Hacker Im Netz von Anonymous

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"Wir sind Anonymous"


Das Logo des Hacker-Kollektivs Anonymous Quelle: CC

Die Anonymität verführte natürlich auch zu Gesetzesverstößen – Einbrüche in Server, Diebstahl von Kundendaten, Blockade und Defacement einer Web-Seite. Die Gruppe versprach Stärke und Schutz, und überall, in Blogs, auf gehackten Web-Seiten und wo es nur ging, las man ihr ominöses Motto:

Wir sind Anonymous

Wir sind Legion

Wir vergeben nicht

Wir vergessen nicht

Rechne mit uns

Die digitalen Flyer und Nachrichten der Gruppe zeigten das Logo eines kopflosen Anzugträgers in einem dem UN-Wappen nachempfundenen Lorbeerkranz. Die Figur beruhte angeblich auf einem Gemälde des Surrealisten René Magritte. Oft sah man auch die höhnisch grinsende Guy-Fawkes-Maske, die durch den Film „V wie Vendetta“ bekannt geworden war. Niemand wusste, wie viele Angehörige Anonymous hatte, aber es waren nicht nur ein paar Hundert.

Im Dezember 2010 hatten sich Tausende Nutzer aus aller Welt in den Hauptchatroom eingeloggt, um an den Angriffen auf Paypal teilzunehmen. Blogs, die sich mit Anonymous befassten, und neue Seiten wie AnonNews.org hatten Tausende von Besuchern.

20-seitige Aufstellung über Anonymous-Anführer

Barr faszinierte das. Zunächst trieb er sich in den Chatrooms herum, wo sich Anonymous-Unterstützer trafen, er hörte nur zu, ohne selbst zu posten. Darauf wählte er einen Spitznamen – zuerst AnonCog, dann CogAnon – und schaltete sich ein. Er passte sich dem Slang der Gruppe an und gab vor, ein begeisterter Neuling zu sein, der gerne die eine oder andere Firmen-Web-Seite angreifen würde.

Während der Chats notierte er sich die Spitznamen der anderen. Es waren Hunderte, aber er verfolgte nur die häufigen Gäste. Wenn solche Leute sich ausloggten, schrieb Barr sich den Zeitpunkt auf und wechselte zu Facebook. Wenn einer dieser Freunde auf Facebook aktiv wurde, kurz nachdem ein bestimmter Spitzname den Anonymous-Chat verlassen hatte, verbuchte Barr das als Identifikation des einen mit dem anderen.

Ende Januar hatte Barr eine 20-seitige Aufstellung von Namen mit Beschreibungen und Kontaktinformationen angeblicher Unterstützer und Anführer von Anonymous zusammengestellt. Am 22. Januar 2011 schickte er Hoglund und der Co-Präsidentin von HBGary Inc., Penny Leavy (Hoglunds Ehefrau), sowie seinem eigenen Stellvertreter Ted Vera eine Mail über den angekündigten Vortrag zu Anonymous auf der B-Sides-Tagung. „Das wird die Anonymous-Chatkanäle ganz schön aufscheuchen, und die Presse liest die ja mit“, schrieb Barr an Hoglund und Leavy. Also würde es noch mehr Medienaufmerksamkeit geben.

Das FBI wird eingeschaltet

Barr hielt es für vorteilhaft, wenn er sich schon vor dem Vortrag an die Presse wandte. Er bot Joseph Menn, einem Reporter der „Financial Times“, ein Interview an, in dem er schildern wollte, wie seine Daten zu weiteren Festnahmen wichtiger Leute bei Anonymous führen konnten. Er gab Menn eine kurze Zusammenfassung: Von den mehreren Hundert Teilnehmern an Internet-Attacken von Anonymous waren etwa 30 dauerhaft aktiv – und nur etwa zehn zentrale Figuren trafen den Großteil der Entscheidungen. Barrs Erkenntnisse zeigten erstmals, dass Anonymous sehr wohl eine Hierarchie hatte und nicht so anonym war, wie das Kollektiv glaubte.

Die Zeitung brachte am Freitag, dem 4. Februar, die Geschichte unter der Überschrift „Internet-Aktivisten müssen mit Festnahmen rechnen“ und berief sich auf Barr. Im Laufe des Tages hatten auch Beamte des FBI den Artikel gelesen und bei Barr angefragt, ob er bereit sei, seine Informationen an sie weiterzugeben. Er verabredete ein Treffen am Montag nach dem Super-Bowl-Endspiel.

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