Wie meinen Sie das?
Wir sind alle schon seit Langem Cyborgs, die zum Beispiel ihre Sehschwäche mit Technik, sprich einer Brille, kompensieren. Oder wir nehmen Viagra. Wir sind nicht zufrieden mit dem, was die Evolution uns mitgegeben hat. Das ist die menschliche Natur. Es gibt Implantate, die uns wieder hören lassen – Gott sei Dank! Und die ersten Sportler können mit Prothesen heute schon schneller laufen, als hätten sie normale Beine.
Wo wir schon über Fortschritt sprechen. Welches sind die gegenwärtig wichtigsten Trends in der Robotik?
Im Zentrum stehen die Materialwissenschaften. Der Mensch besteht zu mindestens 80 Prozent aus weichem Material: Haut, Muskeln, Organe, Gewebe. Es leistet Enormes für uns, und wenn wir das auf Roboter übertragen wollen, muss es uns gelingen, eine künstliche Haut oder einen künstlichen Muskel mit integrierter Elektronik herzustellen. Der zweite Trend ist, dass die Roboter die Fabrikhallen verlassen und ihren Lebensraum mit uns teilen. Damit rückt die Mensch-Maschinen-Kooperation in den Vordergrund. Die Maschine übernimmt die stupiden Tätigkeiten, wir kümmern uns ums Kreative und die Aufgaben, bei denen Flexibilität gefragt ist.
Und was erwartet uns noch?
Wir Forscher betrachten den Roboter zunehmend nicht mehr als isolierte Einheit, sondern als Teil eines ganzen Ökosystems. Er interagiert mit anderen Maschinen und teilt seine Erlebnisse und Erfahrungen über die Cloud mit ihnen.
Denken Sie an ein Internet für Roboter?
Genau darum geht es im Robo-Earth-Projekt. Der Austausch könnte zu einer Explosion des Wissens unter den Maschinen führen.
Sie fahren dann selbstständig Lastwagen und Taxis und nehmen Millionen Menschen die Arbeit weg.
Dafür entstehen massenweise andere Jobs. Unter dem Strich hat technologischer Wandel noch zu allen Zeiten das Beschäftigungspotenzial erhöht und die Menschheit vorangebracht.
Geht es konkreter?
Wenn die Autos gelernt haben, autonom zu fahren, passieren kaum mehr Unfälle, sagen Experten voraus. Dann brauchen wir kaum mehr Reparaturwerkstätten und viel weniger Unfallkliniken. Ist das schlimm? Ich sage Nein. Denn irgendwer muss dafür sorgen, dass die Technologien funktionieren. Es muss die notwendige Infrastruktur hergestellt und erhalten werden. Das schafft Tausende Möglichkeiten für neue Jobs. Wer hätte vor 20 Jahren den Beruf des Web-Designers vorhergesehen. Heute gibt es Zigtausende in der Welt, und niemand muss für diese Beschäftigung ein Genie sein.
Zugleich wächst unsere Abhängigkeit von der Technik.
Das lässt sich nicht leugnen. Wenn morgen die Computer ausfallen, bricht das Chaos aus. Das ganze ökonomische System würde kollabieren, es gäbe Revolten und Hungersnöte. Aber uns bleibt keine Wahl: Niemand kann mehr auf den Computer verzichten. Das heißt, wir werden von unserer Technologie gezwungen, sie zu benutzen. In dem Sinne haben die Maschinen dann doch das Kommando übernommen.