Fotografie Die neuen Lieblinge der Fotofans

Kompakte Systemkameras werden zum Renner bei Fotofans. Sie erreichen immer öfter die Bildqualität der großen Spiegelreflexmodelle und sind genauso flexibel – aber viel handlicher.

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Die Stars unter den Systemkameras
Sony NEX-5N Quelle: PR
Fujifilm X-Pro 1 Quelle: PR
Panasonic Lumix G3 Quelle: PR
Nikon 1 V1 Quelle: PR
Olympus Pen E-PL3 Quelle: PR
Samsung NX11 Quelle: PR

Ein Lob von Peter Lindbergh ist in der Fotobranche so etwas wie ein Adelsschlag. Das gilt nicht nur für Supermodels wie Kate Moss, Naomi Campbell oder Nadia Auermann, denen der deutsche Starfotograf mit seinen Aufnahmen fotografische Denkmäler setzte. Kaum weniger zählt, wenn der Meister Kameras oder Objektiven „exzellente Qualität“ attestiert.

Bisher gab es solches Lob meist nur für professionelle Spiegelreflexkameras, mit denen Fotokünstler wie Lindbergh ihre Bilderserien schießen. Das aber ändert sich gerade. Profis wie Lindbergh entdecken gerade eine neue Generation von Kameras für sich, die sogenannten Systemkameras.

Handliche Multitalente werden zu Stars

Dank austauschbarer Wechselobjektive und großer Fotosensoren sind sie ähnlich flexibel wie Spiegelreflexmodelle und liefern vielfach auch vergleichbar gute Bilder. Zugleich aber sind Systemkameras deutlich kompakter und leichter, weil die Hersteller auf den Schwenkspiegel und den klobigen Prismensucher der Spiegelkameras verzichten. Für Lindbergh sind die handlichen Multitalente daher ein fast perfekter Mix: „Man kann sie immer dabei haben, und wenn etwas passiert, ist das Foto wegen der exzellenten Qualität trotzdem benutzbar.“ Bei ihm komplettiert daher inzwischen eine Lumix-G-Systemkamera von Panasonic das Equipment.

Wie die Profis begeistern sich auch immer mehr ambitionierte Amateure für die neue Kameragattung. Sie hatte vor gerade einmal drei Jahren auf der Branchenmesse Photokina erstmals Aufsehen erregt. Nun sind nahezu alle großen Hersteller dabei, die neue Geräteklasse zu erschließen: Bei Olympus heißt die Geräteserie Pen, bei Panasonic Lumix G, und Sony ist mit seinen NEX-Modellen erfolgreich. Selbst Branchenschwergewicht Nikon ist jüngst mit der neuen N1-Serie in den Boommarkt eingestiegen.

Die optischen Zwitter sind die neuen Stars im Kamerageschäft. 2011 stiegen die Verkäufe der Systemkameras in Deutschland um 62 Prozent auf rund 130 000 Stück. Der Spiegelreflex-Absatz dagegen wuchs nur um 10 000 Stück.

Der Run auf die neuen Kameras bescherte der Branche einen unerreichten Rekord: Erstmals kauften die Deutschen mehr als eine Million Fotoapparate mit Wechselobjektiven. Selbst zu besten analogen Zeiten in den Achtzigerjahren hatten die Hersteller nie mehr als 650.000 Spiegelreflexkameras abgesetzt.

Kein Ende in Sicht

Fotograf Peter Lindbergh bei der Arbeit Quelle: Laif/Peter Rigaud

Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Denn immer mehr Hersteller drängen ins Geschäft. Neben Olympus und Panasonic, die 2008 den Markt mit ihren ersten Modellen aufmischten, konkurrieren heute Sony, Samsung und Pentax um Fotofans. Im Januar hat zudem Fujifilm mit der X-Pro1 seine erste Systemkamera vorgestellt. Und angesichts des Markteinstiegs von Nikon gilt in der Branche als ausgemacht, dass auch Erzrivale Canon schon bald nachzieht.

Gezwungener Einstieg

Beide Branchenriesen hatten sich bisher lange zurückgehalten, um ihr profitables Geschäft mit Spiegelreflexkameras nicht zu gefährden. Nun zwingt sie der Erfolg der Konkurrenz im Wachstumssegment zum Handeln.

Ein Grund dafür ist, dass die Systemkameras bei Lichtstärke, Auflösung und Geschwindigkeit immer mehr aufgeholt haben. Das verdanken sie insbesondere den immer empfindlicheren Fotosensoren. Bei Olympus und Panasonic sind die knapp vier Mal größer als bei normalen Kompaktkameras. Samsung, Sony und Fujifilm bauen gar noch größere Fotochips im APS-C-Format ein, wie sie auch in semiprofessionellen Kameras stecken. Selbst der Sensor der neuen, sehr kleinen N 1 von Nikon ist noch doppelt so groß wie die der Kompaktknipsen.

Dank der besseren Chips bannen Pen, Nex & Co. noch Szenen ohne Blitz rauschfrei aufs Bild, die Kompaktknipsen nicht einmal mehr mit Blitz brauchbar ablichten. Sogar bei nominell gleicher Sensorauflösung liefern Systemkameras detailreichere Bilder. Zum einen sind ihre Objektive deutlich besser. Zum anderen stecken in den Apparaten stärkere Bildprozessoren, die die Fotos für die Speicherung optimieren.

Systemkameras haben aufgeholt

Für Fachleute ist daher die Linienauflösung – die Zahl tatsächlich auf dem Bild unterscheidbarer Linien – ein wichtigeres Kriterium als vermeintliche Rekorde von 14 oder gar 16 Megapixeln, die viele Kompaktknipsen heute bieten. In Tests, etwa im Fachmagazin „Chip Foto-Video“, fallen Top-Systemkameras nicht einmal mehr stark gegen High-End-Profimodelle ab: Panasonics Lumix G3 etwa erreicht bis zu 1590 Linien, Canons EOS 5D Mark II maximal 1670.

„Technisch haben die Neulinge massiv gegenüber den Spiegelreflexkameras aufgeholt“, urteilt daher Rolf Nobel, Professor für Fotojournalismus an der Fachhochschule Hannover. Abgesehen von Sportfotos, bei denen extrem schnelle Bildfolgen zählen, oder nächtlichen Reportagen, wo nur absolute Profikameras noch ohne Blitz gute Fotos lieferten, sagt Nobel, „reichen Systemkameras heute für 95 Prozent der professionellen Fotoszenarien völlig aus“.

Und weil sie dabei viel unauffälliger sind als die klobigen SLR-Modelle, greift auch Starfotograf Lindbergh speziell bei Porträts immer öfter zur Systemkamera: „Gegenüber einer so kleinen Kamera sind die ,Opfer‘ weniger gehemmt“, sagt er. „Da kommt man oft zu besseren Resultaten.“

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