibt es mehrere Indizien. Die russische Menschenrechtsaktivistin Tanja Lokschina hat erklärt, vor ihrem Treffen mit Snowden im vergangenen Monat auf einem Moskauer Flughafen habe sie eine E-Mail von ihm mit einer Lavabit-Adresse erhalten. Eine Online-Datenbank des Massachusetts Institute of Technology zeigt, dass auf den Namen „Ed Snowden“ drei Adressen in den vergangenen vier Jahren bei Lavabit registriert waren.
Levison kündigt juristische Schritte an
Die jüngsten Erfahrungen hätten ihm eine sehr wichtige Lektion erteilt, schrieb Levison. Solange es keine klaren Aktionen des Kongresses oder der Justiz dazu gebe, könne er nur jedem dringend abraten, seine privaten Daten einem Unternehmen anzuvertrauen, dass direkte Beziehungen zu den Vereinigten Staaten habe. Das US-Justizministerium äußerte sich zunächst nicht dazu.
Lavabit hatte seinen Kunden zugesagt, dass deren E-Mails auf den Servern des Unternehmens verschlüsselt werden und dass ein Zugang zu den Mails nur mit dem Passwort des Nutzers möglich sei. Lavabits Erklärung lässt vermuten, dass die US-Behörden möglicherweise Zugang zur E-Mail-Korrespondenz von Snowden, zu anderen Informationen über ihn oder zum Schlüssel seiner Mails bekommen wollten oder sogar einen Zugang zu den Daten der Hunderttausenden anderen Lavabit-Kunden.
Es handele sich um einen seltenen und vielleicht sogar einzigartigen Fall, dass ein US-Unternehmen lieber seine Tätigkeit einstelle als einer Bitte von US-Behörden zur Herausgabe von Informationen nachzugeben, sagte Kurt Opsahl, ein Anwalt der Bürgerrechtsgruppe Electronic Freedom Foundation in San Francisco. Ihm sei kein Fall bekannt, wo ein Anbieter sich entschlossen habe, unter diesen Umständen seinen Dienst einzustellen.
Im Rahmen der von Snowden angestoßenen Enthüllungen war herausgekommen, dass die großen amerikanischen E-Mail-Anbieter wie Google und Microsoft und andere von den Behörden gedrängt wurden, die Geheimdienste bei der Ausspähung von Daten zu unterstützen.
Levison kündigte an, seine Firma bereite juristische Schritte vor, um „Lavabit als amerikanisches Unternehmen wieder auferstehen zu lassen“.