Hackerziel Mobiltelefon Wie einfach es ist, Sie per Handy auszuspionieren

Zwei Top-Manager werden erstmals live Zeuge, wie Hacker sie beim Telefonieren mit dem Smartphone ausspionieren. Schon für rund 100 Euro lassen sich Lauschstationen bauen, die unbemerkt alle Geheimnisse aus Mobiltelefonen saugen. Eine makabre Entdeckungsreise durch Deutschland.

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Die Spione - Karsten Nohl und Luca Melette (links) greifen von der Uferböschung im Hamburger Hafen mit einer selbst gebauten Abhörstation das Smartphone des Vorstandschefs an. Das verschlüsselte Telefonat ist in wenigen Sekunden dekodiert und klar vernehmbar. Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche

Auf diesen Moment haben die Spione lange gewartet. Getarnt hinter wild wuchernden Büschen an einem Seitenarm der Elbe mitten im Hamburger Hafen tasten sie sich an das prominente Opfer heran. Das schmucklose Gebäude, in dem die Zielperson weilt, ist nur wenige Hundert Meter entfernt. Das reicht locker für den Angriff, selbst ein Kilometer Abstand wäre kein Hindernis.

Die Spione klappen einen Laptop auf und stöpseln mehrere Billighandys an den tragbaren PC. Zahlenkolonnen flimmern schnell über den Bildschirm. Dann nimmt ein spezielles Spähprogramm die Arbeit auf. Nach kurzer Zeit kommt die Erfolgsmeldung: Das angepeilte Smartphone der Zielperson ist gefunden; es ist in Betrieb und funkt in unmittelbarer Nähe. Den Spionen ist es gelungen, unter Dutzenden von Handys, die gerade in einer Zelle verortet sind, das gesuchte herausfischen.

Wie leicht Sie Opfer einer Abhöraktion werden können

Mehr noch: Diesmal haben die elektronischen Häscher ein „ganz hohes Tier“ in ihren Fängen, wie sie sagen: Detthold Aden, Vorstandschef der BLG Logistics Group, Urgestein der deutschen Warentransporteure, -lagerer und -verteiler. Mit einem Umsatz von über einer Milliarde Euro regiert Aden einen der erfolgreichsten Logistikkonzerne in Deutschland, weswegen er kürzlich sogar in die „Hall of Fame“ der Branche aufgenommen wurde.

Aden ist zu einer Stippvisite an der Autoverladestation auf der Hamburger Hafen-Halbinsel Kattwyk eingetroffen. Irgendwo in dieser Funkzelle, wahrscheinlich genau in dem schmucklosen Bürogebäude zwischen all den Autos zur Verschiffung nach Übersee, hält er sich gerade auf. Das verraten den Spionen die Identifikationsdaten, die Adens Mobilfunkbetreiber T-Mobile unablässig durch den Äther sendet.

Das Opfer - Detthold Aden, Chef der Bremer BLG Logistics, ruft an diesem Freitag ein letztes Mal in der Firmenzentrale an: „Hatten wir sonst noch Posteingang heute?“ Als er wenig später seine Frage im Originalton aus einem fremden Laptop hört, verstummt er vor Schreck. Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche

Die Abhörattacke läuft an

Was dann passiert, nennen Sicherheitsexperten einen gezielten Lauschangriff. Es ist kurz nach 14.30 Uhr. Ein letztes Mal kramt Aden an diesem Freitagnachmittag sein iPhone aus dem Sakko und wählt eine Rufnummer in der Bremer BLG-Zentrale. Die Spione beobachten, wie plötzlich erneut Zahlenkolonnen über den Bildschirm rasen. Etwa zwei Minuten später beendet Aden das Telefonat und die Kolonnen brechen ab. Nun läuft die Entschlüsselung der Zahlenkolonnen an. Genau 3,7 Sekunden hören die Spione, was Aden gesagt hat.

„Hatten wir sonst noch Posteingang heute?“, fragte der BLG-Chef und eine Frauenstimme, wahrscheinlich seine Sekretärin, berichtet ihm haarklein, wer E-Mails an ihn geschrieben hat. „Dann drucken Sie bitte diese Datei aus und legen sie auf meinen Schreibtisch“, sagt Aden und verabschiedet sich: „Ein schönes Wochenende.“

Aden ist der erste Vorstandsvorsitzende, der Zeuge einer erfolgreichen Abhörattacke auf sein iPhone wird. Wie die meisten Top-Manager ging auch der BLG-Chef bis zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass seine Telefonate über das iPhone vertraulich bleiben. Natürlich gehe es dabei auch um Firmengeheimnisse, sagt Aden unumwunden und nennt ein aktuelles Beispiel. Der BLG-Aufsichtsrat hielt in den vergangenen Wochen Ausschau nach einem geeigneten Nachfolger. Im Mai 2013 scheidet der 64-jährige Aden aus Altersgründen aus. „Auch am Telefon habe ich mit dem Aufsichtsrat über mögliche Kandidaten diskutiert.“ Er wolle sich nicht ausmalen, welche Schäden entstünden, wenn solche Informationen in fremde Hände fielen.

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