Hacker Im Netz von Anonymous

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Die Bombe platzt

Spektakuläre Fälle deutscher Hacker
Geld geklaut
Daten verkauft
Systeme infiziert
Wahlcomputer manipuliert
Telefone belauscht
Promis ausspioniert

„Oh, Leute. Was jetzt kommt, ist der leckere Nachtisch“, meldete Topiary. Tflow ließ die Bombe platzen. „Ich habe die E-Mails von Barr, Ted und Phil. Alle 68.000.“ „Lol“, antwortete Barr seltsamerweise. Er wollte einen lockeren Ton beibehalten und sich nicht eingestehen, wie schlimm es war. „Okay, Leute“, schrieb er. „Da habt ihr mich aber wirklich drangekriegt :).“

Das hatten sie in der Tat. Topiary verpasste ihm den Gnadenschuss. „Tja, Aaron, danke fürs Mitspielen bei unserem kleinen sozialwissenschaftlichen Experiment, ob du wohl mit den ,Neuigkeiten‘ über Anon zu deiner Firma rennen würdest. Du bist reingefallen, wir haben gelacht.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Das war’s für dich. Du bist Geschichte.“

In den frühen Morgenstunden des Montags saß Barr immer noch im Arbeitszimmer an seinem Laptop. Vor ihm an der Wand hing eine Fotografie, die er im Oktober 2011 in New York erstanden hatte. Dort waren die Angriffe des 11. September immer noch sehr präsent, und nach einem Besuch auf Ground Zero hatte er eine kleine Galerie besucht, in der Amateuraufnahmen verkauft wurden, die während der Anschläge entstanden waren. Eine fiel ihm besonders auf: Im Hintergrund sah man das Chaos der eingestürzten Türme: Papiere und Trümmer überall verstreut, verstörte Pendler voller Staub irrten umher – und im Vordergrund saß unerschütterlich John Seward Johnsons berühmte Bronzestatue Double Check: ein Geschäftsmann im Anzug auf einer Parkbank, der in seine Aktentasche spähte. Das Bild gefiel ihm wegen dieses unwahrscheinlichen Kontrasts. Jetzt war Barr selbst dieser Mann – er hatte sich so sehr in seinem Ehrgeiz verfangen, dass er das Chaos um sich herum gar nicht bemerkt hatte.

Scherben zusammenkehren

Den nächsten Tag verbrachte Barr damit, Anrufe der Journalisten entgegenzunehmen. Während er verzweifelt versuchte, die Scherben seiner Existenz zusammenzusetzen, trafen sich Topiary, Sabu, Kayla und Tflow in ihrem privaten Chatroom. Sie beglückwünschten sich gegenseitig, durchlebten ihren Sieg immer wieder, lachten und fühlten sich unbesiegbar. Sie hatten eine Internet-Sicherheitsfirma „übernommen“.

Sie konnten sich natürlich denken, dass jetzt Agenten des FBI anfangen würden, nach ihnen zu fahnden. Aber mit der Zeit wurden sich die Angehörigen dieses kleinen Teams einig: Die Zusammenarbeit gegen Barr hatte so gut funktioniert, dass sie es einfach wieder versuchen mussten – gegen andere Ziele für Anonymous und für jede gerechte Sache, die sich gerade anbot.

Keine Beute war zu gefährlich: eine berühmte Medieninstitution, ein Unterhaltungskonzern, sogar das FBI selbst war nicht tabu.

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