Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass die WLAN-Welt gehörig ins Wanken geriet. Auf dem Mobile World Congress 2015 stellten die Chiphersteller erstmals ihre Pläne für die nächste Ausbaustufe von LTE vor. Im Zentrum des neuen LTE-LAA (License Assisted Access): lizenzfreies Spektrum im 5 GHz-Band, heute genutzt von vielen WLAN-Netzen.
Konkret sieht LTE-LAA vor, Daten nicht nur über die üblichen, lizenzierten, Bänder zu übertragen, sondern gleichzeitig Frequenzen im lizenzfreien 5 GHz-Band zu belegen. Das Modell bringt mehr Bandbreite, ist also für die Mobilfunker hoch attraktiv.
Auch finanziell. Denn während die Provider üblicherweise in milliardenschweren Auktionen neue Frequenzblöcke ersteigern müssen, ist das 5 GHz-Band kostenlos.
Kein Wunder also, dass die Mobilfunker ihre Pläne mit hohem Tempo vorantreiben. So soll der LTE-LAA Standard noch in diesem Jahr durch das 3GPP (3rd Generation Partnership Project) verabschiedet werden. Die ersten Produkte soll es laut Chiphersteller Qualcomm dann in 2017 geben. Und auch die ersten Live-Tests hat es bereits gegeben.
Es wird eng im WLAN-Band
Nun muss man kein Physiker sein, um angesichts der Pläne nervös zu werden. Funk ist grundsätzlich ein „Shared Medium“. Je mehr Teilnehmer sich also in einem Frequenzbereich – oder in einer Zelle – tummeln, desto weniger Bandbreite bleibt für jeden einzelnen übrig.
Was der neue Mobilfunk 5G leisten soll
Bis zu 100 Mal größer: 5G soll ganz neue Formen der Unterhaltung ermöglichen, wie Videospiele mit virtuellen Realitäten – und Computerbrillen für 3-D-Videos mit lebensechter 4-K-Auflösung.
10 Mal effizienter: Heute ist Strombedarf einer der größten Kostentreiber im Mobilfunk. Künftig müssen Infrastruktur und Endgeräte drastisch weniger Energie verbrauchen – und im Idealfall bis zu zehn Jahre ohne Batterietausch funken.
1000 Mal höher: Wenn Mobilfunk künftig auch Sensoren in Parkuhren, Ampeln, oder Pkw-Stellplätzen vernetzen soll, müssen Funkzellen mit der 1000-fachen Zahl von Geräten kommunizieren können.
10 bis 100 Mal schneller: Damit autonom fahrende Autos einander rechtzeitig Notbremssignale geben können, muss das Funknetz Befehle in weniger als zehn Millisekunden übermitteln. Heutige Netze brauchen mindestens 100 Millisekunden.
Bis zu 1000 Mal verlässlicher: Heute nerven Verbindungsabbrüche nur. Im Internet der Dinge wird es zum unkalkulierbaren Risiko, wenn der Funk zickt. Dann drohen der Stillstand von Maschinen oder gar tödliche Unfälle mit Robotern.
Doch warum ist gerade das 5 GHz-Band so immens wichtig für uns WLAN-Nutzer?
Als vor rund 15 Jahren die ersten WLAN-Geräte auf den Markt kamen, funkten diese fast ausnahmslos im 2,4 GHz-Band. Das ging solange gut, bis die Welt das unglaubliche Potential der Drahtlosnetze für sich entdeckte und die WLANs nur so aus dem Boden sprießten. Schätzungen des Verbands der deutschen Internetwirtschaft e. V. (eco) zufolge wird die installierte Basis an WLAN-Geräten bis Ende 2017 weltweit die 20 Milliarden-Marke überschreiten. Und schon heute gibt es fast keinen Haushalt – und erst recht kein Unternehmen – mehr ohne eigenes Drahtlosnetz.
Von 1G bis 5G: Die Ahnengalerie der Netze
1960: A-C-Netze
Mit der ersten Generation wurde die Autotelefonie möglich.
1990: GSM-Netz
Durch das GSM-Netz konnten unter anderem folgende Funktionen genutzt werden: digitaler Mobilfunk, SMS und E-Mail.
2000: UMTS-Netz
Die 3. Generation schaffte die Voraussetzung für die Nutzung von mobilem Internet und Apps.
2010: LTE-Netz
Mit dem LTE-Netz wurde die Möglichkeit zur Nutzung von Breitband-Mobilfunk und Video eingeräumt.
2020: Internet der Dinge
Das Internet der Dinge soll die Voraussetzungen für vernetzte Maschinen und Gaming schaffen.
Gerade in Ballungsgebieten konnte man die Folgen sehr genau beobachten: Die Netze fingen an sich zu stören, die Masse der WLAN-Clients sorgte für Staus in den Drahtlosnetzwerken und weitere fremde Störquellen wie Mikrowellen, Bluetooth und andere, die auch im 2,4 GHz-Band funkten, taten ihr Übriges. Ein zuverlässiger Funkbetrieb wurde immer schwieriger.
Also wichen immer mehr WLAN-Nutzer auf das zweite WLAN-Band aus: den 5 GHz-Bereich. Dieses Band ist unter anderem deshalb hochattraktiv, weil es noch recht wenig genutzt und weitgehend frei von fremden Störquellen ist. Es ist heute der Garant schlechthin für ein zuverlässiges Funktionieren eines Wireless LAN.
Das würde sich mit der Einführung von LTE-LAA schlagartig ändern.
LTE-LAA: Die große Unbekannte mit Störfaktor
Auch wenn die Chiphersteller nicht müde werden, zu betonen, dass LTE-LAA bestehende WLAN-Netze im 5 GHz-Band nicht beeinträchtigen würde, sind Zweifel angesagt. Denn wir müssen davon ausgehen, dass die Carrier so viel Datenverkehr wie nur irgendwie möglich auf das 5 GHz-Band auslagern werden, sobald es ihnen technologisch möglich ist.
Die Folge wäre ein „LTE-Dauerfunker“, der das Frequenzband in Spitzenzeiten durchgängig belegen und das Versprechen der Chiphersteller, ein faires Miteinander zu gewährleisten (Fair Sharing) ad absurdum führen würde. Gerade für Unternehmen würde damit eine störungsfreie und zuverlässige Nutzung des 5-GHz Frequenzbandes für ihre eigenen Netze praktisch unmöglich.
Zugegeben: Wie groß diese Gefahr tatsächlich ist, lässt sich schwer einschätzen. Weder bei dem Live-Test in Deutschland – noch während des Entwicklungsprozesses von LTE-LAA – wurde die WLAN-Industrie aktiv eingebunden. Das ist umso erstaunlicher, als es gerade die WLAN-Nutzer sind, für die hier am meisten auf dem Spiel steht.
Anstieg des Datenverkehrs pro Gerät bis 2017
Anstieg des Datenverkehrs pro Gerät bis 2019 (in Megabyte pro Monat)
Quelle: Cisco
+8691 MB
+3162 MB
+2948 MB
+338 MB
LTE & WLAN: Gemeinsam geht's
Es gibt aber durchaus Wege, wie die Provider kurzfristig mehr Bandbreite schaffen können, ohne die Existenz und den weiteren Ausbau der WLAN-Infrastruktur hierzulande zu gefährden. Und auch hierbei spielt WLAN eine zentrale Rolle.
Das Konzept ist simpel: Statt auf LTE-LAA zu setzen, könnten die Carrier an neuralgischen Punkten und in Ballungsgebieten eigene WLAN-Hotspots aufbauen. Kommt ein Smartphone in Reichweite, wird der mobile Datenverkehr automatisch über den breitbandigeren Hotspot transportiert.
Die Technologie dahinter ist auf Basis eines ratifizierten Standards verfügbar und sofort einsatzfähig. Mit IEEE 802.11u – auch bekannt als Hotspot 2.0 oder Passpoint – werden die Nutzer über ihre SIM-Karten automatisch im Hotspot authentifiziert und müssen sich nicht anmelden. Der gesamte Datenverkehr findet verschlüsselt statt, so dass für ein Höchstmaß an Sicherheit gesorgt ist.
Die Infrastrukturinvestitionen für die Hotspots hielten sich in Grenzen (zumal auch LTE-LAA neue Hardware erfordern dürfte!), die Bandbreite würde massiv erhöht. Mobilfunk bliebe Mobilfunk und wilderte nicht im WLAN-Spektrum – und die friedliche Koexistenz dieser beiden für die weitere Digitalisierung unseres Landes so immens wichtigen Technologien würde gewahrt. Mehr noch: sie würden sich ideal ergänzen!
Es ist unverständlich, dass diese Alternative so wenig in Erwägung gezogen wird.