Hacker Im Netz von Anonymous

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Gipfel der Anonymous-Veteranen

Anonymität ist alles - Die Mitglieder von Anonymous geben untereinander meist nicht mehr als den Nicknamen von sich preis Quelle: dapd

Ungefähr zur selben Zeit hatte auch eine Gruppe von Anonymous-Hackern die Zeitung gelesen. Es waren drei; sie kamen aus ganz verschiedenen Weltgegenden, und sie waren in einen Online-Chatroom eingeladen worden. Ihre Spitznamen lauteten Topiary, Sabu und Kayla. Die Person, die sie eingeladen hatte, führte den Spitznamen Tflow und war ebenfalls eingeloggt. Keiner kannte den wirklichen Namen, das Alter, das Geschlecht oder den Aufenthaltsort der anderen. Was sie voneinander wussten, war nur ein bisschen Klatsch und Tratsch und dass sie alle an Anonymous glaubten.

Die Unterhaltung war zuerst etwas steif, aber nach einigen Minuten war alles ganz ungezwungen, und es zeigten sich Persönlichkeitszüge. Sabu war selbstsicher und dominant und benutzte Slangausdrücke wie „yo“ und „my brother“. Die anderen wussten es natürlich nicht, aber er war in New York geboren und aufgewachsen und stammte aus einer puerto-ricanischen Familie. Hacken hatte er als Teenager gelernt, als er zunächst den Call-by-Call-Internet-Zugang des Familiencomputers manipulierte, um umsonst ins Netz zu kommen. Ende der Neunzigerjahre eignete er sich in Hackerforen weitere Tricks an. Etwa 2001 war der Spitzname Sabu dann aus dem Netz verschwunden und erst jetzt, fast ein Jahrzehnt später, wieder aufgetaucht. Sabu war das Schwergewicht und der Veteran in der Gruppe.

Paranoide Sicherheitsvorkehrungen

Kayla gab sich kindlich, aber dahinter verbarg sich messerscharfe Intelligenz. Sie war angeblich weiblich; fragte man sie nach ihrem Alter, behauptete sie, 16 zu sein. Das hielten viele für eine Lüge, denn bei Anonymous gab es zwar viele jugendliche Hacker und auch viele weibliche Unterstützerinnen, aber kaum weibliche Hacker. Die Lügengeschichte, wenn es eine war, war allerdings detailreich. Kayla war gesprächig und gab viele Einzelheiten aus ihrem Privatleben preis: Sie arbeitete in einem Kosmetiksalon, verdiente ein bisschen Geld mit Babysitten dazu und machte gern Ferien in Spanien. Was die Sicherheit anging, war sie allerdings geradezu paranoid. Sie tippte nie ihren wirklichen Namen in ihr Netbook ein, hatte keine eigene Festplatte und betrieb ihren Rechner mithilfe einer winzigen MicroSD-Speicherkarte, die sie hinunterschlucken konnte, falls die Polizei kam.

Mit diesen Angriffsmethoden arbeitet Anonymous

Topiary hatte in der Gruppe am wenigsten Ahnung vom Hacken, aber dafür ein anderes Talent: seinen Esprit. Topiary war vorlaut und voller Ideen; außerdem besaß er einen Sinn für Öffentlichkeitswirksamkeit. Tflow, der sie alle zusammengebracht hatte, war ein erfahrener Programmierer und ziemlich schweigsam; er hielt sich an die Anonymous-Regel, nicht über sich selbst zu sprechen. Er gehörte seit mindestens vier Monaten dazu, lange genug, um die Gruppenkultur und die wichtigen Leute zu kennen. Er war es, der aufs Geschäft zu sprechen kam. Jemand musste sich Aaron Barrs und seiner Recherchen annehmen.

Auf der Suche nach der Schwachstelle

Wenn Barr die richtigen Namen hatte, bedeutete das Ärger. Die Gruppe fing an, Pläne zu schmieden. Zuerst wollten sie den Server, auf dem die Web-Seite von HBGary Federal lief, auf wunde Punkte in seinem Quellcode absuchen. Wenn sie Glück hatten, fanden sie eine Lücke, durch die sie eindringen konnten. Dann würden sie Barrs Homepage übernehmen und den Inhalt durch ein großes Anonymous-Logo und die schriftliche Warnung ersetzen, das Kollektiv besser in Ruhe zu lassen. Sabu suchte HBGaryFederal.com nach einer Schwachstelle ab. Wie sich herausstellte, benutzte Barrs Web-Auftritt ein fremdentwickeltes Publikationssystem, das einen schweren Fehler aufwies. Hauptgewinn!

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