Die Telefonrechnung hat nach dem Urlaub so manche böse Überraschung beschert. Grund waren hohe Roaming-Gebühren und versteckte Kosten. Ab dem 1. Juli kommen die vier großen Netzanbieter den Verbrauchern gesetzesbedingt erneut ein Stück entgegen. „Die EU hat 2012 die letzte Roaming-Verordnung erlassen, die eine weitere Preissenkung vorsieht. Da können die Netzbetreiber den Kopf nicht aus der Schlinge ziehen, selbst wenn sie wollten“, sagt Torsten Gerpott, Leiter des Lehrstuhls Unternehmens- und Technologieplanung an der Mercator School of Management in Duisburg.
Tatsächlich fallen die Preise für selbst getätigte Telefonate aus dem Ausland von 24 auf 19 Cent (inklusive Mehrwertsteuer 23 Cent). Und das Verschicken von SMS wird künftig noch 0,06 Cent kosten und damit deutlich günstiger werden (inklusive Mehrwertsteuer 0,07 Cent). Die neuen Tarife im Überblick:
Mobilfunk-Tarife im EU-Ausland: ab 1. Juli 2014
1. Juli 2012: 0,29 €
1. Juli 2013: 0,24 €
1. Juli 2014: 0,19 €
Alle Preise zzgl. MwSt.
1. Juli 2012: 0,08 €
1. Juli 2013: 0,07 €
1. Juli 2014: 0,05 €
Alle Preise zzgl. MwSt.
1. Juli 2012: 0,09 €
1. Juli 2013: 0,08 €
1. Juli 2014: 0,06 €
Alle Preise zzgl. MwSt.
1. Juli 2012: kostenlos
1. Juli 2013: kostenlos
1. Juli 2014: kostenlos
Alle Preise zzgl. MwSt.
1. Juli 2012: 0,70 €
1. Juli 2013: 0,45 €
1. Juli 2014: 0,20 €
Alle Preise zzgl. MwSt.
Für die Mobilfunkanbieter entstehen dadurch starke Einbußen. Fünf bis sechs Prozent des früheren Einkommens könnten durch das EU-Gesetz wegfallen, schreibt Andreas Gentner vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte im Vorwort einer Studie zum Thema.
„Natürlich wird durch diese Preissenkung ein bisschen Luft aus dem Markt genommen, aber sowohl im Sprach-, als auch im SMS-, als auch im Datenbereich müssen noch keine roten Zahlen geschrieben werden“, bestätigt auch Torsten Gerpott. „Die Anbieter verdienen aber immer noch gute Margen.“
Wie Sie sich vor Handy-Kostenfallen im Ausland schützen (Stand April 207)
Mit Roaming (zu deutsch etwa "wandern", mit Bezug auf den Nutzer, der durch die Mobilfunknetze wandert) werden jene Gebühren bezeichnet, die anfallen, wenn Mobilfunkkunden im EU-Ausland zum Handy greifen.
Zum Ärger von Verbraucherschützern und Regulierern hielten die Roaming-Kosten die Tarife lange Zeit hoch und sorgten dafür, dass die Anbieter sich eine goldene Nase verdienten.
Quelle: Bundesnetzagentur, Verbraucherzentrale, dpa
Stand: April 2017
Um allzu hohe Rechnungen zu vermeiden, schreibt die Roaming-Verordnung innerhalb der europäischen Union vor, dass Mobilfunkanbieter eine Obergrenze von 50 Euro anbieten müssen. Seit 2012 gilt zudem der Kostenairbag: Jeder Anbieter mit Sitz in der EU darf für weltweites Datenroaming auch im außereuropäischen Ausland maximal 50 Euro (zzgl. Mehrwertsteuer) berechnen.
Aber: Lässt der Netzbetreiber im Nicht-EU-Land, das der Nutzer besucht, es nicht zu, dass der Roamingpartner das Nutzerverhalten in Echtzeit überwacht, gibt es keinen Kostenairbag. Dann muss dem Kunden aber bei Einreise auf dem Handy mitgeteilt werden, dass die Kostenbegrenzung nicht zur Verfügung steht.
Smartphones können sich vom Nutzer unbemerkt ins Internet einwählen, um zum Beispiel ein Software-Update auszuführen, automatisch E-Mails abzurufen oder die Wetterinformationen zu aktualisieren. Dies kann durch rechtzeitiges Ausschalten dieser Funktion beziehungsweise des gesamten Mobiltelefons verhindert werden. Am einfachsten ist es, das Smartphone einfach auf den Flugmodus zu setzen. Dann ist allerdings auch das Telefonieren nicht mehr möglich. Alternativ können auch Softwareaktualisierungen nur noch per WLAN zugelassen werden. Eine entsprechende Einstellung gibt es in jedem Betriebssystem.
Auch Rufweiterleitung oder das Abhören der Mailbox kostet, vor allem in Ländern außerhalb der EU. Hier lauert die Kostenfalle der doppelten Umleitung: Man zahlt zum einen für die Weiterleitung des Gesprächs ins Urlaubsland und dann noch einmal für die Rückleitung auf die deutsche Mailbox.
Reiseführer und City-Guides gibt es auch als Apps, die sich unterwegs mit einem Smartphone nutzen lassen. Das Herunterladen vor Reiseantritt spart Roaming-Gebühren, da die Reiseführer nach dem Download in der Regel ohne Internetverbindung, also offline, zur Verfügung stehen.
In vielen Hotels, Bars und Restaurants stehen WLAN-Hotspots zur Verfügung, mit deren Hilfe günstig, oder sogar kostenfrei, am Urlaubsort im Internet gesurft werden kann. Allerdings muss von der Eingabe von sensiblen persönlichen Daten (wie etwa Online-Banking, Kreditkartennummer) abgeraten werden, da diese leicht ausgespäht werden können.
Der 15. Juni 2017 ist eine Zäsur in der Entwicklung des Mobilfunks: Das umstrittene EU-Roaming wird kostenfrei. Nun soll EU-Reisenden kein Eurocent extra mehr fürs Herumwandern durch fremde Netze aus der Tasche gezogen werden. Zwar müssen auch künftig Roaming-Kosten bezahlt werden, aber es sind nicht mehr die Endkunden, die zur Kasse gebeten werden - im Prinzip jedenfalls.
„Es ist völlig unklar, was nach dem 15. Juni passiert“, analysiert etwa Susanne Blohm, Referentin für Digitales und Medien bei der Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin.
Andere wie das Vergleichsportal Verivox sehen eine Preiswende am Mobilfunk-Himmel heraufziehen. Verbraucher würden für eine Leistung bezahlen, die eigentlich kostenfrei sei, unterstreicht Christian Schiele, Produktchef Telekommunikation bei Verivox. Anbieter wie Telekom und Telefónica hatten bereits vor längerer Zeit ihre Tarife angepasst und EU-Roaming als Inklusivleistung ins Programm genommen. Dafür wurde der Preis leicht nach oben angepasst. Entfallen nun die Roaminggebühren, kommt es zu einer indirekten Preiserhöhung. Es sei denn, die Unternehmen rechnen die Kosten wieder heraus.
Der Kostenfaktor Roaming, argumentiert Verivox, werde nun aufs Inland verlagert und in die Handytarife eingepreist. Folge: Nichtreisende und Geringverdienende zahlten am Ende die Zeche. Einige Discounter wie Billigmarken bei Drillisch sind bereits dazu übergegangen, rein nationale Tarifmodelle zu entwickeln, die eine Auslandsnutzung ausschließen.
Die Betonung liegt auf dem Wort „noch“. Denn schon im kommenden Jahr will die Europäische Union, dass die Mitgliedsländer komplett roamingfrei werden. Ein entsprechender Verordnungsentwurf wurde bereits im September 2013 vorgelegt. Danach sollen alle EU-Bürger künftig grenzübergreifend zu ihren im Heimatland angeschlossenen Tarifen surfen und telefonieren dürfen. Dann wäre also endgültig Schluss mit dem nervigen Austauschen von Sim-Karten oder dem Abschließen irgendwelcher Zusatzpakete für den Kurzurlaub.
„Ich halte die politische Durchsetzbarkeit für sehr wahrscheinlich“, sagt Gerpott. „Denn die EU-Politiker können sich auf Kosten der Netzbetreiber als Verbraucherschützer positionieren und gleichzeitig den praktischen Nutzen von Europa in den Mittelpunkt rücken.“
Viele neue Tarife
Das bleibt nicht ohne Folgen. Schon jetzt stellen sich die Mobilfunkanbieter mit neuen Modellen auf die Zeiten ohne „Cash Cow“ Roaming ein. „Zum Teil kosten die Tarife jetzt schon weniger als die EU verlangt“, sagt Thomas Bradler, Rechtsexperte bei der Verbraucherzentrale NRW.
Telekom-Kunden können ab Juli eine einjährige All-Inklusive-Option buchen, mit der gegen fünf Euro Aufpreis im Monat Inland-Flatrates für Telefonie, SMS und Internet auch im EU-Ausland gelten. Für alle, die nicht ständig im Ausland sind, bietet die Telekom ein Vier-Wochen-Paket für 19,95 Euro an. Tages- und Wochenpässe für den Kurzurlaub haben die Bonner ebenfalls im Angebot. Diese bieten sie seit Mai sogar weltweit zu EU-Bedingungen an – zumindest für Vertragskunden (ab 34,95 Euro im Monat). Damit kosten dann selbst in Südafrika 150 Megabyte nicht mehr als 14,95 Euro in der Woche. Gegen einen Aufpreis (je nach Tarif) können Telekom-Kunden außerdem ab 1. Juli EU-weit sowie in die Schweiz ihre Dreifach-Flatrate nutzen.
Bedenkt man, dass auch nach den neuen EU-Regularien pro Megabyte Datenvolumen immer noch 24 Cent inklusive Mehrwertsteuer anfallen, können sich solche Datenpakete lohnen. „Das Surfen im Netz ist auch nach Inkrafttreten der neuen Höchstpreise ab Juli noch sehr teuer, wenn ein Anbieter nicht unter die Preisgrenzen geht“, sagt Torsten Gerpott vor.
Sicher ist der Verbrauch des Datenvolumens immer individuell und von dem eigenen Surfverhalten abhängig. Doch grob (und ohne Gewähr) lässt sich sagen, dass mit zehn Megabyte (2,40 Euro) folgendes möglich ist: zehn Bilder ins Netz laden (etwa 500 Kilobyte pro Bild), zehn Mal E-Mails checken (ohne Anhänge), 20 Webseiten aufrufen, 50 Mal das Facebook-Profil abrufen und etwa 100 WhatsApp-Nachrichten senden oder empfangen.
Für den normalen Urlauber dürfte das ausreichend sein. Doch für Geschäftsreisende, die oft mit großen Dateianhängen arbeiten müssen, können sich die angebotenen Zusatzpakete durchaus lohnen. Ein Vorteil bei Reisen innerhalb der EU: Die Netzanbieter sind ab Juli verpflichtet, ab einer versurften Summe von 60 Euro, die Verbindung ins Netz zu unterbrechen. Ist das Volumen zu 80 Prozent verbraucht, schickt der Provider eine Warnung heraus. Kurz darauf ist dann Schluss. Der Nutzer hat im Anschluss die Möglichkeit, den Zugang in das mobile Netz wieder freizuschalten. Eine zweite Warnung bekommt er allerdings nicht.
Auch Vodafone hat Reise-Pakete im Portfolio. Die Kunden können hier gegen einen Aufpreis von 2,99 Euro am Tag eine Reiseflatrate buchen. Diese gilt dann nicht nur für das EU-Ausland, sondern auch für die Schweiz und die Türkei. Bedenkt man, dass die Kosten für das Surfen am Bosporus für ein Megabyte Datenvolumen schnell über zehn Euro kosten, lohnt sich das durchaus. Schließlich gehört die Türkei nicht zur Europäischen Union. Entsprechend greifen die neuen Grenzwerte auch nicht.
„Bevor man ins Ausland reist, sollte man sich immer schlau machen, welcher Tarif für einen eingestellt ist“, sagt Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale. „Manchmal gehen Voreinstellungen beim Tarifwechsel verloren, ohne dass der Verbraucher darüber informiert wurde.“ Und das gilt sowohl für den Urlaub innerhalb der EU als auch außerhalb.
Außerdem sei es sinnvoll, die Softwareaktualisierungen über das mobile Netz abzuschalten, rät der Verbraucherschützer. Wer diese nur über ein WLAN zulässt, schließt hohe Roaminggebühren aus, die durch automatische Updates entstehen können, die Apps im Hintergrund ausführen.
Herausforderung für Netzbetreiber
„Vodafone und Telekom sind sich mit ihren Angeboten sehr ähnlich, da sie vor allem größere Datenpakete für Geschäftskunden anbieten“, erklärt Torsten Gerpott. „E-Plus und O2 zielen eher auf kleinere Pakete für den Privatkundenmarkt.“ Unterm Strich orientiere sich aber immer der eine am anderen. Denn einerseits wollen die Provider wettbewerbsfähig sein, aber auch nicht mit Dumpingpreisen den Markt kaputt machen.“
O2 macht bei seinen Kunden eine Art Zweiklassengesellschaft auf. Wer sehr günstige Verträge abgeschlossen hat, kommt um Zusatzpakete für Auslandsreisen nicht herum. Nur die O2-Blue-Smartphone-Pakete enthalten je nach Angebot bis zu 500 Megabyte Datenvolumen für die Auslandsnutzung hinzu.
Ganz anders E-Plus: Schon im Laufe des Frühjahrs hat die KPN-Tochter die Roaminggebühren für Telefonie schrittweise abgeschafft. Prepaid-Kunden zahlen in allen E-Plus-Marken für Telefonate aus dem EU-Ausland und der Schweiz nur neun Cent pro Minute, statt der von der EU angepeilten 23 Cent. Beim Datenversand hält sich das Unternehmen jedoch an den neuen Grenzwert von 24 Cent.
Für die zahlreichen Vertragskunden ändert sich hingegen erstmal gar nichts. Ihnen werden auch künftig weiter Roaminggebühren berechnet. Frei steht es ihnen allerdings, Reisepakete hinzu zu buchen. Die teuerste Variante Comfort kostet 20 Euro. Dafür bekommen die Kunden 300 Megabyte zum Surfen, 150 Minuten für Telefonate und 150 Frei-SMS. Doch auch bei den Reiseverträgen ist Vorsicht gefragt. Zum Teil dürfen diese nur Kunden mit einem "all-in-Vertrag" abschließen.
„Die Kosten, die den Anbietern entstehen, wenn sie ein Megabyte durchs Netz leiten, dürften deutlich geringer sein, als die verlangten Preise“, sagt Thomas Bradler. „Die sukzessive Verringerung der Höchstpreise durch die EU führt hier langsam aber sicher zu einem angemessenen Verhältnis.“
Seit 2007 sind die Roaming-Preise um insgesamt 90 Prozent gesunken. Auf der anderen Seite ist das Datenvolumen durch das Aufkommen von Mobiltelefonen und Tablets massiv angestiegen.
Um den Datenmassen noch gerecht zu werden, muss eine neue Infrastruktur her. Ganze Abrechnungs- und Buchungssysteme müssen europaweit aufeinander abgestimmt und umgestellt werden. Zudem beklagt die Deutsche Telekom schon lange, den Netzausbau unter den aktuellen Bedingungen nicht alleine vorantrieben zu können. In der Konsequenz hat das Unternehmen hierzulande Datenvolumina von Flatrates wieder zurück genommen – und dafür unter dem Schlagwort Drosselkom viel Kritik geerntet.
„Wenn irgendwo Einnahmen wegbrechen, dann sind die Mobilfunkanbieter natürlich geneigt, das woanders wieder reinzuholen. Man wird künftig beobachten müssen, ob Leistungen wieder stärker aufgespalten werden, die früher in einem Paket zusammengefasst waren“, sagt Thomas Bradler.