Internet-Fernsehen Wird Netflix zum Opfer seines Erfolgs?

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Steigt Apple ein?

Kenner halten dieses demonstrative Abwiegeln für bemüht: Denn anders als Amazon verfügt Netflix nicht über weitere, vergleichbar profitable Geschäftsfelder, mit denen der Konzern teure Serien und Filme subventionieren könnte. Hastings’ Erlösquelle sind die Abonnenten. Und die muss er zu teureren Upgrades verführen.

Anders Amazon: Das Unternehmen könne pro neuen Vorzugskunden, der als Prime-Mitglied für 49 Euro Jahrespauschale bessere Lieferkonditionen und Zugang zu Musik- und Videostreaming erhält, Medieninhalte im Wert von 130 Dollar pro Kopf einkaufen, ohne Verlust zu machen, sagt Richard Broughton vom Marktforscher Ampere.

Das rechnet sich, weil Prime-Kunden mehr und häufiger bei Amazon bestellen. „Im Grunde“, sagt ein Manager des Unternehmens, der ungenannt bleiben will, „reicht es, wenn die Videoplattform Prime so attraktiv macht, dass unsere Kunden mehr Umsatz machen, als Senderechte und TV-Produktionen kosten.“

Es ist, wie die Digitalgeschichte zeigt, brandgefährlich für Branchenrevolutionär Hastings: Mit mehr Geld und Quersubventionen aus dem Stammgeschäft hatte einst auch Microsoft den so beliebten wie gefeierten Netscape-Browser vom Markt gefegt.

Zumal Netflix nicht zum ersten Mal ausgestochen wurde. Vergangenes Jahr schon musste Hastings Dutzende Filme und Serien aus dem Angebot streichen, als ein Vertrag mit Epix – einem Joint Venture der Hollywood-Studios Lionsgate, MGM und Paramount – auslief. Die Rechte landeten bei Hulu, dem Streamingportal der großen US-Studios und -Sender. Seitdem müssen Netflix-Nutzer auf Kinohits wie „Die Tribute von Panem“ oder „World War Z“ verzichten.

Die Konsequenz von Netflix’ Inhalte-Chef Ted Sarandos: Künftig will er noch mehr auf eigene Produktionen setzen; sowohl bei Filmen wie auch bei Serien, etwa Kritikerliebling „Stranger Things“, der Winona Ryder zum fulminanten Comeback verhalf. Allerdings schraubt Sarandos’ Strategie die Investitionen noch weiter in die Höhe. Experten schätzen, dass Netflix bis 2020 mindestens acht Milliarden Dollar in Eigenproduktionen steckt. Und das, obwohl Netflix bisher den Beweis schuldig blieb, dass sich der Erfolg globaler Blockbuster wie „House of Cards“ mit lokalen Serien wiederholen lässt. Die französische Serie „Marseille“ mit Gérard Depardieu jedenfalls ließen Frankreichs Kritiker durchfallen.

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Immer drängender stellt sich damit die Frage, wer das Wettrüsten, das Netflix einst selbst entfachte, gewinnt – und ob der Pionier seine Unabhängigkeit bewahren kann?

Vergangene Woche traf sich die Branche beim Edinburgh International TV Festival, dem Davos der Fernsehwelt, um Fragen wie diese zu diskutieren. Hauptredner in Schottlands Kapitale war Shane Smith, Chef des mittlerweile milliardenschweren jungen Medienportals Vice, einst hervorgegangen aus einer kanadischen Punk-Postille. Der Vollbartträger sprach aus, worüber viele bisher nur spekulieren: „Apple-Chef Tim Cook“, sagte Smith, „will Netflix kaufen.“

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