WirtschaftsWoche: Herr Nill, fast jeder Onliner kennt Ihre FritzBox. Sie selbst aber scheuten lange die Öffentlichkeit. Nun aber kämpfen Sie offensiv gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Kommunikationsmarkt. Wie fühlt man sich als Rebell?
Nill: Das ist der falsche Begriff. Rebellen haben etwas Umstürzlerisches. Ich will etwas bewahren: die Erfolgsgeschichte eines funktionierenden Telekommunikationsmarktes. Wir erleben seit den Achtzigerjahren, welche Dynamik die Liberalisierung gebracht hat. Erinnern Sie sich an den Innovationsschub, als wir nicht mehr nur das graue Post-Telefon benutzen durften? Welche Leistungssprünge es bei Internet-Modems gab, als die Konkurrenz aus Japan und den USA auf den deutschen Markt kam? Jetzt aber scheint Wettbewerb nicht mehr gefragt zu sein. Das beunruhigt mich.
Woran machen Sie das fest?
Daran, dass der Regulierer plötzlich zulässt, dass Internet-Anbieter Kunden vorschreiben, mit welchen Endgeräten sie online gehen. Das Gesetz gibt jedem Nutzer Wahlfreiheit, welchen Router er am DSL-Anschluss installiert. Nun aber rückt mancher Netzbetreiber die Zugangsdaten nicht mehr raus und zwingt den Kunden so seine Technik auf. Und die Bundesnetzagentur sieht angeblich keine Möglichkeit zum Einschreiten.
Das mag den FritzBox-Absatz bremsen. Aber treibt das wirklich die Kunden um?
Wir haben viele Mails von Kunden bekommen, die sich über diese Entwicklung sorgen. Stellen Sie sich vor, Mobilfunkanbieter würden vorschreiben, welches Handy die Kunden in ihrem Netz benutzen müssen. Das würde keiner akzeptieren. Abgesehen davon hätte in so einem Fall weder Apple noch Google eine Chance gehabt, das iPhone oder Android-Handys auf den deutschen Markt zu bringen. Dieses dirigistische Szenario droht dem Internet mit dem Routerzwang. Das sehen nicht nur wir so. Vergangene Woche haben 16 Hersteller beim Regulierer und beim Bundeswirtschaftsministerium gegen den Hardwarezwang protestiert.
Die Bundesnetzagentur argumentiert, so groß könne das Problem nicht sein. Es hätten sich bisher nur wenige Kunden konkret darüber beschwert.
Noch sind es nur wenige, aber namhafte DSL-Anbieter, die das durchziehen. Wir wollen den Trend stoppen. Um so etwas zu verhindern, hat der Gesetzgeber ja festgelegt, dass Kunden am Internet-Anschluss jede Technik anschließen dürfen, die den aktuellen Standards entspricht.
Die Netzbetreiber begründen die Vorgaben damit, dass sie nur so beste Verbindungsqualität und optimalen Service garantieren können. Ist da was dran?
Nein, es sind die gleichen vorgeschobenen Argumente wie vor der ersten Liberalisierung. Aktuelle Router lassen sich von Ferne warten und konfigurieren, egal, wer sie baut. Ich verstehe, wenn Internet-Anbieter keinen Support leisten wollen, weil Kunden fremde Technik anschließen und falsch konfigurieren. Aber um den Service zu verweigern, braucht es keinen Routerzwang.
Worum geht es dann?
Worum geht es dann?
Die Netzbetreiber wollen kontrollieren, welche Internet-Dienste ihre Kunden nutzen und welche sie ihnen – gegen Zuschlag – verkaufen können. Wenn ich den Router kontrolliere, kann ich zum Beispiel verhindern, dass der Kunde alternative Anbieter für Internet-Telefonate einstellt. Diese Funktion ist bei unseren Boxen und vielen Geräten der Wettbewerber ab Werk freigeschaltet. Ähnliches gilt für Zugriffe auf Cloud-Dienste, Online-Speicher, Internet-Videotheken oder sehr schnelle Datenverbindungen, die Computerspieler nutzen. Mit all dem kann ein Netzbetreiber nur Zusatzumsätze machen, wenn der Kunde die Technik nicht mehr frei wählen kann.
Was ist verwerflich daran, wenn Internet-Anbieter Geld verdienen wollen?
Nichts. Nur darf die Liberalisierung des Kommunikationsmarktes nicht zweckentfremdet werden, um Netzbetreibern zusätzliche Einnahmen zu sichern. Die Liberalisierung sollte den Markt innovativ, dynamisch und effizient machen, aber auch langfristig halten. Wahlfreiheit beim Endgerät ist einer der entscheidenden Hebel. Genau deshalb steht sie ausdrücklich im Gesetz.
Und weshalb setzt der Regulierer die Vorgabe dann nicht um?
Da kann ich nur spekulieren. Die Bundesnetzagentur führt unter anderem angebliche Regulierungsvorgaben durch die EU an. Aber die sind bisher weder verabschiedet, noch betreffen sie überhaupt das DSL-Geschäft. Viele Jahre hat die Bundesnetzagentur verbraucherorientiert entschieden. Warum sie das nun aufgibt, ist uns ziemlich schleierhaft.
Warum klagen Sie nicht, wenn Netzbetreiber und Regulierer Ihrer Meinung nach gesetzwidrig handeln?
Weil wir glauben, dass das keine Frage für ein Gericht ist. Zunächst muss der Regulierer ein klares Zeichen setzen. Dann ist die Politik gefordert, klarzustellen, dass sie den Kommunikationsmarkt als Wachstumstreiber erhalten will.