LG G6 Bloß nicht nochmal auf die Nasen fallen

2016 stellte LG Electronics auf dem Mobile World Congress ein innovatives Smartphone-Konzept vor. Jetzt machen die Südkoreaner die Rolle rückwärts und üben sich in Demut - kein Wunder.

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Das LG G6 Quelle: PR

"Von Euch Lernen" steht minutenlang in großen Buchstaben auf der Leinwand in der Messehalle in Barcelona. Bei der Vorstellung seines neuen Premiumgerätes G6 im Rahmen des Mobile World Congress gibt sich der südkoreanische Konzern LG demütig. Fast ununterbrochen beteuern die Manager, auf die Wünsche der Kunden gehört zu haben. Das ist nach dem Flop des Vorgängermodells G5 kein Wunder.

"Vergangenes Jahr habe ich als Manager und Verbraucher eine wichtige Lektionen gelernt", räumte Handysparten-Chef Juno Cho gleich zu Beginn der Präsentation ein. Auf die Kunden zu hören, sei das wichtigste für jede Innovation.

Um das zu beweisen, hat LG das Display zum zentralen Verkaufsargument für das G6 erhoben - und vermarktet es unter dem Begriff "Full Vision". Der Konzern hat die Ränder, die den Bildschirm umschließen, deutlich geschrumpft.

Das LG G6

Das Ergebnis: Das G6 ist Zoll mit 5,7 Zoll einen halben Zoll größer als der Vorgänger, das Gehäuse ist aber nicht mitgewachsen. Das Seitenverhältnis ist nun 18:9. Der Konzern rechnet damit, dass das neue Bildformat bei auch bei Konkurrenten wie Apple und Samsung zum Einsatz kommt - und verspricht, dass Netflix und Amazon ihr Medienangebot daran anpassen.

Zusammen mit der erstmals in einem Smartphone verbauten "Dolby Vision"-Technik, die für besseren Kontrast und einen größeren Farbraum sorgt, soll G6-Kunden ein besseres Abtauchen in Filme und Spiele ermöglichen.


Für Fotofreunde hat LG die G6-Kamera mit einer Weitwinkel-Linse ausgestattet. Nutzer sollen so bis zu acht Personen aufnehmen können - ganz ohne Selfie-Stick.

Bei der Vorstellung in Barcelona wird LG nicht müde zu betonen, dass Nutzerfreundlichkeit, Komfort und Verlässlichkeit auch beim Design vom Smartphone und Oberfläche die entscheidenden Schlüssel sind. Der G6-Ansatz sei in beiden Fällen bewusst ein minimalistischer, ohne unnötigen Schnickschnack.

Entschuldigung vom CEO

Den G6-Vorgänger pries LG noch vollmundig als "Abenteuerspielplatz für die Hosentasche" an. Über eine Aufsteckfunktion lässt sich das Smartphone G5 leicht um Zusatzmodule aufrüsten. Produziert wurde etwa ein Kameragriff, der das Smartphone um Zoom-Rad, Auslöser und Extra-Akku erweitert. Zu den weiteren Spielereien zählten eine Virtual-Reality-Brille und eine Drohne.

Das Smartphone wirkte gut, das Konzept frisch. Aber die Kunden waren von Beginn an völlig desinteressiert. Dann sorgten Berichte über schlechte Akkulaufzeit und Qualitätsmängel bei Modulen endgültig für den Niedergang Die Verkaufszahlen des G5 blieben deutlich hinter den Erwartung, die Handy-Sparte geriet in der Folge zur Belastung für den ganzen Konzern. Eine Katastrophe für den Konzern. Anders ist es nicht zu klären, dass sich LG-Ceo Seong-jin Jo gezwungen sah, in Barcelona persönlich zu versichern, dass es hohe Priorität habe, "das Ruder bei der Mobilsparte herumzureißen".

Wer 2016 die meisten Smartphones verkaufte

Eine Kehrtwende, die also dringend nötig ist: "Innovation um der Innovation Willen hat LG schlicht nichts gebracht", urteilt Gartner-Analystin Roberta Cozza. Das modulare System ging an den Bedürfnissen der Premium-Kunden vorbei. Die meisten Nutzer wollen nicht am Smartphone herumdoktern, wollen nicht umstecken, brauchen viele Zusatzfunktionen auch gar nicht.

Für LG und einen Großteil der Branche birgt das Scheitern den G5 jedoch eine bittere Lektion: Sich innerhalb der Grenzen abzuheben, die der Kunde toleriert, wird immer schwieriger. An größeren Revolutionen wird gearbeitet, bis dahin bleiben die kleineren Innovationen die einzige Möglichkeit im Geschäft zu bleiben - bis ein mutiger Wurf gelingt. (Report: Die wichtigsten Innovationen der Smartphonebranche).


Mit der Konzentration auf Display, Kamera und Nutzergefühl dreht LG beim G6 an zentralen Schrauben. Ob das reicht, um sich weit genug von der Konkurrenz abzuheben, muss sich noch zeigen.

LG muss hoffen, dass das G6 von den Premium-Kunden akzeptiert wird und nicht weitere Anteile am prestige- und profitträchtigen Hochpreisgeschäft an Apple, Samsung oder forsche Angreifer wie Huawei verloren gehen.

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