England, Brasilien, Nigeria - überall auf der Welt haben IT-Experten und Entwickler Googles große Entwicklerkonferenz am Mittwochabend über den Livestream oder vor Ort in San Francisco verfolgt. Einmal im Jahr lädt der IT-Gigant seine Software-Entwickler ein, um über die neusten Aktivitäten zu informieren. Dabei wird vor allem eines klar: Google will die Spitzenposition seines Betriebssystems Android weiter ausbauen.
Schon heute nutzen über 80 Prozent der Smartphone-Besitzer Android. Das sind laut Google über eine Milliarde aktive User am Tag. Am Tag verschicken sie 20 Milliarden Kurznachrichten, schießen 93 Millionen Selfies (Fotos von sich selbst) und nehmen ihr Gerät über 100 Milliarden mal am Tag in die Hand. Und das sind nur die Zahlen für die Smartphone-Nutzung. Bei Tablets erreichte Android laut Google inzwischen einen Marktanteil von 62 Prozent.
Um noch mehr Menschen zu erreichen, will Google nun auch die Schwellenländer stärker angreifen. Dafür baut das Unternehmen eine neue Plattform für günstige Android-Telefone auf. „Android One“ soll Geräte zum Preis von 99 Dollar ermöglichen, kündigte Google-Manager Sundar Pichai am Mittwoch in San Francisco an.
Google reagiert damit unter anderem auf den Vorstoß der Mozilla Stiftung mit Firefox OS. Auch Nokia hat in seinem Portfolio etliche preiswerte Geräte für den Markt. Die ersten Billig-Smartphones sollen schon im Herbst in Indien an den Markt gehen.
Zugleich kündigte das Unternehmen die nächste Android-Version an, die bisher nur mit dem Codenamen „L“ bezeichnet wird. Sie bekommt vor allem ein neues Design sowie verbesserte Funktionen. Wie erwartet wird "L" auch Chips mit 64-Bit-Technologie unterstützen, was unter anderem einen größeren Speicher erlaubt. Zuvor wurde spekuliert, die neue Android-Version könnte „Lollipop“ heißen, weil Google bisher verschiedene Süßigkeiten in alphabetischer Reihenfolge durchnahm. Die aktuelle Android-Version 4.4 trägt den Namen Kitkat.
So können Entwickler künftig leichter Animationen, Schatten und Lichteffekte in ihre Apps einbauen. Außerdem werden mit dem neuen Betriebssystem Nachrichten laufende Apps wie Spiele nicht mehr unterbrechen. Mit einem Wisch können Nutzer die Nachricht zur Seite schieben und später wieder zugreifen.
Schon Ende des Jahres Autos mit Android "L" unterwegs?
Spannend ist auch die neue Integration von Browser- und App-Aktivitäten. Bisher verbindet Google diese beiden Funktionen nicht miteinander. Mit "L" wird sich das ändern. Wer im mobilen Browser auf eine Seite klickt, die auch als App vorliegt, wird diese automatisch in der mobilen Anwendung geöffnet. Unter "Zuletzt benutzt" werden zudem sowohl die Apps als auch zuletzt benutzte Webseiten angezeigt.
Auch über das Thema "Unlocking" hat sich Google Gedanken gemacht. Während Apple seit dem iPhone 5S auf den Fingerabdruck als Alternative zum Passwort setzt, haben sich die Suchmaschinen-Experten etwas anderes einfallen lassen. Sie nutzen Geometrische Daten und typische Anzeichen, wie die Uhr am Hand Gelenk, um den "echten" Nutzer zu erkennen. Passen die einzelnen Elemente zusammen, öffnet sich das Smartphone mit einem Wisch. Passen sie nicht zusammen, wird die Passwortabfrage gestartet.
Auch die Integration der Spracherkennung hat Google weiterentwickelt - und das nicht nur auf Smartphones. Auch Autos und Android-Wearables sollen künftig stärker mit der eigenen Stimme gesteuert werden. Das System ähnelt dem Konzept „CarPlay“ von Apple. Für die Navigation greift "L" auf Google-Karten zurück.
Google hat seine Entwickler explizit dazu aufgerufen, stärker in diese Richtung zu entwickeln. Denn was lange eine Nische war, wird langsam aber sicher zu einem der wichtigsten Geschäftsfelder. Insgesamt ist es Google gelungen über 40 neue Mitglieder für das Projekt Open Automotive Alliance zu gewinnen, mit der Google Android in den Straßenverkehr bringen will. Schon Ende dieses Jahres könnte es soweit sein. Darunter sind unter anderem Audi, Volkswagen, Opel, Renault und Volvo.
Auch bei den Wearables ist es Google gelungen, einen neuen Partner zu gewinnen. Samsung bringt schon im Sommer eine neue Android-Computeruhr namens "Samsung Gear Life" auf den Markt.
Als wäre das alles noch nicht genug - auch im Wohnzimmer will Google sein Betriebssystem verbreiten. So hat das Unternehmen in San Francisco unter anderem Android-TV vorgestellt. Über eine Schnittstelle von Smartphone (oder auch Smartwatch) und Fernseher, kann das TV-Gerät künftig über die Stimme gesteuert werden. Einfach "Breaking Bad" sagen - und die beliebte Fernsehserie startet.
Die Möglichkeiten der Google-Suche kommen hier besonders gut zum Einsatz. Sie wissen nicht mehr, wer die Hauptrolle in einem bestimmten Spielfilm gespielt hat? Einfach per Sprachsteuerung fragen und "L" gibt die Antwort - und liefert auch noch weiterführende Informationen. Android-TV soll sowohl für TV-Geräte als auch für Spielekonsolen oder Setupboxen möglich sein.
In punkto Datensicherheit geht Google mit Samsung eine neue Kooperation ein. Die Knox-Technologie der Koreaner wird in die neue Android-Version integriert. Das Sicherheitssystem ermöglicht es, zwei Android-Systeme auf einem Gerät laufen zu lassen. Damit können beispielsweise Mitarbeiter von Unternehmen ihr privates Android-Smartphone auch geschäftlich zu nutzen, ohne dass sensible Daten verloren oder von Dritten eingesehen werden können.