Entwicklerkonferenz Google erlaubt Blick hinter den Vorhang

Auf der diesjährigen Google I/O hat der IT-Gigant wieder einige seiner aktuellen Innovationen vorgestellt. Darunter ein neues Telefon und ein komplett neues Android-Design. Wohin das Unternehmen will.

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Das Google I/O-Logo leuchtet auf der Hauptbühne in San Francisco. Quelle: REUTERS

England, Brasilien, Nigeria - überall auf der Welt haben IT-Experten und Entwickler Googles große Entwicklerkonferenz am Mittwochabend über den Livestream oder vor Ort in San Francisco verfolgt. Einmal im Jahr lädt der IT-Gigant seine Software-Entwickler ein, um über die neusten Aktivitäten zu informieren. Dabei wird vor allem eines klar: Google will die Spitzenposition seines Betriebssystems Android weiter ausbauen.

Schon heute nutzen über 80 Prozent der Smartphone-Besitzer Android. Das sind laut Google über eine Milliarde aktive User am Tag. Am Tag verschicken sie 20 Milliarden Kurznachrichten, schießen 93 Millionen Selfies (Fotos von sich selbst) und nehmen ihr Gerät über 100 Milliarden mal am Tag in die Hand. Und das sind nur die Zahlen für die Smartphone-Nutzung. Bei Tablets erreichte Android laut Google inzwischen einen Marktanteil von 62 Prozent.

Wo Google seine Finger im Spiel hat
Google GlassEines der spannendsten Projekte des Suchmaschinen-Anbieters ist sicherlich Google Glass. Mit der Datenbrille ist es möglich E-Mails abzufragen, im Internet zu surfen, zu fotografieren und zu filmen. 2013 hat das Unternehmen erste Datenbrillen an Webentwickler und Geschäftspartner verkauft, mittlerweile ist die Brille frei verfügbar. Quelle: dpa
Online-MusikdienstGoogle stärkt sein Musikgeschäft mit dem Kauf des Streaming-Dienstes Songza, der passende Lieder für verschiedene Situationen zusammenstellt. Nutzer der Songza-App können zum Beispiel zwischen „Musik zum Singen unter der Dusche“, zum Autofahren oder zum Joggen entscheiden. Solche Song-Listen werden von Songza-Mitarbeitern zusammengestellt, es gibt Angebote für verschiedene Tageszeiten und Stilrichtungen. Zugleich kann sich auch die Software hinter dem Dienst an den Musikgeschmack der Nutzer anpassen. Die Musikauswahl kann über Daten aus dem Netz auch das aktuelle Wetter am Standort des Nutzers abgestimmt werden. Google nannte bei Bekanntgabe des Deals am Dienstag keinen Kaufpreis. Nach Informationen der „New York Times“ waren es mehr als 39 Millionen Dollar. Songza ist bisher nur in Nordamerika verfügbar und hatte Ende vergangenen Jahres 5,5 Millionen Nutzer. Der kostenlose und werbefinanzierte Dienst werden zunächst unverändert weiter betrieben, erklärte Google. Mit der Zeit werde man nach Wegen suchen, wie die Musikplattform Google Play Music von Songza profitieren könnte. Quelle: Screenshot
SatellitentechnikGoogle stärkt seine digitalen Kartendienste mit dem Kauf des Satelliten-Spezialisten Skybox Imaging, der Bilder aus dem All in hoher Auflösung erstellt. Der Preis liegt bei 500 Millionen Dollar in bar, wie der Internet-Konzern mitteilte. Skybox bietet seinen Kunden das Beobachten gewünschter Gebiete mit detailreichen Fotos und 90 Sekunden langen Videos an. Als Dienstleistungen nennt Skybox zum Beispiel die Überwachung von Feldern auf Schädlingsbefall und die Aufsicht über Energie-Pipelines. Auch die Auswertung der Container-Bewegungen in Häfen, der Aktivität auf Flughäfen oder der Bestände auf Parkplätzen von Autohändlern ist möglich. Die Satelliten von Skybox sollen helfen, die Google-Karten auf aktuellem Stand zu halten, erklärte der Internet-Konzern am Dienstag. Außerdem hoffe Google, damit die Versorgung mit Internet-Zugängen und die Hilfe bei Unglücken und Naturkatastrophen zu verbessern. Google ist selbst bei der Entwicklung digitaler Satellitenkarten mit seinem Projekt Google Earth weit vorangekommen. Etablierte Anbieter wie DigitalGlobe oder GeoEye haben den Erdball erfasst, Skybox verspricht jedoch frischere Bilder auf Bestellung. Skybox ist einer von mehreren neuen Anbietern, die von drastisch gesunkenen Kosten für Entwicklung und Herstellung von Satelliten profitieren wollen. Sie packen ihre Technik in deutlich kleinere Satelliten als man sie früher baute. Skybox will über die Jahre rund zwei Dutzend Satelliten ins All bringen, steht bei dem Plan aber erst am Anfang. Die Skybox-Satelliten sind nach bisherigen Berichten rund 100 Kilogramm schwer. Das macht es auch günstiger, sie ins All zu bringen als früher. Die Kosten pro Satellit werden auf rund 25 bis 50 Millionen Dollar geschätzt. Quelle: Screenshot
SatellitentechnikErst im April 2014 hatte Google den Hersteller von Solardrohnen Titan Aerospace gekauft. Mit dem Kauf will Google seine Pläne vorantreiben, drahtloses Internet auch in abgelegenste Teile der Welt zu bringen. Über den Kaufpreis für das US-Unternehmen, das 20 Mitarbeiter beschäftigt, wurde nichts bekannt. Titan entwickelt solarbetriebene Satelliten. Sie sollen 2015 erstmals kommerziell in Betrieb genommen werden. Die Drohnen fliegen in rund 20 Kilometern Höhe und können dort fünf Jahre bleiben. Ihre Spannweite ist mit 50 Metern etwas kürzer als die einer Boeing 777. Medienberichten zufolge war auch Facebook an Titan interessiert. Quelle: AP
Sicherheits-GadgetsGoogle hat die Firma SlickLogin gekauft, die eine innovative Art erfunden hat, herkömmliche Passwörter mit einer zweiten Sicherheitsstufe zu ergänzen. Das israelische Start-up setzt dabei auf Ultraschall-Töne, die zwischen Smartphone und PC eines Nutzers ausgetauscht werden. SlickLogin gab die Übernahme am Sonntag bekannt, eine Preis wurde nicht genannt. Nach Informationen des Technologieblogs „Geektime“, das als erstes von dem Deal berichtet hatte, geht es um einige Millionen Dollar. Derzeit setzt Google als zweite Zugangsstufe zusätzlich zum Passwort Zahlencodes ein, die über eine App auf das Smartphone geschickt werden. Der Vorteil des von SlickLogin entwickelten Systems ist, dass die Authentifizierung automatisch laufen kann, ohne dass der Nutzer sich darum kümmern muss. SlickLogin hatte das Ultraschall-Konzept im vergangenen September vorgestellt und befand sich bis zuletzt noch in einer geschlossenen Test-Phase. Nach Informationen von „Geektime“ bestand die Firma immer noch aus den drei Gründungsmitgliedern. Quelle: WirtschaftsWoche Online
Autonome AutosNicht nur große Automobilkonzerne, auch Google forscht mit viel Aufwand an selbstfahrenden Pkw. Dafür entwickelt der Konzern selbst die Software, die das Auto steuert. Dabei will der Konzern wohl sogar eigene Fahrzeuge auf den Markt bringen, die als autonome Taxen am Straßenverkehr teilhaben sollen. Für die Produktion der Autos gab es bereits Gespräche mit dem deutschen Zulieferer Continental und dem Fertiger Magna. Quelle: dpa
Medizinische GadgetsGoogles geheime Forschungsabteilung Google X hat ihre nächste Erfindung öffentlich gemacht. Es ist eine digitale Kontaktlinse für Diabetiker, die Blutzucker-Werte kontrolliert. Google X soll für den Internet-Konzern die Grenzen des Möglichen austesten. Die Entwickler aus dem Forschungslabor testen laut einem Blogeintrag Prototypen einer Kontaktlinse, bei der zwischen zwei Schichten ein Sensor sowie ein Miniatur-Funkchip integriert sind. Die Linse messe die Glucose-Werte in der Tränen-Flüssigkeit jede Sekunde. Der Prototyp sei in mehreren klinischen Forschungsstudien erprobt worden. Die Kontaktlinse solle die Daten an eine begleitende Smartphone-App funken. Chip und Sensor seien so winzig wie Glitzer-Partikel und die Antenne dünner als das menschliche Haar. Er werde auch erwogen, für Warnsignale Mikro-LEDs direkt in die Linse zu integrieren, hieß es. Es sei noch viel Arbeit zu tun bis die Kontaktlinse als fertiges Produkt auf den Markt komme, schränkten die Entwickler ein. Google wolle sich dafür in dem Bereich erfahrene Partner suchen, die Zugang zu der Technologie bekämen. An dem Projekt arbeitet federführend der Forscher Babak Parviz mit, der schon an den Anfängen der Datenbrille Google Glass stand. Er hatte bereits 2009 demonstriert, wie man Kontaktlinsen mit LEDs versehen kann. Quelle: dpa

Um noch mehr Menschen zu erreichen, will Google nun auch die Schwellenländer stärker angreifen. Dafür baut das Unternehmen eine neue Plattform für günstige Android-Telefone auf. „Android One“ soll Geräte zum Preis von 99 Dollar ermöglichen, kündigte Google-Manager Sundar Pichai am Mittwoch in San Francisco an.

Google reagiert damit unter anderem auf den Vorstoß der Mozilla Stiftung mit Firefox OS. Auch Nokia hat in seinem Portfolio etliche preiswerte Geräte für den Markt. Die ersten Billig-Smartphones sollen schon im Herbst in Indien an den Markt gehen.

Zugleich kündigte das Unternehmen die nächste Android-Version an, die bisher nur mit dem Codenamen „L“ bezeichnet wird. Sie bekommt vor allem ein neues Design sowie verbesserte Funktionen. Wie erwartet wird "L" auch Chips mit 64-Bit-Technologie unterstützen, was unter anderem einen größeren Speicher erlaubt. Zuvor wurde spekuliert, die neue Android-Version könnte „Lollipop“ heißen, weil Google bisher verschiedene Süßigkeiten in alphabetischer Reihenfolge durchnahm. Die aktuelle Android-Version 4.4 trägt den Namen Kitkat.

So können Entwickler künftig leichter Animationen, Schatten und Lichteffekte in ihre Apps einbauen. Außerdem werden mit dem neuen Betriebssystem Nachrichten laufende Apps wie Spiele nicht mehr unterbrechen. Mit einem Wisch können Nutzer die Nachricht zur Seite schieben und später wieder zugreifen.

Schon Ende des Jahres Autos mit Android "L" unterwegs?

Spannend ist auch die neue Integration von Browser- und App-Aktivitäten. Bisher verbindet Google diese beiden Funktionen nicht miteinander. Mit "L" wird sich das ändern. Wer im mobilen Browser auf eine Seite klickt, die auch als App vorliegt, wird diese automatisch in der mobilen Anwendung geöffnet. Unter "Zuletzt benutzt" werden zudem sowohl die Apps als auch zuletzt benutzte Webseiten angezeigt.

Auch über das Thema "Unlocking" hat sich Google Gedanken gemacht. Während Apple seit dem iPhone 5S auf den Fingerabdruck als Alternative zum Passwort setzt, haben sich die Suchmaschinen-Experten etwas anderes einfallen lassen. Sie nutzen Geometrische Daten und typische Anzeichen, wie die Uhr am Hand Gelenk, um den "echten" Nutzer zu erkennen. Passen die einzelnen Elemente zusammen, öffnet sich das Smartphone mit einem Wisch. Passen sie nicht zusammen, wird die Passwortabfrage gestartet.

Auch die Integration der Spracherkennung hat Google weiterentwickelt - und das nicht nur auf Smartphones. Auch Autos und Android-Wearables sollen künftig stärker mit der eigenen Stimme gesteuert werden. Das System ähnelt dem Konzept „CarPlay“ von Apple. Für die Navigation greift "L" auf Google-Karten zurück.

Google hat seine Entwickler explizit dazu aufgerufen, stärker in diese Richtung zu entwickeln. Denn was lange eine Nische war, wird langsam aber sicher zu einem der wichtigsten Geschäftsfelder. Insgesamt ist es Google gelungen über 40 neue Mitglieder für das Projekt Open Automotive Alliance zu gewinnen, mit der Google Android in den Straßenverkehr bringen will. Schon Ende dieses Jahres könnte es soweit sein. Darunter sind unter anderem Audi, Volkswagen, Opel, Renault und Volvo.

Auch bei den Wearables ist es Google gelungen, einen neuen Partner zu gewinnen. Samsung bringt schon im Sommer eine neue Android-Computeruhr namens "Samsung Gear Life" auf den Markt.

Als wäre das alles noch nicht genug - auch im Wohnzimmer will Google sein Betriebssystem verbreiten. So hat das Unternehmen in San Francisco unter anderem Android-TV vorgestellt. Über eine Schnittstelle von Smartphone (oder auch Smartwatch) und Fernseher, kann das TV-Gerät künftig über die Stimme gesteuert werden. Einfach "Breaking Bad" sagen - und die beliebte Fernsehserie startet.

Die Möglichkeiten der Google-Suche kommen hier besonders gut zum Einsatz. Sie wissen nicht mehr, wer die Hauptrolle in einem bestimmten Spielfilm gespielt hat? Einfach per Sprachsteuerung fragen und "L" gibt die Antwort - und liefert auch noch weiterführende Informationen. Android-TV soll sowohl für TV-Geräte als auch für Spielekonsolen oder Setupboxen möglich sein.

In punkto Datensicherheit geht Google mit Samsung eine neue Kooperation ein. Die Knox-Technologie der Koreaner wird in die neue Android-Version integriert. Das Sicherheitssystem ermöglicht es, zwei Android-Systeme auf einem Gerät laufen zu lassen. Damit können beispielsweise Mitarbeiter von Unternehmen ihr privates Android-Smartphone auch geschäftlich zu nutzen, ohne dass sensible Daten verloren oder von Dritten eingesehen werden können. 

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