Vom Essen übers Laufen, Radfahren und Fitness-Workout bis hin zu den Schlafstunden lässt sich heute alles in Kilokalorien und Kilojoule, Stunden und Minuten, Kilometer und Höhenmeter registrieren, in Food- und Fitness-Datenbanken eingeben, in sozialen Netzwerken teilen. Ganz zu schweigen von den Zeitgenossen, die heute fast schon zwanghaft alles, was auf ihrem Teller liegt, fotografieren und ins Netz stellen, ehe sie es essen. Und weil, was hip ist, einen Namen braucht, heißt dieser Trend „Food-Porn“.
Ein rapide wachsender Markt von „Wearable Technology“, also mobilen Sensoren wie digitalen Schrittzählern, Fitness-Armbändern, Puls- und Blutdruckmessern hilft Joggern, Marathonläufern, Radfahrern, Wanderern und fitnessbewussten Senioren, ihre Aktivitäten auf den Schritt genau zu erfassen, in verbrauchte Kalorien umzurechnen und die Ergebnisse per Smartphone direkt in die Cloud und in diverse soziale Netzwerke hochzuladen.
Was dem Häftling beim Freigang die elektronische Fußfessel, das ist dem Sportbegeisterten der Fitness-Tracker am Handgelenk. Wirklich frei kann und sollte man sich dabei nicht mehr fühlen. Das Ganze schaukelt sich in sozialen Netzen schließlich zu einem exhibitionistisch angehauchten Gruppenerlebnis hoch. Dabei lassen sich die Cybersportler schon während ihres Workouts „real time“ von einem virtuellen Publikum anfeuern, und die Diät-Jünger beglückwünschen sich online gegenseitig zu den jüngsten Enthaltsamkeitsrekorden.
Zugleich wächst der selbsterzeugte Druck. Bei Twitter sind schon vor dem Frühstück öffentliche Selbstanklagen wie diese zu lesen: „immer diese morgenläufer in meiner timeline. das schlechte gewissen ist schon zum riesen gewachsen“.
Durchaus denkbar, dass eines Tages nicht mehr das eigene schlechte Gewissen, sondern die Krankenkasse den Morgenlauf per Smartphone anmahnt. Warum auch nicht? Möglicherweise ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Krankenkassen – natürlich im Einverständnis mit ihren Versicherten – auf deren Fitness-Daten in der Cloud zugreifen, um günstigere Tarife für gesundheitsbewusste Kunden zu kalkulieren.
Geradeso, wie es die ersten Autoversicherungen jetzt mit vergünstigten Telemetrie-Policen für disziplinierte Autofahrer testen, die bereit sind, ihr Fahrverhalten durch einen elektronischen Sensor im Auto kontrollieren zu lassen.
Spätestens an dieser Stelle dürfte klar werden, dass die Technik nicht nur die Welt, sondern auch uns Menschen verändert – unsere Denkstrukturen, unsere Wertvorstellungen, unser Kommunikationsverhalten, unsere Empfindungen.