Fernbedienung Rettung naht im Krieg der Knöpfe

In der Wohnung von Alexander Gruber in der Hamburger Hafencity herrscht das reine Chaos. Nur noch wenige Tage, bis der 35-jährige Jungunternehmer seine TV-Universal-Fernbedienung in Las Vegas auf der Konsumelektronikshow CES präsentieren will. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Die Fernbedienung muss sich neu erfinden - und entdeckt die Einfachheit.

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DÜSSELDORF. Schier endlose Druckknopfwüsten auf grauem Plastik, versehen mit kryptischen Symbolen, in der Hand verwirrter und ratloser TV-Zuschauer werden dann der Vergangenheit angehören, schwärmt der gelernte Kommunikationswissenschaftler. Schon das Anheben wird das Gerät einschalten, danach braucht man es nicht mal mehr zu berühren. Den Daumen übers iPhone-große Bildschirmpanel nach links geschwenkt, und es geht ein Programm zurück, den Daumen nach rechts, und es geht voran. "Wir setzen auf Gestensteuerung", sagt er. "Es muss alles so einfach wie möglich werden." Selbst Schütteln wird Befehle auslösen, oder drehen.

Zeroone, so heißt sein Unternehmen, und im East-Tower des Hilton-Hotels in der Spielerstadt in Nevada teilt sich der Vier-Mann-Betrieb eine teure Hotelsuite mit zwei anderen Unternehmen. Wenn sich Kunden aus der Elektronikindustrie finden, TV- oder Computerhersteller, Kabel-Unternehmen, dann soll es noch dieses Jahr richtig losgehen.

Zeroone hat sich einen der spannendsten Märkte ausgesucht, den die Zubehörindustrie derzeit zu bieten hat. Was heute schnöde TV-Fernbedienung ist, wird schon bald, so Gregor Bieler, Vice President Consumer Electronics Europa bei Logitech, die "Maus für das Haus". TV, Internet, Musiksammlung und Waschmaschine, alles wird per Internetadresse (IP-Adresse) verbunden und zu steuern sein - mit der Fernbedienung.

Als die Infrarot-Fernbedienung vor 40 Jahren geboren wurde, war davon keine Rede. Sie bestand aus zwei Knöpfen: Kanalwahl, laut und leise. Was waren das für goldene Zeiten! Heute bevölkern Tastenmonster mit bis zu gut und gerne 60 Knöpfen die Wohnzimmer. Trotzdem legte die Fernbedienung in den Zeiten der passiven Ich-Glotz-TV-Ära eine ungeahnte Karriere hin. Sie alleine war es, die die berühmteste TV-Persönlichkeit seit Dieter Bohlen schuf: die Couchpotato. Phlegmatischer Mediennutzer und Werbung-Wegdrücker mit dem Zappter des Konsumkönigs in der Hand. Der Schrecken aller Werbetreibenden.

Jetzt geht die Entwicklung wieder in Richtung Einfachheit. Je mehr Funktionen dazukommen, desto deutlicher wird sichtbar, dass die alte Strategie am Ende ist: immer einfach einen neuen Knopf hinzuzufügen.

Logitech setzt auf internetprogrammierte Fernsteuerungen, die mit einem Druck auf ein Displaysymbol ganze Geräteketten einschalten (Video schauen: TV-Gerät einschalten, Musikanlage und DVD-Spieler starten). Moderne Multimedia-Fernsteuerungen können schnell mehrere Hundert Euro kosten.

Apple bietet zum Beispiel mit "Remote 1.1" für iPhone und iPod touch eine kostenlose Fernbedienungssoftware. Sie steuert die Set-Top-Box Apple TV und lässt per Fingerwisch in Musik- und Videosammlung blättern. Schönheitsfehler: Da die Verbindung mit Wi-Fi aufgebaut wird, sind die Akkus schnell leergesaugt. Aber niemand will seine TV-Fernbedienung jeden Nachmittag aufladen.

Gruber will bei Zeroone deshalb, so wie Logitech, weiter auf die stromsparende Infrarot-Technik setzen. Damit sollen "gebrauchsfähige" Laufzeiten erreicht werden. Kleine Adapter sollen immer mehr Hausgeräte vom Multimedia-PC bis zum DVD-Spieler anbinden und irgendwann auch sicher mal die Waschmaschine. Und das alles mit einem Fingerzeig.

Daran forscht auch Johnny Chung Lee. Schon als Student begann Lee aus reiner Neugier mit einer Fernbedienung der Spielekonsole Nintendo Wii spaßige Sachen zu bauen, oft für ein Handvoll Dollar an Hardwarekosten. Seine Bauanleitungen für eine Wii-Fernsteuerung als Whiteboard oder eine simple PC-Steuerung mit Fingerzeig wurden schon tausendfach abgerufen. Jetzt hat Lee sein Tätigkeitsfeld von der Carnegie-Mellon-Universität in Richtung Westküste verlagert. Redmond heißt seine neue Adresse. Er entwickelt völlig neue Arten der Benutzerführung für Microsoft. Wenn die alte Maus am PC ausgedient hat, will der Softwareriese nicht im Abseits stehen. Und dass die Maus eines Tages verschwinden wird, da besteht für Lee längst kein Zweifel mehr. pos

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