Fotos aufnehmen, sie verfremden und dann mit Freunden teilen: Das ist so ziemlich alles, was die Smartphone-App Instagram zu bieten hat. Seit seiner Gründung vor zwei Jahren hat das gleichnamige Startup keine nennenswerten Umsätze verzeichnet, in seinem Hauptquartier in San Francisco arbeiten gerade mal 13 Mitarbeiter.
Es gibt zig Startups, die Ähnliches bieten. Und trotzdem zahlt Facebook, eines der wichtigsten Internet-Unternehmen der Welt, eine Milliarde Dollar, um Instagram zu übernehmen. Es ist die größte Übernahme, die Facebook je getätigt hat.
Der neue Startup-Hype
So groß die Fangemeinde von Instagram auch sein mag: Experten sehen die Entwicklung mit Sorge. „Wir bewegen uns auf eine Übertreibung zu, die ans Irrationale grenzt“, sagt Ray Valdes, Technik-Analyst der Marktforschung Gartner, WirtschaftsWoche Online. Die Branche habe schon „leichtes Fieber“.
Startups, die vor einem Jahr noch Monate für die Kapitalbeschaffung gebraucht hätten, schaffen das jetzt in Wochen oder Tagen. Und sie bekommen zwei oder drei Mal mehr Geld als vor einem Jahr. Und das, so glauben viele, sei erst der Anfang eines neuen Hypes.
Geht man von der einen Milliarde aus, für die Facebook die Fotoplattform übernimmt, zahlt das soziale Netzwerk 33 Dollar pro Instagram-Nutzer. Auch andere soziale Netzwerke mit Smartphoneanbindung werden mit 30 bis 50 Dollar pro Nutzer bewertet. Facebooks Nutzer sind den Investoren dagegen kurz vor seinem Börsenstart etwa 100 Dollar wert.
Gartner-Analyst Valdes sieht nur einen Grund, gerade jetzt, kurz vor dem Börsengang, so viel Geld für eine Übernahme locker zu machen: „Facebook wollte Instagram seinem Wettbewerber Google oder vielleicht auch Twitter oder Yahoo wegschnappen.“
Peanuts als Versicherungsprämie
Die Übernahme hatte also nicht das Ziel, einen direkten Konkurrenten auszuschalten. Zwar ist Instagram eines der am schnellsten wachsenden sozialen Netzwerke aller Zeiten – aber mit knapp 30 Millionen Mitgliedern bleibt das Foto-Portal weit abgeschlagen hinter dem 850-Millionen-Netzwerk Facebook.
„Allein war Instagram keine Bedrohung für Facebook - in Kombination mit Wettbewerbern aber durchaus“, sagt Valdes. „Eine Milliarde Dollar sind ein Prozent des potentiellen Werts Facebooks - als Versicherungsprämie gegen eine lebensbedrohende Situation ist das nicht zu viel.“
Was macht Instagram so interessant?
Dass es einen Bieterwettstreit gab, dafür spricht nicht nur der astronomische Kaufpreis, den Facebook zu zahlen bereit ist. Auch der Zeitpunkt der Übernahme deutet darauf hin: Kurz vor einem Börsengang vermeiden Unternehmen es gewöhnlich, ihre potentiellen neuen Anteilseigner mit größeren Aktionen zu überraschen. „Dass Facebook jetzt zuschlägt, deutet darauf hin, dass es einen Wettbewerber gegeben haben muss“, sagt Valdes.
Doch neben Instagram gibt es rund 30 Foto-Apps, die ganz ähnlich funktionieren. Was macht gerade Instagram so interessant, dass sich die größten Internet-Konzerne der Welt darum reißen?
Offenbar hat die Foto-App besser als alle anderen die Befindlichkeit der Internet-Nutzer getroffen. Fotos sind das beliebteste Medium, um schnell und unkompliziert Eindrücke aus dem Leben mit anderen zu teilen. Auch bei Facebook spielen Fotos eine Schlüsselrolle, 250 Millionen Bilder laden die Nutzer jeden Tag hoch.
Instagram hat den Nerv der fotoaffinen Internet-Nutzer aber offenbar besonders gut getroffen: Mit klarer, einfacher Bedienung, beliebten Foto-Effekten und einer geschickten Anbindung an andere soziale Netzwerke wie Tumblr und auch Facebook macht die App offenbar mehr Menschen Spaß als alle vergleichbaren Angebote. Vor allem die hohe Zahl regelmäßiger Nutzer und das starke Wachstum machten Instagram für Facebook so wertvoll, sagt Valdes.
Facebook zahlt bis zu zwei Millionen Dollar für einen Ingenieur
Allerdings ist der Internet-Riese bei Übernahmen immer auch an etwas anderem interessiert – nämlich an überdurchschnittlich talentierten Programmierern und App-Entwicklern. Schon mehrfach kaufte Facebook Startups auf, nur um die Gründer für sich zu gewinnen – und das übernommene Produkt sogleich zu beerdigen.
„Im Schnitt gibt Facebook ein bis zwei Millionen Dollar für jeden neuen Ingenieur aus“, sagt Valdes. Die Philosophie des Unternehmens laute: Lieber wenige sehr gute Entwickler, als viele durchschnittlich begabte. Gleichzeitig habe Facebook mit jeder weiteren Million Mitglieder einen neuen Ingenieur eingestellt – mehr als 800 sind es dementsprechend heute.
Zum Vergleich: Pinterest, neben Instagram derzeit das zweite boomende soziale Netzwerk im Silicon Valley, hat laut Valdes nur einen Entwickler pro drei Millionen Nutzer. Facebook hat im Vergleich also die besten Voraussetzungen, um sein Angebot stetig zu verbessern.
Dennoch sei Pinterest nach der Instagram-Übernahme ein „sehr attraktives Übernahmeziel“ geworden, sagt Gartner-Experte Valdes. „Es gibt viele andere junge soziale Netze, aber nur wenige mit einer exponentiellen Wachstumskurve, die mehrere zehn Millionen Nutzer erreicht.“ Gleich, wie hoch Pinterest vor wenigen Tagen noch bewertet worden sei der Wert des Startups habe sich nach dem Facebook-Deal verdreifacht bis vervierfacht, schätzt der Experte.