Firmen tricksen für bessere Reputation Der große Pfusch bei Kundenbewertungen

Facebook-Fans, Twitter-Follower und gute Kundenbewertungen sind die wichtigste Währung im Internet. Unternehmen, Restaurants und Hotelbetreiber spüren das – und versuchen mit technischen Tricks, ihre Reputation zu verbessern. Wie sie vorgehen, was Web-Firmen dagegen tun – und wie Sie Fakes erkennen.

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Der Like-Button auf Facebook Quelle: dapd

Freunde müssen nicht unbedingt teuer sein. In Thüringen gibt es sie sogar zum Spottpreis: 1000 Facebook-Bekanntschaften kosten hier 69 Euro, keine sieben Cent pro Freund. Für 449 Euro sind gar 25 000 Twitter-Follower zu haben, kaum zwei Cent pro Gefolgsmann. Die Kuppelei organisiert Mario Rönsch, einer der größten Freunde-Lieferanten Deutschlands. Das Büro des 29-Jährigen liegt im Herzen der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt, nicht weit von dem imposanten Domplatz. Von dort betreibt Rönsch die Web-Seiten Fandealer und Facebook-Fans-Kaufen. Und die laufen so gut wie selten zuvor.

Ob für Markenartikler, Hotels oder Restaurants: Viele Fans signalisieren eine hohe Reputation, die Zahl ist eine Art Beliebtheitsindikator – und damit die wichtigste Währung im Netz. Kein Wunder, dass Unternehmer und Möchtegern-Promis versuchen, ihrer Gefolgschaft auf die Sprünge zu helfen. Gerade ist die FDP mit der wundersamen Vermehrung von Followern aufgefallen – mit freundlicher Unterstützung von Fandealer. Davor hatte Dschungelcamp-Insassin Georgina Fleur über Nacht 50 000 Facebook-Anhänger gewonnen – ausgerechnet in Vietnam und der Ukraine.

Wachsende Zahl von Fake-Accounts

Falsche Freunde sind aber nicht nur bei Facebook oder Twitter anzutreffen. Auch auf Bewertungsportalen für Hotels, Kameras und Restaurants tummelt sich eine wachsende Zahl von Betrügern, die Rezensionen kaufen oder Hotels benoten, in denen sie nie waren.

Das wird für alle diejenigen zum Problem, die dieser Tage wieder durchs Netz streifen, um dort nach Unterkünften für ihren Sommerurlaub zu suchen. Für viele Kunden sind Plattformen wie Holidaycheck oder Tripadvisor die erste Anlaufstelle, wenn es um Details über die Finca auf Mallorca oder den wahren Zustand des Strandhotels auf Ko Phi Phi in Thailand geht. Im Netz, so denken sie, finden sie unabhängige Bewertungen anderer Urlauber.

Ähnlich die Situation, wenn Reisende vor dem Abflug noch schnell eine neue Kamera anschaffen wollen: Jeder Zweite liest laut Studien des Branchenverbands Bitkom vor dem Kauf die Bewertungen anderer Kunden. Ein Drittel von ihnen lasse sich bei der Kaufentscheidung sogar direkt durch Online-Bewertungen beeinflussen.

Viele Bewertungen sind gefälscht

Doch so glaubwürdig, wie viele Kunden denken, sind die Erfahrungsberichte oft nicht: Zehn Prozent aller Nutzerbewertungen im Netz seien gefälscht, schätzen die Marktforscher von Gartner und prognostizieren, dass die Zahl der Fake-Bewertungen bis 2014 auf bis zu 15 Prozent steigt. Forscher wie Roland Conrady von der Fachhochschule Worms schätzen die Zahl der Fälschungen gar auf bis zu einem Drittel.

Die Manipulationen werden für die Bewertungsportale immer gefährlicher. So untersagte die britische Werbeaufsicht dem Reiseportal Tripadvisor in Großbritannien mit dem Slogan "Kritiken von echten Reisenden" zu werben. Zuvor hatten Hoteliers geklagt, die den wundersamen Aufstieg ihrer Wettbewerber beobachtet hatten. Die Entscheidung ist ein Desaster für die Anbieter. Denn Glaubwürdigkeit ist die Geschäftsgrundlage von Holidaycheck, Tripadvisor, Amazon und Facebook.

Mit immer aufwendigeren Algorithmen und Filtertechniken wollen Internet-Unternehmen daher den falschen Freunden das Handwerk legen. YouTube etwa zählt Klicks auf ein Video nur dann, wenn Nutzer es mindestens zur Hälfte ansehen – um bezahlte Klicks auszuschließen. Der US-Bewertungsdienst Yelp wiederum greift zu einer rabiateren Methode: Gehen auf dem Portal mehrere positive Bewertungen von demselben Rechner ein, blendet Yelp neben den Bildern der umstrittenen Anbieter ein rotes Fenster mit dem Bild eines stinkenden Fisches sowie Warnhinweise ein.

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