WirtschaftsWoche: Herr Musk, Sie investieren Ihr Vermögen in Elektroautos und Raketen. Wie passt das zusammen? Werden Raketen eines Tages elektrisch durchs All fliegen?
Musk: Es ist unmöglich, Elektroraketen zu bauen. Alle anderen motorisierten Transportmittel aber werden über kurz oder lang mit Strom betrieben. Und auch Raketen ließen sich nachhaltiger antreiben, durch elektrisch erzeugtes Methan beispielsweise. Das Gas lässt sich schon heute mithilfe von grünem Strom aus Wasserstoff und Kohlendioxid erzeugen.
Das ist mir zu technisch. Ich dachte eher an eine Vision, die beide Projekte eint. Oder treibt Sie nur Abenteuerlust?
Wenn man nach der risikobereinigten Rendite ginge, dann gäbe es sicher bessere Investments. Ich hätte genauso gut noch eine Internet-Firma mit den besten Technikern im Land gründen können. Aber mir stand der Sinn nach etwas Neuem. Meinen Beitrag zur Entwicklung des Internets habe ich schon geleistet. Ich wollte etwas tun, an das sich keiner wagte.
Ein Privatunternehmen, das Raketen ins all schießt, ist tatsächlich neu.
Ja. Wobei ich – ehrlich gesagt – sowohl bei meinem Elektroauto Tesla wie auch bei meinem Raumfahrtunternehmen SpaceX anfangs dachte, dass die Projekte wohl zum Scheitern verurteilt wären. Ich hatte keine Ahnung von Autos, ich hatte keine Ahnung von Raketen – und beide Unternehmen wären 2008 ja auch fast zugrunde gegangen. Wir überlebten nur knapp. Bei SpaceX waren die ersten drei Startversuche erfolglos. Erst unser vierter und allerletzter Versuch klappte Ende 2008. Und bei Tesla hatten wir 2008 Finanzierungsverhandlungen, die erst im allerletzten Moment zu einem Abschluss kamen, am Weihnachtsabend kurz vor sechs.
Und darüber wurden Sie zum Car Guy?
Selbst würde ich mich nicht als Car Guy bezeichnen, ich habe eher ein Faible für Technik. Mir gefallen Autos nicht um ihrer selbst willen, sondern dann, wenn alles daran perfekt ist. Mein erstes Auto war ein 20 Jahre alter Buick, der zwar superbillig war, aber von lausiger Qualität.
Nun setzen Sie auf Elektroautos. Warum?
Elektroautos gehört die Zukunft.
Schon vor 100 Jahren fuhren Autos elektrisch. Aber sie hatten das Handicap der hohen Kosten und geringen Reichweiten.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Elektronik noch nicht so weit, die Batterien waren schlecht. Dennoch waren die Stromer anfangs konkurrenzfähig.
Sind sie es denn heute?
Sobald das Reichweitenproblem gelöst ist, sind Stromer schon vom Prinzip her überlegen, weil sie mit wenigen Teilen auskommen. Eines Tages werden wir uns überwiegend mit Elektroantrieben fortbewegen. Wenn die Elektrifizierung rasch vorangeht, ist das gut für den Planeten, wenn es lange dauert, umso schlechter.
Audi hat entschieden, kein Elektroauto zu bauen - weil sie sich nicht rechnen.
Ich finde es schon erstaunlich, dass sich in Bezug auf Elektroautos weltweit nicht mehr tut. Es ist bereits sechs Jahre her, dass wir den Tesla Roadster gebaut haben. Und in all den Jahren hatten wir keinerlei Konkurrenz durch einen großen Autohersteller. Damit hätte ich nie gerechnet. Erst jetzt wird dem Elektroauto wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
"Elektroautos gehört die Zukunft."
Ist Tesla für Sie ein gutes Investment?
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, aber derzeit bin ich ganz zufrieden. Insgesamt beläuft sich mein Investment auf 70 bis 80 Millionen, und mein Anteil an Tesla ist, wenn man sich den aktuellen Kurs der Aktie ansieht, derzeit etwa eine Milliarde Dollar wert. Das finde ich keine schlechte Rendite. Natürlich war das mit hohem Risiko verbunden, aber das ist bei Risikokapital nun einmal so.
Zwischenzeitlich hatten Sie große Finanzprobleme. Läuft nun alles glatt?
Vollkommen zufrieden bin ich nicht. Wir brauchten länger als gedacht bis zum Produktionsstart, und auch die Kosten sind höher als erwartet. Wir liegen deshalb drei bis sechs Monate hinter unseren Plänen zurück, aber wir holen rasch auf.
Warum verlief der Start denn so holprig?
Ganz banale Dinge führten zu den Verzögerungen, etwa die verspätete Lieferung der Türinnenverkleidungen. Der Produktionsprozess musste aber weiterlaufen. Es blieb uns nichts anderes übrig, als Hunderte Fahrzeuge ohne die Verkleidung herzustellen und diese dann später nachzurüsten. Solche Pannen waren nicht selten.
Technische Details Tesla Model S
Elektromotor an Hinterachse mit 310 kW (422 PS) Leistung; max. Drehmoment: 600 Nm
Lithium-Ionen-Batterie mit 8000 Zellen; Kapazität: 85 kWh, 1200 A; Reichweite: 483 km
0-100 km/ in 4,6 Sekunden, maximales Tempo: 212 km/h
2106 kg leer
Testwagen: 99.400 Dollar
Heute passiert das nicht mehr?
Seit Dezember stellen wir 400 Fahrzeuge pro Woche her. Jetzt zielen wir auf Effizienzsteigerungen. Ich bin optimistisch und erwarte das erste profitable Quartal in unserer neunjährigen Geschichte.
Sie haben Investoren eine Rendite von 25 Prozent versprochen. Wird die je erreicht?
Aber sicher. Schon zum Jahresende.
Tesla erhielt Staatshilfen über 465 Millionen Dollar. Wann zahlen Sie die zurück?
Wir zahlen schon seit geraumer Zeit Zinsen, und die Kapitaltilgung läuft seit vergangenem Jahr.
Wann ist der letzte Dollar zurückbezahlt?
Die Laufzeit für unseren Kredit beträgt noch zehn Jahre, aber wir haben dennoch vor, ihn in spätestens fünf Jahren zurückzuzahlen.
Vorausgesetzt das Geschäft läuft. Wie groß ist die Nachfrage nach dem Model S?
Uns liegen derzeit 15.000 Bestellungen aus aller Welt vor. Unser gesamtes Produktionsvolumen beträgt nur 20.000 pro Jahr, das heißt, wir sind für dieses Jahr so gut wie ausverkauft.
Wann kommen die ersten Exemplare des Model S nach Europa?
Sie sollen im Juli in Europa eintreffen. In diesem Zeitraum werden wir etwa 40 Prozent unserer Produktion auf die europäischen Märkte bringen.
Die Euphorie über Elektroautos ist jüngst abgeebbt. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Die Nachfrage bereitet mir kein Kopfzerbrechen. Worauf ich mich jetzt konzentriere, sind vielmehr ein exzellenter Service für das Auto, eine Fertigung auf hohem Qualitätsniveau und mehr Effizienz.
Das nächste Modell ist das Model X. Wann beginnt der Verkauf des Autos?
Das Model X wird in der zweiten Hälfte nächsten Jahres in Produktion gehen. Nach Europa kommt es 2015.
Zu welchem Preis?
Die Preisgestaltung wird ähnlich sein wie beim Model S.
"Die Menschheit sollte auf mehreren Planeten ansiedeln"
Tesla produziert in Kalifornien. Warum?
Ganz einfach: Ich lebe hier.
Aber für den Aufbau einer Autoproduktion ist es doch ein eher schlechter Ort.
Bei einer automatisierten Fertigung wäre ein Werk in Mexiko sicher billiger. Wenn man es aber wie wir mit neuer Technologie zu tun hat und es zunächst darum geht, die Maschine zu konstruieren, die dann die Maschine baut, braucht man eine enge Vernetzung zwischen Fertigung und Entwicklung. Das ist im Endeffekt wichtiger als niedrigere Lohnkosten.
Wäre somit später auch eine Fertigung außerhalb der USA denkbar?
Längerfristig gesehen werden wir auch in Europa und Asien produzieren, vielleicht sogar in Deutschland. Ich kann noch nicht sagen, wann es so weit sein wird, aber allein schon die Kosten für die Lieferung vom Standort Kalifornien aus sprechen dafür.
Wenn wir keine Autos bauen würden, könnte uns doch niemand ernst nehmen. Obwohl unsere Fahrzeuge bereits auf den Straßen unterwegs sind, begegnet man uns immer noch mit Skepsis. Anfangs hieß es, ihr schafft es nicht, einen Roadster zu bauen, und falls doch, dann wird ihn niemand kaufen. Und dann fand er doch Abnehmer. Dann hieß es: Bei einem teuren Sportwagen geht das vielleicht, aber nicht bei einem richtigen Auto, einer Limousine zum Beispiel. In PowerPoint-Präsentationen funktioniert immer alles prächtig, aber wir müssen den Menschen beweisen, dass es auch in Wirklichkeit funktioniert. Sonst würden sich jetzt keine großen Autohersteller für uns interessieren.
Risikokapital fließt aktuell eher in Internet-Startups, weniger in Technologieunternehmen. Tesla und SpaceX sind Ausnahmen. Wie erklären Sie sich das?
Risikokapitalgeber sind nicht bereit, außerhalb ihrer Sicherheitszone zu investieren. Die ist relativ eng umrissen und umfasst Software, Internet, Computerhardware, vielleicht noch Gentechnik und Biotechnologie. Vor einem Investment in ein Unternehmen, das sich in einer Branche mit etablierten und kapitalkräftigen Wettbewerbern behaupten will, schrecken sie zurück. Tesla war die erste Neugründung in der Autoindustrie seit 90 Jahren. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Investoren einem neuen Unternehmen keine Chancen einräumen. Tesla ist in dieser Arena eine kleine Maus unter lauter Elefanten. Auch SpaceX ist im Verhältnis zu den großen Luft- und Raumfahrtunternehmen ein Zwerg, dennoch läuft es jetzt ziemlich gut. Mit bereits vier profitablen Geschäftsjahren ist SpaceX ist schon ein bisschen weiter als Tesla.
Musks Erfolgsgeschichte
1995 brach Elon Musk sein Physikstudium an der Stanford University ab, um gemeinsam mit seinem Bruder Kimbal seine erste Firma zu gründen: Zip2. 1999 kaufte Compaqs Suchdienst AltaVista das Unternehmen für 307 Millionen Dollar.
Direkt im Anschluss gründete Musk die Firma X.com, die ein Bezahlsystem via E-Mail entwickelte. Schon ein Jahr später fusionierte das Unternehmen mit dem ähnlich großen Konkurrenzunternehmen Confinity, das sich auf einen Bezahldienst ähnlich PayPal spezialisiert hatte und in den folgenden Monaten zum wichtigsten Online-Bezahlsystem weltweit entwickelte. PayPal wurde 2002 von eBay aufgekauft und erzielte einen Verkaufserlös von 1,2 Milliarden Dollar.
SpaceX war Musks dritte Unternehmensgründung. Das private Raumfahrtunternehmen ist seit deiner Gründung 2002 das weltweit einzige private Unternehmen, das in der Lage ist, ein Raumschiff in eine Erdumlaufbahn zu bringen und anschließend wieder sicher auf der Erde zu landen. Die zugrundeliegende Vision ist es, "die Kosten von Raumflügen zu senken, sodass ein Leben auf anderen Planeten ermöglicht werden kann."
Musk ist zudem Mitbegründer des kalifornischen Elektroauto-Produzenten Tesla Motors, deren Motivation es ist, alltagstaugliche Elektroautos zu produzieren, die herkömmlichen Fahrzeugen in nichts nachstehen.
Musks bislang letzte Unternehmensgründung ist die Firma SolarCity im Jahre 2009. SolarCity ist eines der größten Unternehmen für die Produktion und Installation von Solaranlagen in den Vereinigten Staaten.
Sie planen den Bau von Kolonien auf dem Mars. Wie ernsthaft ist das Projekt?
Ich glaube, die Menschheit sollte sich auf mehrere Planeten verteilen. Sie sollte sich nicht einfach auf einem anderen Planeten ansiedeln. Dazu brauchen wir eine leistungsfähige Raumfahrt. Ich konnte keine zielführenden Anstrengungen in dieser Richtung erkennen, also dachte ich mir, ich muss das selbst angehen. Darum habe ich SpaceX gegründet.
Könnten Sie sich vorstellen, Ihr Leben als Kolonist auf dem Mars zu beenden?
Das wäre fantastisch: auf der Erde geboren zu sein und eines Tages auf dem Mars zu sterben.
Das wäre tatsächlich eine Perspektive?
Ich bin noch nicht 100-prozentig davon überzeugt, aber ich sehe die Möglichkeit, und diese Möglichkeit wird im Lauf der Zeit immer realer werden.
Wann?
So 12 bis 15 Jahre müssen wir uns wohl noch gedulden.