Internetüberwachung Spionagetechnik made in Germany

Siemens hat Überwachungstechnik nach Syrien geliefert. Auch andere deutsche Firmen verdienen mit Spionageprogrammen für autoritäre Regime.

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Die Lage in Syrien ist prekär, viele Zivilisten flüchten in die Türkei (Foto). Zudem werden Regimegegner auch massiv überwacht - unter anderem mit deutscher Technik. Quelle: dapd

Mit aller Gewalt geht Syriens Machthaber Assad gegen die rebellierende Bevölkerung vor. Selbst Flüchtlinge im türkischen Grenzgebiet werden beschossen. Die schockierenden Bilder der Gewalt gelangen fast nur über das Internet aus dem Land, doch wer solche Handyaufnahmen auf Youtube lädt, lebt gefährlich. Immer wieder werden Aktivisten und Blogger verhaftet und gefoltert. Bei den Verhören werden sie dabei mit E-Mails oder Mitschnitten ihres Datenverkehrs konfrontiert, an die Syrien durch die Überwachung des Internet gelangt.

Die notwendige Technik dafür stammt aus dem Westen, dessen Politiker so gern die Segnungen des Netzes für die Demokratiebewegung preisen. Auch deutsche Firmen sind daran beteiligt, so berichtete das ARD-Magazin Fakt darüber, dass Siemens Überwachungstechnik an das Assad-Regime geliefert habe. Der Münchner Konzern räumte demnach ein, im Jahr 2000 ein Monitoring Center nach Syrien geliefert zu haben. 2008 erfolgte eine weitere Lieferung durch Nokia Siemens Networks.

Lukratives Geschäft mit Überwachungstechnik

Schon früher war das Unternehmen wegen der Lieferung seiner Überwachungssysteme in die Kritik geraten und auch eine andere Firma ist keine Unbekannte: Utimaco aus Aachen. Das Unternehmen bietet beispielsweise das Utimaco Lawful Interception Management System (LIMS) an – „für Telekommunikationsanbieter und Netzbetreiber zur gesetzeskonformen Überwachung von TK-Diensten“.

Laut Fakt zeigen interne Abrechnungsunterlagen, dass Utimaco 2005 Komponenten für das Monitoring Center in Syrien geliefert hat. Schon in einem anderen Fall stammten Teile des syrischen Schnüffelnetzes aus Aachen: Im Vorjahr war bekannt geworden, dass der italienische IT-Dienstleister Area Überwachungssysteme geliefert hatte und dabei auch Software von Utimaco einsetzte.

Das Abhörgeschäft ist lukrativ. Mehr als drei Milliarden Dollar werden jedes Jahr mit Überwachungstechnik umgesetzt, schätzt die Marktforschungsfirma TeleStrategies. Auf Messen wie der „ISS World” oder der „Cyber Warfare Europe“ bewerben die Firmen ihre neuesten Produkte. „Kenne deinen Feind“, erklärt Utimaco beispielsweise in einer Präsentation.

Zu den Abnehmern der Spionageprogramme gehören bevorzugt autoritäre Regime, wie sich in der letzten Zeit immer wieder gezeigt hat. Und deutsche Firmen haben dabei kräftig mitverdient.

Deutsches know how in Ägypten und Libyen

Beispiel Ägypten

Als die Demonstranten in Kairo das Gebäude des Inlandsgeheimdienstes erstürmten, wurden auch Handbücher und Schulungsunterlagen der britischen Gamma Group gefunden, zu der auch die Gamma International GmbH mit Sitz in München gehört.

Teil des Gamma-Portfolios ist die Überwachungssoftware Finfisher. „Finfisher ist zu hundert Prozent deutsch, also in Deutschland entwickelt“, sagte Sprecher gegenüber Fakt. Es werde nur aus England geliefert, da das deutsche Büro keinen Lagerraum habe. Die Produkte „ermöglichen aktiven Zugriff auf Zielsysteme (Computer und Telefon), wobei diese ferngesteuert, Daten analysiert sowie verschlüsselte Kommunikation und Daten gesammelt werden können“, heißt es auf der Unternehmenswebsite.

Der ägyptische Aktivist Mostafa Hussein veröffentlichte Dokumente, nach denen Gamma Mubaraks Sicherheitsleute Überwachungssoftware fünf Monate testen ließ, der Kauf sollte 400.000 Euro kosten. Die Geheimdienstler empfahlen den Kauf der Software und schwärmten, sie hätte volle Kontrolle über die „Geräte der gehackten Zielelemente" gebracht.

Beispiel Bahrain

Als der Menschenrechtsaktivist Abdulghani al-Chanjar 2010 festgenommen wurde, konfrontierten ihn die Sicherheitskräfte im Verhör mit SMS. Daran gelangten die Behörden womöglich auch mit Know-how aus Deutschland. Siemens soll nach Informationen von Bloomberg sein Monitoring Center auch in den Golfstaat geliefert haben.

Zu den Abnehmern der Überwachungssoftware gehört auch der Iran. Als der 2008 eine Sicherheitslösung kaufte, war Siemens aber mit der Technik schon nicht mehr so glücklich: Das Münchner Unternehmen hatte die Sparte 2007 in Nokia Siemens Networks ausgegliedert. Später wurde daraus das weiterhin in München ansässige Unternehmen Trovicor, dass dem Finanzinvestor Perusa gehört.

Beispiel Libyen

Auch Syriens Diktator Gaddafi interessierte sich für Überwachungstechnik made in Germany. Nach Recherchen des MDR wurden im Bunker des Diktatorensohns und Geheimdienstchefs Muttasim Gaddafi Angebotsunterlagen der Firma Syborg aus dem Saarland gefunden.

Doch nicht nur arabische Diktatoren gehören zu den Kunden der Spionagespezialisten: So schaffte das Land Berlin Anfang des Jahres Trojanersoftware von Syborg an. Kostenpunkt: 280.000 Euro.

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