Konzertfestival Himmlische Freuden in Luzern

Kein Blitzlichtgewitter, kein roter Teppich, kein Medienrummel stört am das Treffen der Mächtigen und Musikliebhaber aus Industrie und Finanzwirtschaft in Luzern. Manager schätzen das Schweizer Konzertfestival wegen seiner Exklusivität. Doch eine anonyme Millionen-Spende könnte genau diese zerstören.

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Kultur- und Kongresszentrum in Luzern: Das Schweizer Konzertfestival lockt Mächtige aus Industrie und Wirtschaft an. Quelle: handelsblatt.com

DÜSSELDORF. An diesem Abend geben sich die Wirtschaftsgrößen ganz dem Eros hin. Beim Apéro auf den "Luzerner Terrassen" genießen Oswald Grübel, Jürgen Dormann, Klaus-Michael Kühne und Roland Berger das Alpenpanorama im milden Abendlicht; danach Ludwig van Beethovens "Fidelio". Selbstlose Liebe, unverbrüchliche Treue stehen auf dem Programm. Orchestriert von Spitzenmusikern aus aller Welt, dirigiert von Claudio Abbado. Premierenstimmung auf dem "Lucerne Festival".

Doch etwas ist anders: Kein Blitzlichtgewitter, kein roter Teppich, kein Medienrummel stört am heutigen Abend das Treffen der Mächtigen und Musikliebhaber aus Industrie und Finanzwirtschaft. Auch deshalb kommen sie gern nach Luzern - UBS-Chef Grübel, Ex-Hoechst-Chef Dormann, Hapag-Lloyd-Investor Kühne oder Roland Berger, Chefberater der Deutschland-AG.

Der Erfolg hat einen Namen, Michael Haefliger. Seit Übernahme der Intendanz hat der Sohn des Tenors Ernst Haefliger, selbst ausgebildet als Konzertviolinist in New York und als MBA graduiert in St. Gallen, das Festival binnen zehn Jahren in die europäische Top-Liga gespielt. Und das ohne nennenswerte staatliche Hilfe.

Der Erfolg ist Segen und Fluch zugleich. Private Gönner wollen jetzt auch ein Musiktheater finanzieren. Das wortgewaltig "Salle Modulable" genannte Megaprojekt, das weit mehr sein soll als eine klassische Opernbühne, würde die bislang so stillen Festspiele in eine neue Dimension katapultieren.

Dafür stehen Mittel bereit, von denen die Festivalmacher in Bayreuth oder Salzburg nur träumen können: 100 Millionen Franken - offeriert von einem unbekannten Mäzen. Doch mit einem Opernhaus, fürchten Kritiker, könnte das Luzerner Musikfestival seine Einmaligkeit verspielen. Die lokale Presse unkt schon mit dem Trojanischen Pferd, das der Stadt mehr (finanzielles) Unglück denn Ruhm und Ehre bringen könnte.

Selbst Freunde äußern Bedenken: "Ich empfehle eine vorsichtige Expansion. Luzern darf seine Exklusivität nicht aufgeben", warnt etwa Unternehmensberater Berger.

Spagat zwischen Kultur und Business

Ein gut gemeinter Rat von einem bedingungslosen Luzern-Fan. "Das beste Musikfestival, das ich kenne", lobt Berger. "Hier steht die Musik im Mittelpunkt."

Intendant Haefliger versteht den Spagat zwischen Kultur und Business. "Ich betrachte die Dinge von zwei Seiten", sagt der 49jährige. Sein Erfolg macht es ihm natürlich leicht, die Kunst in den Vordergrund zu stellen. "Wenn ich das Festival nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten organisieren würde, könnte es nicht funktionieren."

Seine Management-Ausbildung kommt trotzdem zur Wirkung. Allein die Umfirmierung der Festspielwochen in "Lucerne Festival" war ein cleverer Marketing-Coup. Denn mit dem englischen Logo lässt sich ein Musikereignis international sehr viel besser vermarkten.

Die beste Idee war zweifellos eine künstlerische. Das Engagement von Claudio Abbado vor sieben Jahren. Der frühere Dirigent der Berliner Philharmoniker hat ein Orchester von Weltniveau zusammengestellt. Seine Luzerner Mahler-Interpretationen haben Musikgeschichte geschrieben. "Himmlische Freuden, irdisch gegenwärtig", jubelte die "Neue Zürcher Zeitung" über Mahlers 4. Sinfonie. Harald Tribune nennt Abbado "A commanding performer".

Mit Pierre Boulez steht ein zweiter Künstler mit großem Namen für den Erfolg des Festivals. Der französische Komponist und Dirigent lädt 120 junge Musiker alljährlich zur Lucerne Festival Academy, einer Meisterwerkstatt für zeitgenössische Kompositionen.

Diese Saison ist dem Eros gewidmet. Abbado startet mit einem Experiment, der halbszenischen Aufführung von "Fidelio". Wenn Leonore (alias Fidelio) und Florestan am Ende den Sieg ihrer Liebe mit dem Duett "O namenlose Freude" intonieren, dann dürfen die Premierengäste das durchaus als Dankeshymne an edle Spender verstehen.

Dankeshymne an edle Spender

Denn dem künstlerischen steht der ökonomische Anspruch in nichts nach. Stadt und Regionalverwaltung zahlen gerade einmal 750 000 Franken (550 000 Euro) Zuschuss pro Jahr. In Bayreuth, Salzburg oder Schleswig-Holstein, den drei anderen großen Sommerfestspielen im deutschsprachigen Raum, wird dagegen um Millionenzuschüsse aus öffentlichen Kassen gerungen.

In Luzern stehen Credit Suisse, Nestlé, Roche und die Zürich Versicherung ganz vorn auf der Sponsoren-Liste. Auch Audi und Siemens zählen zu den Unterstützern. Viele Gönner möchten allerdings ungenannt bleiben.

Kein großes Aufheben wollen die Festivalveranstalter deshalb um die jüngst erfolgte Gründung eines deutschen Freundeskreises machen. "Japanese" und "American Friends of the Lucerne Festival" gibt es längst. In diesen Ländern herrscht eine ganz andere Mäzenaten-Kultur als in Deutschland, sagt ein Kenner der Festivalszene. Auch die Schweizer seien eher bereit, Kunst und Musik aus der Privatschatulle zu finanzieren.

Die "German Friends" haben ihren juristischen Sitz nicht zufällig in München. Die bayerische Landeshauptstadt ist schließlich Standort des Beratungsimperiums von Roland Berger. Zudem fügt es sich gut, dass der 72-jährige Firmengründer gerade aus dem aktiven Geschäft ausgestiegen ist - jetzt bleibt ihm mehr Zeit, Hobbys und Leidenschaften zu pflegen.

Seit Jahren trommelt der prominente Berater für Luzern, lädt Kunden und Freunde ein, macht ihnen Luzern schmackhaft. Ob BASF-Chef Jürgen Hambrecht oder Bosch-Vormann Franz Fehrenbach. Sie kennen inzwischen die einmalige Premierenstimmung, mit Blick auf den stillen See, weit hinten der Rigi im Licht der untergehende Sonne.

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