Interview mit Rolf Pfeifer "Maschinen haben das Kommando übernommen"

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Roboter sollen raus aus den Fertigungshallen

Wie Computer wurden, was sie sind
Apple-Mitgründer Steve Jobs wollte einen Computer entwickeln, den jeder bedienen kann. Inspiration fand er im Forschungszentrum Xerox PARC: Dort hatten die Tüftler eine grafische Benutzeroberfläche (graphical user interface, GUI) programmiert, die Jobs bei einem Besuch elektrisierte. „Innerhalb von zehn Minuten war mir klar, dass eines Tages alle Computer so arbeiten würden“, sagte er Jahre später in einem Fernsehinterview. 1983 brachte Apple das Modell Lisa samt einer Maus heraus – den ersten Computer mit grafischer Benutzeroberfläche für den Massenmarkt. Allerdings reagierte die Technik nur sehr behäbig. Und der Preis von 10.000 Dollar war für die meisten Privatanwender zu hoch (in Deutschland kostete der Rechner 30.000 DM). Lisa erwies sich als großer Flop, die Restbestände wurden später in der Wüste von Utah entsorgt. Doch Lisa bahnte der Technologie den Weg. Quelle: mac-history.net
Doch Steve Jobs ließ sich vom Misserfolg mit dem Lisa nicht beirren und entwickelte bei Apple mit einem verschworenen Team den Macintosh, der sich ebenfalls mit einer Maus bedienen ließ und deutlich billiger war. Hier ist der junge Firmengründer (l.) 1984 bei der Vorstellung des Rechners mit dem damaligen Apple-Chef John Sculley zu sehen. Der Werbespot für diesen Computer, gedreht von Regisseur Ridley Scott, ist bis heute legendär – er soll zeigen, wie der Apple-Rechner die geknechteten Nutzer von IBM, dem „Big Brother“ mit seinen Einheits-PCs, befreit.
Das Gerät sollte nicht die Geschäftsleute begeistern, sondern die Massen. In Sachen Benutzerfreundlichkeit setzte Apple Maßstäbe, doch der Erfolg stellte sich erst über die Jahre ein, zumal Konkurrent IBM mit seinem PC reißenden Absatz fand. Der war zwar nicht so bequem zu bedienen, es gab aber viel mehr Anwendungen für ihn. Immerhin gelang es Apple mit der Zeit, eine treue Fangemeinde aufzubauen – auch in den Jahren ohne Steve Jobs. Der musste Apple 1985 nach einem Machtkampf mit Firmenchef Sculley verlassen. Quelle: dpa
Zum Durchbruch verhalf der grafischen Benutzeroberfläche nicht Steve Jobs, sondern ein junger Bursche namens Bill Gates. Sein Startup Microsoft entwickelte für den Computerhersteller IBM das Betriebssystem MS-DOS. In den 80er Jahren entdeckte Gates beim damaligen Partner Apple die intuitive Bedienung per Maus und ließ daraufhin die Benutzeroberfläche Windows entwickeln, die später Bestandteil aller Systeme wurde. 1985 kam die erste Version heraus, die ersten großen Erfolge gelangen in den 1990er Jahren mit Windows 3.0 und Windows 3.1. Heute ist Microsoft ein Software-Gigant und Windows der Quasi-Standard auf PCs. Quelle: dpa
Windows 95 bedeutete für Microsoft den Durchbruch – spätestens seit der Präsentation im namensgebenden Jahr 1995 kam kein Computerhersteller mehr an dem Betriebssystem vorbei. Damals führte der Software-Konzern auch den Start-Button ein, über den heute Millionen von Nutzern Programme aufrufen oder auch den Rechner ausschalten. Weitere Meilensteine in der Entwicklung sind Windows XP (2001) und Windows 7 (2009). Aktuell vermarktet Microsoft Windows 8. Quelle: dpa
Steve Jobs verhalf nicht nur der grafischen Benutzeroberfläche zum Durchbruch, sondern auch dem Touchscreen: Nach seiner Rückkehr zu Apple ließ er das iPhone entwickeln – hier die Präsentation im Januar 2007. Es war zwar nicht der erste Handy mit berührungsempfindlicher Oberfläche, hatte aber dank seiner intuitiven und ruckelfreien Bedienung so viel Erfolg wie kein Gerät zuvor. Für damalige Verhältnisse war das revolutionär, heute ist es Standard. Denn Apple fand viele Nachahmer. Quelle: AP
Auch im iPod Touch setzte Apple später seinen Touchscreen ein. Inzwischen kommt die Technologie in immer mehr Geräten zum Einsatz, auch in Notebooks oder Uhren. Quelle: AP

Wie meinen Sie das?

Wir sind alle schon seit Langem Cyborgs, die zum Beispiel ihre Sehschwäche mit Technik, sprich einer Brille, kompensieren. Oder wir nehmen Viagra. Wir sind nicht zufrieden mit dem, was die Evolution uns mitgegeben hat. Das ist die menschliche Natur. Es gibt Implantate, die uns wieder hören lassen – Gott sei Dank! Und die ersten Sportler können mit Prothesen heute schon schneller laufen, als hätten sie normale Beine.

Wo wir schon über Fortschritt sprechen. Welches sind die gegenwärtig wichtigsten Trends in der Robotik?

Im Zentrum stehen die Materialwissenschaften. Der Mensch besteht zu mindestens 80 Prozent aus weichem Material: Haut, Muskeln, Organe, Gewebe. Es leistet Enormes für uns, und wenn wir das auf Roboter übertragen wollen, muss es uns gelingen, eine künstliche Haut oder einen künstlichen Muskel mit integrierter Elektronik herzustellen. Der zweite Trend ist, dass die Roboter die Fabrikhallen verlassen und ihren Lebensraum mit uns teilen. Damit rückt die Mensch-Maschinen-Kooperation in den Vordergrund. Die Maschine übernimmt die stupiden Tätigkeiten, wir kümmern uns ums Kreative und die Aufgaben, bei denen Flexibilität gefragt ist.

Und was erwartet uns noch?

Wir Forscher betrachten den Roboter zunehmend nicht mehr als isolierte Einheit, sondern als Teil eines ganzen Ökosystems. Er interagiert mit anderen Maschinen und teilt seine Erlebnisse und Erfahrungen über die Cloud mit ihnen.

Denken Sie an ein Internet für Roboter?

Genau darum geht es im Robo-Earth-Projekt. Der Austausch könnte zu einer Explosion des Wissens unter den Maschinen führen.

Sie fahren dann selbstständig Lastwagen und Taxis und nehmen Millionen Menschen die Arbeit weg.

Dafür entstehen massenweise andere Jobs. Unter dem Strich hat technologischer Wandel noch zu allen Zeiten das Beschäftigungspotenzial erhöht und die Menschheit vorangebracht.

Geht es konkreter?

Wenn die Autos gelernt haben, autonom zu fahren, passieren kaum mehr Unfälle, sagen Experten voraus. Dann brauchen wir kaum mehr Reparaturwerkstätten und viel weniger Unfallkliniken. Ist das schlimm? Ich sage Nein. Denn irgendwer muss dafür sorgen, dass die Technologien funktionieren. Es muss die notwendige Infrastruktur hergestellt und erhalten werden. Das schafft Tausende Möglichkeiten für neue Jobs. Wer hätte vor 20 Jahren den Beruf des Web-Designers vorhergesehen. Heute gibt es Zigtausende in der Welt, und niemand muss für diese Beschäftigung ein Genie sein.

Zugleich wächst unsere Abhängigkeit von der Technik.

Das lässt sich nicht leugnen. Wenn morgen die Computer ausfallen, bricht das Chaos aus. Das ganze ökonomische System würde kollabieren, es gäbe Revolten und Hungersnöte. Aber uns bleibt keine Wahl: Niemand kann mehr auf den Computer verzichten. Das heißt, wir werden von unserer Technologie gezwungen, sie zu benutzen. In dem Sinne haben die Maschinen dann doch das Kommando übernommen.

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